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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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VIERTES BUCH. KAPITEL IV.
dem Sultan und bestimmte ihn endlich ernstlich eine Wahl zu
treffen. Der Schwiegersohn ward aufgeopfert und unter dem
Vorgeben, dass alle seine Begehren bewilligt werden sollten, von
dem eigenen Schwiegervater in einen Hinterhalt gelockt, wo Ju-
gurthas Gefolge niedergemacht und er selbst gefangen genommen
wurde. So fiel der grosse Verräther durch den Verrath seiner
Nächsten. Gefesselt brachte Lucius Sulla den listigen und rast-
losen Africaner mit seinen Kindern in das römische Hauptquar-
tier; damit war nach siebenjähriger Dauer der Krieg zu Ende.
Der Sieg knüpfte sich zunächst an den Namen des Marius; sei-
nem Triumphalwagen schritt König Jugurtha in königlichem
Schmuck und in Fesseln mit seinen beiden Söhnen vorauf, als
der Sieger am 1. Jan. 650 in Rom einzog; auf seinen Befehl
starb der Sohn der Wüste wenige Tage darauf in dem unterirdi-
schen Stadtgefängniss, dem alten Brunnenhaus am Capitol, dem
,kühlen Badgemach', wie der Africaner es nannte, als er die
Schwelle überschritt, um daselbst sei es erdrosselt zu werden,
sei es umzukommen durch Kälte und Hunger. Allein es liess sich
nicht leugnen, dass Marius an den wirklichen Erfolgen den ge-
ringsten Antheil hatte, dass Numidiens Eroberung bis an den
Saum der Wüste das Werk des Metellus, Jugurthas Gefangen-
nahme das des Sulla war und zwischen beiden Marius eine für
einen ehrgeizigen Emporkömmling einigermassen compromitti-
rende Rolle spielte. Vor allem Sullas glänzender Zug in die
Wüste, der seinen Muth, seine Geistesgegenwart, seinen Scharf-
blick, seine Macht über die Menschen vor dem Feldherrn selbst
und vor der ganzen Armee zur Anerkennung gebracht hatte,
stellte Marius Feldherrnschaft gar sehr in Schatten. Marius er-
trug es ungern, dass sein Vorgänger den Namen des Siegers von
Numidien annahm; er brauste zornig auf, als König Bocchus
später ein goldenes Bildwerk auf dem Capitol weihte, welches
die Auslieferung des Jugurtha an Sulla darstellte. Es wäre auf
diese militärischen Rivalitäten wenig angekommen, wenn sie
nicht in den politischen Parteikampf eingegriffen hätten; wenn
nicht die Opposition durch Marius den senatorischen General
verdrängt, nicht die Regierungspartei Metellus und mehr noch
Sulla mit erbitternder Absichtlichkeit als die militärischen Ko-
ryphäen gefeiert und sie dem nominellen Sieger vorgezogen
hätte. -- Im Uebrigen verlief diese Insurrection des numidischen
Clientelstaats, ohne weder in den Provinzial- noch in den allge-
meinen politischen Verhältnissen eine sehr wesentliche Verände-
rung hervorzubringen. Abweichend von der sonst in dieser Zeit

VIERTES BUCH. KAPITEL IV.
dem Sultan und bestimmte ihn endlich ernstlich eine Wahl zu
treffen. Der Schwiegersohn ward aufgeopfert und unter dem
Vorgeben, daſs alle seine Begehren bewilligt werden sollten, von
dem eigenen Schwiegervater in einen Hinterhalt gelockt, wo Ju-
gurthas Gefolge niedergemacht und er selbst gefangen genommen
wurde. So fiel der groſse Verräther durch den Verrath seiner
Nächsten. Gefesselt brachte Lucius Sulla den listigen und rast-
losen Africaner mit seinen Kindern in das römische Hauptquar-
tier; damit war nach siebenjähriger Dauer der Krieg zu Ende.
Der Sieg knüpfte sich zunächst an den Namen des Marius; sei-
nem Triumphalwagen schritt König Jugurtha in königlichem
Schmuck und in Fesseln mit seinen beiden Söhnen vorauf, als
der Sieger am 1. Jan. 650 in Rom einzog; auf seinen Befehl
starb der Sohn der Wüste wenige Tage darauf in dem unterirdi-
schen Stadtgefängniſs, dem alten Brunnenhaus am Capitol, dem
‚kühlen Badgemach‘, wie der Africaner es nannte, als er die
Schwelle überschritt, um daselbst sei es erdrosselt zu werden,
sei es umzukommen durch Kälte und Hunger. Allein es lieſs sich
nicht leugnen, daſs Marius an den wirklichen Erfolgen den ge-
ringsten Antheil hatte, daſs Numidiens Eroberung bis an den
Saum der Wüste das Werk des Metellus, Jugurthas Gefangen-
nahme das des Sulla war und zwischen beiden Marius eine für
einen ehrgeizigen Emporkömmling einigermaſsen compromitti-
rende Rolle spielte. Vor allem Sullas glänzender Zug in die
Wüste, der seinen Muth, seine Geistesgegenwart, seinen Scharf-
blick, seine Macht über die Menschen vor dem Feldherrn selbst
und vor der ganzen Armee zur Anerkennung gebracht hatte,
stellte Marius Feldherrnschaft gar sehr in Schatten. Marius er-
trug es ungern, daſs sein Vorgänger den Namen des Siegers von
Numidien annahm; er brauste zornig auf, als König Bocchus
später ein goldenes Bildwerk auf dem Capitol weihte, welches
die Auslieferung des Jugurtha an Sulla darstellte. Es wäre auf
diese militärischen Rivalitäten wenig angekommen, wenn sie
nicht in den politischen Parteikampf eingegriffen hätten; wenn
nicht die Opposition durch Marius den senatorischen General
verdrängt, nicht die Regierungspartei Metellus und mehr noch
Sulla mit erbitternder Absichtlichkeit als die militärischen Ko-
ryphäen gefeiert und sie dem nominellen Sieger vorgezogen
hätte. — Im Uebrigen verlief diese Insurrection des numidischen
Clientelstaats, ohne weder in den Provinzial- noch in den allge-
meinen politischen Verhältnissen eine sehr wesentliche Verände-
rung hervorzubringen. Abweichend von der sonst in dieser Zeit

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[148/0158] VIERTES BUCH. KAPITEL IV. dem Sultan und bestimmte ihn endlich ernstlich eine Wahl zu treffen. Der Schwiegersohn ward aufgeopfert und unter dem Vorgeben, daſs alle seine Begehren bewilligt werden sollten, von dem eigenen Schwiegervater in einen Hinterhalt gelockt, wo Ju- gurthas Gefolge niedergemacht und er selbst gefangen genommen wurde. So fiel der groſse Verräther durch den Verrath seiner Nächsten. Gefesselt brachte Lucius Sulla den listigen und rast- losen Africaner mit seinen Kindern in das römische Hauptquar- tier; damit war nach siebenjähriger Dauer der Krieg zu Ende. Der Sieg knüpfte sich zunächst an den Namen des Marius; sei- nem Triumphalwagen schritt König Jugurtha in königlichem Schmuck und in Fesseln mit seinen beiden Söhnen vorauf, als der Sieger am 1. Jan. 650 in Rom einzog; auf seinen Befehl starb der Sohn der Wüste wenige Tage darauf in dem unterirdi- schen Stadtgefängniſs, dem alten Brunnenhaus am Capitol, dem ‚kühlen Badgemach‘, wie der Africaner es nannte, als er die Schwelle überschritt, um daselbst sei es erdrosselt zu werden, sei es umzukommen durch Kälte und Hunger. Allein es lieſs sich nicht leugnen, daſs Marius an den wirklichen Erfolgen den ge- ringsten Antheil hatte, daſs Numidiens Eroberung bis an den Saum der Wüste das Werk des Metellus, Jugurthas Gefangen- nahme das des Sulla war und zwischen beiden Marius eine für einen ehrgeizigen Emporkömmling einigermaſsen compromitti- rende Rolle spielte. Vor allem Sullas glänzender Zug in die Wüste, der seinen Muth, seine Geistesgegenwart, seinen Scharf- blick, seine Macht über die Menschen vor dem Feldherrn selbst und vor der ganzen Armee zur Anerkennung gebracht hatte, stellte Marius Feldherrnschaft gar sehr in Schatten. Marius er- trug es ungern, daſs sein Vorgänger den Namen des Siegers von Numidien annahm; er brauste zornig auf, als König Bocchus später ein goldenes Bildwerk auf dem Capitol weihte, welches die Auslieferung des Jugurtha an Sulla darstellte. Es wäre auf diese militärischen Rivalitäten wenig angekommen, wenn sie nicht in den politischen Parteikampf eingegriffen hätten; wenn nicht die Opposition durch Marius den senatorischen General verdrängt, nicht die Regierungspartei Metellus und mehr noch Sulla mit erbitternder Absichtlichkeit als die militärischen Ko- ryphäen gefeiert und sie dem nominellen Sieger vorgezogen hätte. — Im Uebrigen verlief diese Insurrection des numidischen Clientelstaats, ohne weder in den Provinzial- noch in den allge- meinen politischen Verhältnissen eine sehr wesentliche Verände- rung hervorzubringen. Abweichend von der sonst in dieser Zeit

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/158>, abgerufen am 12.12.2024.