Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. stürmten nach Syrakus um von dem römischen Statthalter die Si-stirung solcher unerhörten Rechtspflege zu erzwingen; Nerva war schwach genug sich terrorisiren zu lassen und die prozessbittenden Sclaven mit barschen Worten anzuweisen, dass sie sich des lästigen Verlangens von Recht und Gerechtigkeit zu begeben und augen- blicklich zu ihren Herren zurückzukehren hätten. Die Abgewiese- nen rotteten statt dessen sich zusammen und gingen in die Berge. Der Statthalter war auf militärische Massregeln nicht gefasst und selbst der elende Landsturm der Insel nicht sogleich zur Hand; wesshalb er ein Bündniss abschloss mit einem der bekanntesten Räuberhauptleute auf der Insel und gegen das Versprechen ihn selbst zu begnadigen ihn bewog die aufständischen Sclaven durch Verrath den Römern in die Hand zu spielen. Dieses Schwarmes ward man also Herr. Allein einer anderen Bande entlaufener Scla- ven gelang es dafür eine Abtheilung der Besatzung von Enna (Ca- strogiovanni) zu schlagen. Dieser erste Erfolg verschaffte den In- surgenten, was sie vor allem bedurften, Waffen und Zulauf. Das Heergeräth der gefallenen und flüchtigen Gegner gab die erste Grundlage für ihre militärische Organisation und bald war die Zahl der Insurgenten auf viele Tausende angeschwollen. Diese Syrer in der Fremde schienen bereits gleich ihren Vorgängern sich nicht unwürdig wie ihre Landsleute daheim einen König zu besitzen und -- den Lumpenkönig der Heimath bis auf den Namen parodirend -- stellten sie den Sclaven Salvius an ihre Spitze als König Tryphon. In dem Strich zwischen Enna und Leontinoi (Len- tini), wo diese Haufen ihren Hauptsitz hatten, war das offene Land ganz in den Händen der Insurgenten und Morgantia und andere ummauerte Städte schon von ihnen belagert, als mit den eiligst zu- sammengerafften sicilischen und italischen Schaaren der römische Statthalter das Sclavenheer vor Morgantia überfiel. Er besetzte das unvertheidigte Lager; allein die Sclaven, obwohl überrascht, hielten Stand und wie es zum Gefecht kam, wich der Landsturm der Insel nicht bloss beim ersten Anprall, sondern da die Scla- ven jeden der die Waffen wegwarf ungehindert entkommen lies- sen, benutzten die Milizen fast ohne Ausnahme die gute Gele- genheit sich freien Rückzug zu verschaffen und das römische Heer lief vollständig aus einander. Hätten die Sclaven in Morgan- tia mit ihren Genossen vor den Thoren gemeinschaftliche Sache machen wollen, so war die Stadt verloren; sie zogen es indess vor von ihren Herren gesetzmässig die Freiheit geschenkt zu nehmen und halfen ihnen durch ihre Tapferkeit die Stadt retten, worauf sodann der römische Statthalter das den Sclaven feierlich Röm. Gesch. II. 9
DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. stürmten nach Syrakus um von dem römischen Statthalter die Si-stirung solcher unerhörten Rechtspflege zu erzwingen; Nerva war schwach genug sich terrorisiren zu lassen und die prozeſsbittenden Sclaven mit barschen Worten anzuweisen, daſs sie sich des lästigen Verlangens von Recht und Gerechtigkeit zu begeben und augen- blicklich zu ihren Herren zurückzukehren hätten. Die Abgewiese- nen rotteten statt dessen sich zusammen und gingen in die Berge. Der Statthalter war auf militärische Maſsregeln nicht gefaſst und selbst der elende Landsturm der Insel nicht sogleich zur Hand; weſshalb er ein Bündniſs abschloſs mit einem der bekanntesten Räuberhauptleute auf der Insel und gegen das Versprechen ihn selbst zu begnadigen ihn bewog die aufständischen Sclaven durch Verrath den Römern in die Hand zu spielen. Dieses Schwarmes ward man also Herr. Allein einer anderen Bande entlaufener Scla- ven gelang es dafür eine Abtheilung der Besatzung von Enna (Ca- strogiovanni) zu schlagen. Dieser erste Erfolg verschaffte den In- surgenten, was sie vor allem bedurften, Waffen und Zulauf. Das Heergeräth der gefallenen und flüchtigen Gegner gab die erste Grundlage für ihre militärische Organisation und bald war die Zahl der Insurgenten auf viele Tausende angeschwollen. Diese Syrer in der Fremde schienen bereits gleich ihren Vorgängern sich nicht unwürdig wie ihre Landsleute daheim einen König zu besitzen und — den Lumpenkönig der Heimath bis auf den Namen parodirend — stellten sie den Sclaven Salvius an ihre Spitze als König Tryphon. In dem Strich zwischen Enna und Leontinoi (Len- tini), wo diese Haufen ihren Hauptsitz hatten, war das offene Land ganz in den Händen der Insurgenten und Morgantia und andere ummauerte Städte schon von ihnen belagert, als mit den eiligst zu- sammengerafften sicilischen und italischen Schaaren der römische Statthalter das Sclavenheer vor Morgantia überfiel. Er besetzte das unvertheidigte Lager; allein die Sclaven, obwohl überrascht, hielten Stand und wie es zum Gefecht kam, wich der Landsturm der Insel nicht bloſs beim ersten Anprall, sondern da die Scla- ven jeden der die Waffen wegwarf ungehindert entkommen lies- sen, benutzten die Milizen fast ohne Ausnahme die gute Gele- genheit sich freien Rückzug zu verschaffen und das römische Heer lief vollständig aus einander. Hätten die Sclaven in Morgan- tia mit ihren Genossen vor den Thoren gemeinschaftliche Sache machen wollen, so war die Stadt verloren; sie zogen es indeſs vor von ihren Herren gesetzmäſsig die Freiheit geschenkt zu nehmen und halfen ihnen durch ihre Tapferkeit die Stadt retten, worauf sodann der römische Statthalter das den Sclaven feierlich Röm. Gesch. II. 9
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DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
stürmten nach Syrakus um von dem römischen Statthalter die Si-
stirung solcher unerhörten Rechtspflege zu erzwingen; Nerva war
schwach genug sich terrorisiren zu lassen und die prozeſsbittenden
Sclaven mit barschen Worten anzuweisen, daſs sie sich des lästigen
Verlangens von Recht und Gerechtigkeit zu begeben und augen-
blicklich zu ihren Herren zurückzukehren hätten. Die Abgewiese-
nen rotteten statt dessen sich zusammen und gingen in die Berge.
Der Statthalter war auf militärische Maſsregeln nicht gefaſst und
selbst der elende Landsturm der Insel nicht sogleich zur Hand;
weſshalb er ein Bündniſs abschloſs mit einem der bekanntesten
Räuberhauptleute auf der Insel und gegen das Versprechen ihn
selbst zu begnadigen ihn bewog die aufständischen Sclaven durch
Verrath den Römern in die Hand zu spielen. Dieses Schwarmes
ward man also Herr. Allein einer anderen Bande entlaufener Scla-
ven gelang es dafür eine Abtheilung der Besatzung von Enna (Ca-
strogiovanni) zu schlagen. Dieser erste Erfolg verschaffte den In-
surgenten, was sie vor allem bedurften, Waffen und Zulauf. Das
Heergeräth der gefallenen und flüchtigen Gegner gab die erste
Grundlage für ihre militärische Organisation und bald war die
Zahl der Insurgenten auf viele Tausende angeschwollen. Diese
Syrer in der Fremde schienen bereits gleich ihren Vorgängern
sich nicht unwürdig wie ihre Landsleute daheim einen König zu
besitzen und — den Lumpenkönig der Heimath bis auf den Namen
parodirend — stellten sie den Sclaven Salvius an ihre Spitze als
König Tryphon. In dem Strich zwischen Enna und Leontinoi (Len-
tini), wo diese Haufen ihren Hauptsitz hatten, war das offene Land
ganz in den Händen der Insurgenten und Morgantia und andere
ummauerte Städte schon von ihnen belagert, als mit den eiligst zu-
sammengerafften sicilischen und italischen Schaaren der römische
Statthalter das Sclavenheer vor Morgantia überfiel. Er besetzte
das unvertheidigte Lager; allein die Sclaven, obwohl überrascht,
hielten Stand und wie es zum Gefecht kam, wich der Landsturm
der Insel nicht bloſs beim ersten Anprall, sondern da die Scla-
ven jeden der die Waffen wegwarf ungehindert entkommen lies-
sen, benutzten die Milizen fast ohne Ausnahme die gute Gele-
genheit sich freien Rückzug zu verschaffen und das römische
Heer lief vollständig aus einander. Hätten die Sclaven in Morgan-
tia mit ihren Genossen vor den Thoren gemeinschaftliche Sache
machen wollen, so war die Stadt verloren; sie zogen es indeſs
vor von ihren Herren gesetzmäſsig die Freiheit geschenkt zu
nehmen und halfen ihnen durch ihre Tapferkeit die Stadt retten,
worauf sodann der römische Statthalter das den Sclaven feierlich
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