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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
essen der italischen Opposition denen der hauptstädtischen
schnurstracks entgegenliefen; es war begreiflich, dass jene mit
der römischen Regierung eine Art Bündniss einging und gegen
die ausschweifenden Absichten mancher römischer Demagogen
bei dem Senat Schutz suchte und fand. Während also die re-
staurirte Regierung es sich angelegen sein liess die Keime zum
Bessern, die in der gracchischen Verfassung vorhanden waren,
gründlich auszureuten, blieb sie den nicht zum Heil des Ganzen
von Gracchus erweckten feindlichen Mächten gegenüber vollstän-
dig ohnmächtig. Das hauptstädtische Proletariat blieb bestehen
in anerkannter Thätigkeit und Zehrungsgerechtigkeit; die Ge-
schwornen aus dem Kaufmannsstand liess der Senat gleichfalls
sich gefallen, so widerwärtig auch dieses Joch eben dem besseren
und stolzeren Theil der Aristokratie fiel. Wohl versuchte sie,
wie die letzte lange noch in den Gemüthern der Zeitgenossen
nachzitternde Katastrophe allmählig in der Erinnerung der Men-
schen zurücktrat, sich ihrer unwürdigen Fesseln zu entledigen.
Das Gesetz des Marcus Aemilius Scaurus von 632, das wenig-
stens die verfassungsmässigen Beschränkungen des Stimmrechts
der Freigelassenen wieder einschärfte, war ein Versuch, freilich
ein sehr zahmer und für lange Jahre der einzige, der senatori-
schen Regierung ihren Pöbeltyrannen etwas wieder zu bändigen.
Gleicher Art ist der Antrag, den der Consul Quintus Caepio sieb-
zehn Jahre nach Einführung der Rittergerichte (648) einbrachte
auf Zurückgabe der Prozesse an senatorische Geschworne. Er
zeigte, was die Regierung wünschte, aber auch was sie ver-
mochte, wenn es sich nicht darum handelte Domänen einzuzie-
hen, sondern einem einflussreichen Stande gegenüber eine Mass-
regel durchzusetzen: sie fiel damit durch*. Zu einer Emancipa-
tion der Regierung von ihren unbequemen Machtgenossen kam
es nicht; wohl aber trugen diese Massregeln dazu bei das niemals
aufrichtige Einverständniss der regierenden Aristokratie mit der
Kaufmannschaft und dem Proletariat noch ferner zu trüben.
Beide wussten sehr genau, dass der Senat alle Zugeständnisse
nur aus Angst und widerwillig gewährte; sie waren also auch
sehr bereit jedem andern Machthaber, der ihnen mehr oder auch

* Das zeigt, wie bekannt, der weitere Verlauf. Man hat dagegen gel-
tend gemacht, dass bei Valerius Maximus 6, 9, 13 Quintus Caepio Patron
des Senats genannt werde; allein was hier erzählt wird, passt schlechter-
dings nicht auf den Consul des J. 648 und es muss hier eine Irrung sein, sei
es nun im Namen oder in den berichteten Thatsachen.

DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
essen der italischen Opposition denen der hauptstädtischen
schnurstracks entgegenliefen; es war begreiflich, daſs jene mit
der römischen Regierung eine Art Bündniſs einging und gegen
die ausschweifenden Absichten mancher römischer Demagogen
bei dem Senat Schutz suchte und fand. Während also die re-
staurirte Regierung es sich angelegen sein lieſs die Keime zum
Bessern, die in der gracchischen Verfassung vorhanden waren,
gründlich auszureuten, blieb sie den nicht zum Heil des Ganzen
von Gracchus erweckten feindlichen Mächten gegenüber vollstän-
dig ohnmächtig. Das hauptstädtische Proletariat blieb bestehen
in anerkannter Thätigkeit und Zehrungsgerechtigkeit; die Ge-
schwornen aus dem Kaufmannsstand lieſs der Senat gleichfalls
sich gefallen, so widerwärtig auch dieses Joch eben dem besseren
und stolzeren Theil der Aristokratie fiel. Wohl versuchte sie,
wie die letzte lange noch in den Gemüthern der Zeitgenossen
nachzitternde Katastrophe allmählig in der Erinnerung der Men-
schen zurücktrat, sich ihrer unwürdigen Fesseln zu entledigen.
Das Gesetz des Marcus Aemilius Scaurus von 632, das wenig-
stens die verfassungsmäſsigen Beschränkungen des Stimmrechts
der Freigelassenen wieder einschärfte, war ein Versuch, freilich
ein sehr zahmer und für lange Jahre der einzige, der senatori-
schen Regierung ihren Pöbeltyrannen etwas wieder zu bändigen.
Gleicher Art ist der Antrag, den der Consul Quintus Caepio sieb-
zehn Jahre nach Einführung der Rittergerichte (648) einbrachte
auf Zurückgabe der Prozesse an senatorische Geschworne. Er
zeigte, was die Regierung wünschte, aber auch was sie ver-
mochte, wenn es sich nicht darum handelte Domänen einzuzie-
hen, sondern einem einfluſsreichen Stande gegenüber eine Maſs-
regel durchzusetzen: sie fiel damit durch*. Zu einer Emancipa-
tion der Regierung von ihren unbequemen Machtgenossen kam
es nicht; wohl aber trugen diese Maſsregeln dazu bei das niemals
aufrichtige Einverständniſs der regierenden Aristokratie mit der
Kaufmannschaft und dem Proletariat noch ferner zu trüben.
Beide wuſsten sehr genau, daſs der Senat alle Zugeständnisse
nur aus Angst und widerwillig gewährte; sie waren also auch
sehr bereit jedem andern Machthaber, der ihnen mehr oder auch

* Das zeigt, wie bekannt, der weitere Verlauf. Man hat dagegen gel-
tend gemacht, daſs bei Valerius Maximus 6, 9, 13 Quintus Caepio Patron
des Senats genannt werde; allein was hier erzählt wird, paſst schlechter-
dings nicht auf den Consul des J. 648 und es muſs hier eine Irrung sein, sei
es nun im Namen oder in den berichteten Thatsachen.
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[123/0133] DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. essen der italischen Opposition denen der hauptstädtischen schnurstracks entgegenliefen; es war begreiflich, daſs jene mit der römischen Regierung eine Art Bündniſs einging und gegen die ausschweifenden Absichten mancher römischer Demagogen bei dem Senat Schutz suchte und fand. Während also die re- staurirte Regierung es sich angelegen sein lieſs die Keime zum Bessern, die in der gracchischen Verfassung vorhanden waren, gründlich auszureuten, blieb sie den nicht zum Heil des Ganzen von Gracchus erweckten feindlichen Mächten gegenüber vollstän- dig ohnmächtig. Das hauptstädtische Proletariat blieb bestehen in anerkannter Thätigkeit und Zehrungsgerechtigkeit; die Ge- schwornen aus dem Kaufmannsstand lieſs der Senat gleichfalls sich gefallen, so widerwärtig auch dieses Joch eben dem besseren und stolzeren Theil der Aristokratie fiel. Wohl versuchte sie, wie die letzte lange noch in den Gemüthern der Zeitgenossen nachzitternde Katastrophe allmählig in der Erinnerung der Men- schen zurücktrat, sich ihrer unwürdigen Fesseln zu entledigen. Das Gesetz des Marcus Aemilius Scaurus von 632, das wenig- stens die verfassungsmäſsigen Beschränkungen des Stimmrechts der Freigelassenen wieder einschärfte, war ein Versuch, freilich ein sehr zahmer und für lange Jahre der einzige, der senatori- schen Regierung ihren Pöbeltyrannen etwas wieder zu bändigen. Gleicher Art ist der Antrag, den der Consul Quintus Caepio sieb- zehn Jahre nach Einführung der Rittergerichte (648) einbrachte auf Zurückgabe der Prozesse an senatorische Geschworne. Er zeigte, was die Regierung wünschte, aber auch was sie ver- mochte, wenn es sich nicht darum handelte Domänen einzuzie- hen, sondern einem einfluſsreichen Stande gegenüber eine Maſs- regel durchzusetzen: sie fiel damit durch *. Zu einer Emancipa- tion der Regierung von ihren unbequemen Machtgenossen kam es nicht; wohl aber trugen diese Maſsregeln dazu bei das niemals aufrichtige Einverständniſs der regierenden Aristokratie mit der Kaufmannschaft und dem Proletariat noch ferner zu trüben. Beide wuſsten sehr genau, daſs der Senat alle Zugeständnisse nur aus Angst und widerwillig gewährte; sie waren also auch sehr bereit jedem andern Machthaber, der ihnen mehr oder auch * Das zeigt, wie bekannt, der weitere Verlauf. Man hat dagegen gel- tend gemacht, daſs bei Valerius Maximus 6, 9, 13 Quintus Caepio Patron des Senats genannt werde; allein was hier erzählt wird, paſst schlechter- dings nicht auf den Consul des J. 648 und es muſs hier eine Irrung sein, sei es nun im Namen oder in den berichteten Thatsachen.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/133>, abgerufen am 26.11.2024.