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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
wieder um sich griff und zum Beispiel die vier Söhne und
(wahrscheinlich) die zwei Neffen des Quintus Metellus, mit einer
einzigen Ausnahme lauter unbedeutende, zum Theil ihrer Einfalt
wegen berufene Leute, innerhalb funfzehn Jahre (631-645)
sämmtlich zum Consulat, mit Ausnahme eines Einzigen auch
zum Triumph gelangten, von den Schwiegersöhnen und so wei-
ter zu schweigen? dass je gewalt- und grausamer einer der ihri-
gen gegen die Gegenpartei aufgetreten war, er desto entschiede-
ner von ihnen gefeiert, dem echten Aristokraten jeder Fvevel,
jede Schamlosigkeit verziehen ward? dass die Regierenden und
die Regierten nur darin nicht zwei kriegführenden Parteien gli-
chen, dass in ihrem Krieg kein Völkerrecht galt? Es war leider
nur zu begreiflich, dass wenn die alte Aristokratie das Volk mit
Ruthen schlug, diese restaurirte es mit Skorpionen züchtigte.
Sie kam zurück; aber sie kam weder klüger noch besser. Nie
hat es bis auf diese Zeit der römischen Aristokratie so vollstän-
dig an staatsmännischen und militärischen Capacitäten gemangelt
wie in dieser Restaurationsepoche zwischen der gracchischen
und der cinnanischen Revolution. Bezeichnend dafür ist der
Koryphäe der senatorischen Partei dieser Zeit Marcus Aemilius
Scaurus. Der Sohn hochadlicher, aber unvermögender Aeltern
und darum genöthigt Gebrauch zu machen von seinen nicht ge-
meinen Talenten schwang er sich auf zum Consul und Censor,
war lange Jahre Vormann des Senats und das politische Orakel
seiner Standesgenossen und verewigte seinen Namen nicht bloss
als Redner und Schriftsteller, sondern auch als Urheber einiger
der ansehnlichsten in diesem Jahrhundert ausgeführten Staats-
bauten. Indess wenn man näher zusieht, laufen seine vielgefeier-
ten Grossthaten darauf hinaus, dass er als Feldherr einige wohl-
feile Dorftriumphe in den Alpen, als Staatsmann mit seinem
Stimm- und Luxusgesetz einige ungefähr ebenso ernsthafte
Siege über den revolutionären Zeitgeist erfocht, sein eigentliches
Talent indess darin bestand ganz ebenso zugänglich und bestech-
lich zu sein wie jeder andere rechtschaffene Senator, aber mit
einiger Schlauheit den Augenblick, wo die Sache bedenklich zu
werden anfing, zu wittern und vor allem durch seine vornehme
und ehrwürdige Erscheinung vor dem Publicum den Fabricius
zu agiren. In militärischer Hinsicht finden sich zwar einige
ehrenvolle Ausnahmen tüchtiger Offiziere aus den höchsten Krei-
sen der Aristokratie; die Regel aber war, dass die vornehmen
Herren, wenn sie an die Spitze der Armeen treten sollten, schleu-
nigst aus den griechischen Kriegshandbüchern und den römi-

DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
wieder um sich griff und zum Beispiel die vier Söhne und
(wahrscheinlich) die zwei Neffen des Quintus Metellus, mit einer
einzigen Ausnahme lauter unbedeutende, zum Theil ihrer Einfalt
wegen berufene Leute, innerhalb funfzehn Jahre (631-645)
sämmtlich zum Consulat, mit Ausnahme eines Einzigen auch
zum Triumph gelangten, von den Schwiegersöhnen und so wei-
ter zu schweigen? daſs je gewalt- und grausamer einer der ihri-
gen gegen die Gegenpartei aufgetreten war, er desto entschiede-
ner von ihnen gefeiert, dem echten Aristokraten jeder Fvevel,
jede Schamlosigkeit verziehen ward? daſs die Regierenden und
die Regierten nur darin nicht zwei kriegführenden Parteien gli-
chen, daſs in ihrem Krieg kein Völkerrecht galt? Es war leider
nur zu begreiflich, daſs wenn die alte Aristokratie das Volk mit
Ruthen schlug, diese restaurirte es mit Skorpionen züchtigte.
Sie kam zurück; aber sie kam weder klüger noch besser. Nie
hat es bis auf diese Zeit der römischen Aristokratie so vollstän-
dig an staatsmännischen und militärischen Capacitäten gemangelt
wie in dieser Restaurationsepoche zwischen der gracchischen
und der cinnanischen Revolution. Bezeichnend dafür ist der
Koryphäe der senatorischen Partei dieser Zeit Marcus Aemilius
Scaurus. Der Sohn hochadlicher, aber unvermögender Aeltern
und darum genöthigt Gebrauch zu machen von seinen nicht ge-
meinen Talenten schwang er sich auf zum Consul und Censor,
war lange Jahre Vormann des Senats und das politische Orakel
seiner Standesgenossen und verewigte seinen Namen nicht bloſs
als Redner und Schriftsteller, sondern auch als Urheber einiger
der ansehnlichsten in diesem Jahrhundert ausgeführten Staats-
bauten. Indeſs wenn man näher zusieht, laufen seine vielgefeier-
ten Groſsthaten darauf hinaus, daſs er als Feldherr einige wohl-
feile Dorftriumphe in den Alpen, als Staatsmann mit seinem
Stimm- und Luxusgesetz einige ungefähr ebenso ernsthafte
Siege über den revolutionären Zeitgeist erfocht, sein eigentliches
Talent indeſs darin bestand ganz ebenso zugänglich und bestech-
lich zu sein wie jeder andere rechtschaffene Senator, aber mit
einiger Schlauheit den Augenblick, wo die Sache bedenklich zu
werden anfing, zu wittern und vor allem durch seine vornehme
und ehrwürdige Erscheinung vor dem Publicum den Fabricius
zu agiren. In militärischer Hinsicht finden sich zwar einige
ehrenvolle Ausnahmen tüchtiger Offiziere aus den höchsten Krei-
sen der Aristokratie; die Regel aber war, daſs die vornehmen
Herren, wenn sie an die Spitze der Armeen treten sollten, schleu-
nigst aus den griechischen Kriegshandbüchern und den römi-

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[125/0135] DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. wieder um sich griff und zum Beispiel die vier Söhne und (wahrscheinlich) die zwei Neffen des Quintus Metellus, mit einer einzigen Ausnahme lauter unbedeutende, zum Theil ihrer Einfalt wegen berufene Leute, innerhalb funfzehn Jahre (631-645) sämmtlich zum Consulat, mit Ausnahme eines Einzigen auch zum Triumph gelangten, von den Schwiegersöhnen und so wei- ter zu schweigen? daſs je gewalt- und grausamer einer der ihri- gen gegen die Gegenpartei aufgetreten war, er desto entschiede- ner von ihnen gefeiert, dem echten Aristokraten jeder Fvevel, jede Schamlosigkeit verziehen ward? daſs die Regierenden und die Regierten nur darin nicht zwei kriegführenden Parteien gli- chen, daſs in ihrem Krieg kein Völkerrecht galt? Es war leider nur zu begreiflich, daſs wenn die alte Aristokratie das Volk mit Ruthen schlug, diese restaurirte es mit Skorpionen züchtigte. Sie kam zurück; aber sie kam weder klüger noch besser. Nie hat es bis auf diese Zeit der römischen Aristokratie so vollstän- dig an staatsmännischen und militärischen Capacitäten gemangelt wie in dieser Restaurationsepoche zwischen der gracchischen und der cinnanischen Revolution. Bezeichnend dafür ist der Koryphäe der senatorischen Partei dieser Zeit Marcus Aemilius Scaurus. Der Sohn hochadlicher, aber unvermögender Aeltern und darum genöthigt Gebrauch zu machen von seinen nicht ge- meinen Talenten schwang er sich auf zum Consul und Censor, war lange Jahre Vormann des Senats und das politische Orakel seiner Standesgenossen und verewigte seinen Namen nicht bloſs als Redner und Schriftsteller, sondern auch als Urheber einiger der ansehnlichsten in diesem Jahrhundert ausgeführten Staats- bauten. Indeſs wenn man näher zusieht, laufen seine vielgefeier- ten Groſsthaten darauf hinaus, daſs er als Feldherr einige wohl- feile Dorftriumphe in den Alpen, als Staatsmann mit seinem Stimm- und Luxusgesetz einige ungefähr ebenso ernsthafte Siege über den revolutionären Zeitgeist erfocht, sein eigentliches Talent indeſs darin bestand ganz ebenso zugänglich und bestech- lich zu sein wie jeder andere rechtschaffene Senator, aber mit einiger Schlauheit den Augenblick, wo die Sache bedenklich zu werden anfing, zu wittern und vor allem durch seine vornehme und ehrwürdige Erscheinung vor dem Publicum den Fabricius zu agiren. In militärischer Hinsicht finden sich zwar einige ehrenvolle Ausnahmen tüchtiger Offiziere aus den höchsten Krei- sen der Aristokratie; die Regel aber war, daſs die vornehmen Herren, wenn sie an die Spitze der Armeen treten sollten, schleu- nigst aus den griechischen Kriegshandbüchern und den römi-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/135>, abgerufen am 26.11.2024.