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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
grauenden Morgen im tiefen Schlafe überfallen und wurden
glücklich zerstreut. So setzte das römische Heer in besserer
Ordnung und mit grösserer Vorsicht den Rückzug fort; allein
noch einmal wurde es auf demselben von allen vier Seiten zu-
gleich angefallen, bis der Reiterführer Lucius Cornelius Sulla zu-
erst die ihm gegenüberstehenden Schwadronen aus einander
stäubte und von deren Verfolgung rasch zurückkehrend sich so-
fort auf Jugurtha und Bocchus warf, da wo sie persönlich das
römische Fussvolk im Rücken angriffen. Also ward auch dieser
Angriff glücklich abgeschlagen; Marius brachte sein Heer zurück
nach Cirta und nahm daselbst das Winterquartier (). Es
ist wunderlich, aber freilich begreiflich, dass man römischer-
seits um die Freundschaft des Königs Bocchus, die man anfangs
verschmäht, sodann wenigstens nicht eben gesucht hatte, jetzt
nach diesen heftigen Angriffen anfing sich aufs eifrigste zu bemü-
hen; was insofern einigermassen thunlich war, als eine förmliche
Kriegserklärung nicht stattgefunden hatte. König Bocchus war
nicht abgeneigt in seine alte zweideutige Stellung zurückzutreten;
ohne den Vertrag mit Jugurtha aufzulösen oder diesen zu entlas-
sen, knüpfte er Unterhandlungen mit Marius an und erbat sich
endlich, dass man zum Abschluss des Vertrages und zur Ueber-
nahme des königlichen Gefangenen den Lucius Sulla an ihn absen-
den möge, der dem König bekannt und genehm sei theils von der
Zeit her, wo er als Gesandter des Senats am mauretanischen Hofe
erschienen war, theils durch Empfehlungen der nach Rom be-
stimmten mauretanischen Gesandten, denen Sulla unterwegs
Dienste geleistet hatte. Marius war in einer unbequemen Lage.
Lehnte er die Zumuthung ab, so führte dies wahrscheinlich zum
Bruche; nahm er sie an, so gab er seinen adlichsten und tapfer-
sten Offizier einem mehr als unzuverlässigen Mann in die Hände,
von dem es allbekannt war, dass er mit den Römern und mit Ju-
gurtha zugleich unterhandle und der fast den Plan entworfen zu
haben schien an Jugurtha und Sulla sich nach beiden Seiten hin
vorläufig Geisseln zu schaffen. Indess der Wunsch den Krieg zu
Ende zu bringen überwog jede andere Rücksicht und Sulla verstand
sich zu der bedenklichen Aufgabe, die Marius ihm ansann. Dreist
brach er auf, geleitet von König Bocchus Sohn Volux und seine
Entschlossenheit wankte selbst dann nicht, als sein Wegweiser ihn
mitten durch das Lager des Jugurtha führte. Er wies die kleinmü-
thigen Fluchtvorschläge seiner Begleiter zurück und zog, des Kö-
nigs Sohn an der Seite, unverletzt durch die Feinde. Dieselbe Ent-
schiedenheit bewährte der kecke Offizier in den Verhandlungen mit

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DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
grauenden Morgen im tiefen Schlafe überfallen und wurden
glücklich zerstreut. So setzte das römische Heer in besserer
Ordnung und mit gröſserer Vorsicht den Rückzug fort; allein
noch einmal wurde es auf demselben von allen vier Seiten zu-
gleich angefallen, bis der Reiterführer Lucius Cornelius Sulla zu-
erst die ihm gegenüberstehenden Schwadronen aus einander
stäubte und von deren Verfolgung rasch zurückkehrend sich so-
fort auf Jugurtha und Bocchus warf, da wo sie persönlich das
römische Fuſsvolk im Rücken angriffen. Also ward auch dieser
Angriff glücklich abgeschlagen; Marius brachte sein Heer zurück
nach Cirta und nahm daselbst das Winterquartier (). Es
ist wunderlich, aber freilich begreiflich, daſs man römischer-
seits um die Freundschaft des Königs Bocchus, die man anfangs
verschmäht, sodann wenigstens nicht eben gesucht hatte, jetzt
nach diesen heftigen Angriffen anfing sich aufs eifrigste zu bemü-
hen; was insofern einigermaſsen thunlich war, als eine förmliche
Kriegserklärung nicht stattgefunden hatte. König Bocchus war
nicht abgeneigt in seine alte zweideutige Stellung zurückzutreten;
ohne den Vertrag mit Jugurtha aufzulösen oder diesen zu entlas-
sen, knüpfte er Unterhandlungen mit Marius an und erbat sich
endlich, daſs man zum Abschluſs des Vertrages und zur Ueber-
nahme des königlichen Gefangenen den Lucius Sulla an ihn absen-
den möge, der dem König bekannt und genehm sei theils von der
Zeit her, wo er als Gesandter des Senats am mauretanischen Hofe
erschienen war, theils durch Empfehlungen der nach Rom be-
stimmten mauretanischen Gesandten, denen Sulla unterwegs
Dienste geleistet hatte. Marius war in einer unbequemen Lage.
Lehnte er die Zumuthung ab, so führte dies wahrscheinlich zum
Bruche; nahm er sie an, so gab er seinen adlichsten und tapfer-
sten Offizier einem mehr als unzuverlässigen Mann in die Hände,
von dem es allbekannt war, daſs er mit den Römern und mit Ju-
gurtha zugleich unterhandle und der fast den Plan entworfen zu
haben schien an Jugurtha und Sulla sich nach beiden Seiten hin
vorläufig Geiſseln zu schaffen. Indeſs der Wunsch den Krieg zu
Ende zu bringen überwog jede andere Rücksicht und Sulla verstand
sich zu der bedenklichen Aufgabe, die Marius ihm ansann. Dreist
brach er auf, geleitet von König Bocchus Sohn Volux und seine
Entschlossenheit wankte selbst dann nicht, als sein Wegweiser ihn
mitten durch das Lager des Jugurtha führte. Er wies die kleinmü-
thigen Fluchtvorschläge seiner Begleiter zurück und zog, des Kö-
nigs Sohn an der Seite, unverletzt durch die Feinde. Dieselbe Ent-
schiedenheit bewährte der kecke Offizier in den Verhandlungen mit

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[147/0157] DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. grauenden Morgen im tiefen Schlafe überfallen und wurden glücklich zerstreut. So setzte das römische Heer in besserer Ordnung und mit gröſserer Vorsicht den Rückzug fort; allein noch einmal wurde es auf demselben von allen vier Seiten zu- gleich angefallen, bis der Reiterführer Lucius Cornelius Sulla zu- erst die ihm gegenüberstehenden Schwadronen aus einander stäubte und von deren Verfolgung rasch zurückkehrend sich so- fort auf Jugurtha und Bocchus warf, da wo sie persönlich das römische Fuſsvolk im Rücken angriffen. Also ward auch dieser Angriff glücklich abgeschlagen; Marius brachte sein Heer zurück nach Cirta und nahm daselbst das Winterquartier ([FORMEL]). Es ist wunderlich, aber freilich begreiflich, daſs man römischer- seits um die Freundschaft des Königs Bocchus, die man anfangs verschmäht, sodann wenigstens nicht eben gesucht hatte, jetzt nach diesen heftigen Angriffen anfing sich aufs eifrigste zu bemü- hen; was insofern einigermaſsen thunlich war, als eine förmliche Kriegserklärung nicht stattgefunden hatte. König Bocchus war nicht abgeneigt in seine alte zweideutige Stellung zurückzutreten; ohne den Vertrag mit Jugurtha aufzulösen oder diesen zu entlas- sen, knüpfte er Unterhandlungen mit Marius an und erbat sich endlich, daſs man zum Abschluſs des Vertrages und zur Ueber- nahme des königlichen Gefangenen den Lucius Sulla an ihn absen- den möge, der dem König bekannt und genehm sei theils von der Zeit her, wo er als Gesandter des Senats am mauretanischen Hofe erschienen war, theils durch Empfehlungen der nach Rom be- stimmten mauretanischen Gesandten, denen Sulla unterwegs Dienste geleistet hatte. Marius war in einer unbequemen Lage. Lehnte er die Zumuthung ab, so führte dies wahrscheinlich zum Bruche; nahm er sie an, so gab er seinen adlichsten und tapfer- sten Offizier einem mehr als unzuverlässigen Mann in die Hände, von dem es allbekannt war, daſs er mit den Römern und mit Ju- gurtha zugleich unterhandle und der fast den Plan entworfen zu haben schien an Jugurtha und Sulla sich nach beiden Seiten hin vorläufig Geiſseln zu schaffen. Indeſs der Wunsch den Krieg zu Ende zu bringen überwog jede andere Rücksicht und Sulla verstand sich zu der bedenklichen Aufgabe, die Marius ihm ansann. Dreist brach er auf, geleitet von König Bocchus Sohn Volux und seine Entschlossenheit wankte selbst dann nicht, als sein Wegweiser ihn mitten durch das Lager des Jugurtha führte. Er wies die kleinmü- thigen Fluchtvorschläge seiner Begleiter zurück und zog, des Kö- nigs Sohn an der Seite, unverletzt durch die Feinde. Dieselbe Ent- schiedenheit bewährte der kecke Offizier in den Verhandlungen mit 10*

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/157>, abgerufen am 12.12.2024.