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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
ter die Fahnen des siegreichen Königs führte, brauste in Italien
die öffentliche Meinung hoch auf gegen die ebenso verdorbene
als verderbliche Regierungsaristokratie und brach los in einem
Prozesssturm, der, genährt durch die Erbitterung der Kaufmann-
schaft, zahlreiche Opfer aus den höchsten Kreisen des Adels
wegraffte. Auf den Antrag des Volkstribuns Gaius Mamilius Li-
metanus ward trotz der schüchternen Versuche des Senats das
Strafgericht abzuwenden eine ausserordentliche Geschwornen-
commission bestellt zur Untersuchung des in der numidischen
Successionsfrage vorgekommenen Landesverraths, und ihre Wahr-
sprüche sandten die beiden bisherigen Oberfeldherren, Gaius Be-
stia und Spurius Albinus, ferner den Lucius Opimius, das Haupt
der ersten africanischen Commission und nebenbei den Henker
des Gaius Gracchus, ausserdem zahlreiche andere weniger nam-
hafte schuldige und unschuldige Männer der Regierungspartei in
die Verbannung. Dass indess diese Prozesse einzig darauf hin-
ausliefen die aufgeregte öffentliche Meinung namentlich der Capi-
talistenkreise durch Aufopferung einiger der am meisten compro-
mittirten Personen wieder zu beschwichtigen, und dass von einer
Auflehnung gegen die Aristokratie und das aristokratische Regi-
ment selbst in diesen Bewegungen nicht die leiseste Spur vor-
handen war, zeigt sehr deutlich die Thatsache, dass an den
Schuldigsten unter den Schuldigen, an den klugen und mächti-
gen Scaurus nicht bloss Niemand sich wagte, sondern dass er
eben um diese Zeit zum Censor, ja sogar unglaublicher Weise
zu einem der Vorstände der ausserordentlichen Hochverrathscom-
mission erwählt ward. Um so weniger ward auch nur der Ver-
such gemacht der Regierung in ihre Competenz einzugreifen und
es blieb lediglich dem Senat überlassen dem numidischen Scan-
dal in der für die Aristokratie möglichst gelinden Weise ein Ende
zu machen; dass dies an der Zeit war, mochte wohl selbst der
adlichste Adliche anfangen zu begreifen.

Der Senat cassirte zunächst auch den zweiten Friedens-
vertrag -- den Oberbefehlshaber, der ihn abgeschlossen, dem
Feinde auszuliefern, wie es noch vor dreissig Jahren geschehen
war, schien nach den neuen Begriffen von der Heiligkeit der Ver-
träge nicht ferner nöthig -- und die Erneuerung des Krieges
ward diesmal allen Ernstes beschlossen. Man übergab den Ober-
befehl in Africa zwar wie natürlich einem Aristokraten, aber
doch einem der wenigen vornehmen Männer, die militärisch und
sittlich der Aufgabe gewachsen waren. Die Wahl fiel auf Quintus
Metellus. Er war wie die ganze mächtige Familie, der er ange-

DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
ter die Fahnen des siegreichen Königs führte, brauste in Italien
die öffentliche Meinung hoch auf gegen die ebenso verdorbene
als verderbliche Regierungsaristokratie und brach los in einem
Prozeſssturm, der, genährt durch die Erbitterung der Kaufmann-
schaft, zahlreiche Opfer aus den höchsten Kreisen des Adels
wegraffte. Auf den Antrag des Volkstribuns Gaius Mamilius Li-
metanus ward trotz der schüchternen Versuche des Senats das
Strafgericht abzuwenden eine auſserordentliche Geschwornen-
commission bestellt zur Untersuchung des in der numidischen
Successionsfrage vorgekommenen Landesverraths, und ihre Wahr-
sprüche sandten die beiden bisherigen Oberfeldherren, Gaius Be-
stia und Spurius Albinus, ferner den Lucius Opimius, das Haupt
der ersten africanischen Commission und nebenbei den Henker
des Gaius Gracchus, auſserdem zahlreiche andere weniger nam-
hafte schuldige und unschuldige Männer der Regierungspartei in
die Verbannung. Daſs indeſs diese Prozesse einzig darauf hin-
ausliefen die aufgeregte öffentliche Meinung namentlich der Capi-
talistenkreise durch Aufopferung einiger der am meisten compro-
mittirten Personen wieder zu beschwichtigen, und daſs von einer
Auflehnung gegen die Aristokratie und das aristokratische Regi-
ment selbst in diesen Bewegungen nicht die leiseste Spur vor-
handen war, zeigt sehr deutlich die Thatsache, daſs an den
Schuldigsten unter den Schuldigen, an den klugen und mächti-
gen Scaurus nicht bloſs Niemand sich wagte, sondern daſs er
eben um diese Zeit zum Censor, ja sogar unglaublicher Weise
zu einem der Vorstände der auſserordentlichen Hochverrathscom-
mission erwählt ward. Um so weniger ward auch nur der Ver-
such gemacht der Regierung in ihre Competenz einzugreifen und
es blieb lediglich dem Senat überlassen dem numidischen Scan-
dal in der für die Aristokratie möglichst gelinden Weise ein Ende
zu machen; daſs dies an der Zeit war, mochte wohl selbst der
adlichste Adliche anfangen zu begreifen.

Der Senat cassirte zunächst auch den zweiten Friedens-
vertrag — den Oberbefehlshaber, der ihn abgeschlossen, dem
Feinde auszuliefern, wie es noch vor dreiſsig Jahren geschehen
war, schien nach den neuen Begriffen von der Heiligkeit der Ver-
träge nicht ferner nöthig — und die Erneuerung des Krieges
ward diesmal allen Ernstes beschlossen. Man übergab den Ober-
befehl in Africa zwar wie natürlich einem Aristokraten, aber
doch einem der wenigen vornehmen Männer, die militärisch und
sittlich der Aufgabe gewachsen waren. Die Wahl fiel auf Quintus
Metellus. Er war wie die ganze mächtige Familie, der er ange-

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[139/0149] DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. ter die Fahnen des siegreichen Königs führte, brauste in Italien die öffentliche Meinung hoch auf gegen die ebenso verdorbene als verderbliche Regierungsaristokratie und brach los in einem Prozeſssturm, der, genährt durch die Erbitterung der Kaufmann- schaft, zahlreiche Opfer aus den höchsten Kreisen des Adels wegraffte. Auf den Antrag des Volkstribuns Gaius Mamilius Li- metanus ward trotz der schüchternen Versuche des Senats das Strafgericht abzuwenden eine auſserordentliche Geschwornen- commission bestellt zur Untersuchung des in der numidischen Successionsfrage vorgekommenen Landesverraths, und ihre Wahr- sprüche sandten die beiden bisherigen Oberfeldherren, Gaius Be- stia und Spurius Albinus, ferner den Lucius Opimius, das Haupt der ersten africanischen Commission und nebenbei den Henker des Gaius Gracchus, auſserdem zahlreiche andere weniger nam- hafte schuldige und unschuldige Männer der Regierungspartei in die Verbannung. Daſs indeſs diese Prozesse einzig darauf hin- ausliefen die aufgeregte öffentliche Meinung namentlich der Capi- talistenkreise durch Aufopferung einiger der am meisten compro- mittirten Personen wieder zu beschwichtigen, und daſs von einer Auflehnung gegen die Aristokratie und das aristokratische Regi- ment selbst in diesen Bewegungen nicht die leiseste Spur vor- handen war, zeigt sehr deutlich die Thatsache, daſs an den Schuldigsten unter den Schuldigen, an den klugen und mächti- gen Scaurus nicht bloſs Niemand sich wagte, sondern daſs er eben um diese Zeit zum Censor, ja sogar unglaublicher Weise zu einem der Vorstände der auſserordentlichen Hochverrathscom- mission erwählt ward. Um so weniger ward auch nur der Ver- such gemacht der Regierung in ihre Competenz einzugreifen und es blieb lediglich dem Senat überlassen dem numidischen Scan- dal in der für die Aristokratie möglichst gelinden Weise ein Ende zu machen; daſs dies an der Zeit war, mochte wohl selbst der adlichste Adliche anfangen zu begreifen. Der Senat cassirte zunächst auch den zweiten Friedens- vertrag — den Oberbefehlshaber, der ihn abgeschlossen, dem Feinde auszuliefern, wie es noch vor dreiſsig Jahren geschehen war, schien nach den neuen Begriffen von der Heiligkeit der Ver- träge nicht ferner nöthig — und die Erneuerung des Krieges ward diesmal allen Ernstes beschlossen. Man übergab den Ober- befehl in Africa zwar wie natürlich einem Aristokraten, aber doch einem der wenigen vornehmen Männer, die militärisch und sittlich der Aufgabe gewachsen waren. Die Wahl fiel auf Quintus Metellus. Er war wie die ganze mächtige Familie, der er ange-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/149>, abgerufen am 27.11.2024.