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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
gebung, liess die Aristokratie fallen. Nichts wurde so rasch
und so erfolgreich angegriffen wie der grossartigste seiner Ent-
würfe zunächst die römische Bürgerschaft und Italien, sodann
Italien und die Provinzen rechtlich gleichzustellen und indem
also der Unterschied zwischen bloss herrschenden und zehren-
den und bloss dienenden und arbeitenden Staatsangehörigen weg-
geräumt ward, zugleich durch die umfassendste und systema-
tischste Emigration, die die Geschichte kennt, die sociale Frage
zu lösen. Mit der ganzen Verbissenheit und dem ganzen gräm-
lichen Eigensinn der Altersschwäche drängte die restaurirte Oli-
garchie den Grundsatz der abgelebten Geschlechter, dass Italien
das herrschende Land und Rom in Italien die herrschende Stadt
bleiben müsse, aufs neue der Gegenwart auf. Schon bei Leb-
zeiten des Gracchus war die Zurückweisung der italischen Bun-
desgenossen eine vollendete Thatsache und war gegen den gro-
ssen Fundamentalsatz der überseeischen Colonisation ein sehr
ernsthafter Angriff gerichtet worden, der die nächste Ursache zu
Gracchus Untergang gewesen war. Nach seinem Tode wurde
der Plan einer Wiederherstellung Karthagos mit leichter Mühe
von der Regierungspartei beseitigt, wenn gleich die einzelnen
etwa schon vertheilten Landloose den Empfängern geblieben
sein mögen. Zwar dass der demokratischen Partei auf einem
andern Puncte eine ähnliche Gründung gelang, konnte sie nicht
wehren: im Verlauf der Eroberungen jenseit der Alpen, welche
Marcus Flaccus begonnen hatte, wurde daselbst im J. 636 die
Colonie Narbo (Narbonne) gegründet, die älteste überseeische
Bürgerstadt im römischen Reiche, welche trotz der vielfachen
Anfechtungen der Regierungspartei, trotz des geradezu auf Auf-
hebung derselben vom Senat gestellten Antrags dennoch dauern-
den Bestand hatte. Indess abgesehen von dieser in ihrer Verein-
zelung nicht sehr bedeutenden Ausnahme gelang es der Regierung
die Landanweisung ausserhalb Italien durchgängig zu verhindern.
In gleichem Sinn wurde die italische Domanialfrage geordnet. Was
von den Domänen bereits vertheilt war, blieb den Empfängern; die
von Gracchus im Interesse des Gemeinwesens hinzugefügten Be-
schränkungen, Erbzins und Veräusserungsverbot, hatte bereits
Marcus Drusus aufgehoben. Dagegen die noch nach Occupa-
tionsrecht besessenen Domänen, welche ausser dem von den La-
tinern genutzten Domanialland zum grössten Theil bestanden
haben werden in dem gemäss des gracchischen Maximum
(S. 81) den bisherigen Inhabern gebliebenen Grundbesitz, war
man entschlossen den bisherigen Occupanten definitiv zu vindi-

DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
gebung, lieſs die Aristokratie fallen. Nichts wurde so rasch
und so erfolgreich angegriffen wie der groſsartigste seiner Ent-
würfe zunächst die römische Bürgerschaft und Italien, sodann
Italien und die Provinzen rechtlich gleichzustellen und indem
also der Unterschied zwischen bloſs herrschenden und zehren-
den und bloſs dienenden und arbeitenden Staatsangehörigen weg-
geräumt ward, zugleich durch die umfassendste und systema-
tischste Emigration, die die Geschichte kennt, die sociale Frage
zu lösen. Mit der ganzen Verbissenheit und dem ganzen gräm-
lichen Eigensinn der Altersschwäche drängte die restaurirte Oli-
garchie den Grundsatz der abgelebten Geschlechter, daſs Italien
das herrschende Land und Rom in Italien die herrschende Stadt
bleiben müsse, aufs neue der Gegenwart auf. Schon bei Leb-
zeiten des Gracchus war die Zurückweisung der italischen Bun-
desgenossen eine vollendete Thatsache und war gegen den gro-
ſsen Fundamentalsatz der überseeischen Colonisation ein sehr
ernsthafter Angriff gerichtet worden, der die nächste Ursache zu
Gracchus Untergang gewesen war. Nach seinem Tode wurde
der Plan einer Wiederherstellung Karthagos mit leichter Mühe
von der Regierungspartei beseitigt, wenn gleich die einzelnen
etwa schon vertheilten Landloose den Empfängern geblieben
sein mögen. Zwar daſs der demokratischen Partei auf einem
andern Puncte eine ähnliche Gründung gelang, konnte sie nicht
wehren: im Verlauf der Eroberungen jenseit der Alpen, welche
Marcus Flaccus begonnen hatte, wurde daselbst im J. 636 die
Colonie Narbo (Narbonne) gegründet, die älteste überseeische
Bürgerstadt im römischen Reiche, welche trotz der vielfachen
Anfechtungen der Regierungspartei, trotz des geradezu auf Auf-
hebung derselben vom Senat gestellten Antrags dennoch dauern-
den Bestand hatte. Indeſs abgesehen von dieser in ihrer Verein-
zelung nicht sehr bedeutenden Ausnahme gelang es der Regierung
die Landanweisung auſserhalb Italien durchgängig zu verhindern.
In gleichem Sinn wurde die italische Domanialfrage geordnet. Was
von den Domänen bereits vertheilt war, blieb den Empfängern; die
von Gracchus im Interesse des Gemeinwesens hinzugefügten Be-
schränkungen, Erbzins und Veräuſserungsverbot, hatte bereits
Marcus Drusus aufgehoben. Dagegen die noch nach Occupa-
tionsrecht besessenen Domänen, welche auſser dem von den La-
tinern genutzten Domanialland zum gröſsten Theil bestanden
haben werden in dem gemäſs des gracchischen Maximum
(S. 81) den bisherigen Inhabern gebliebenen Grundbesitz, war
man entschlossen den bisherigen Occupanten definitiv zu vindi-

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[121/0131] DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. gebung, lieſs die Aristokratie fallen. Nichts wurde so rasch und so erfolgreich angegriffen wie der groſsartigste seiner Ent- würfe zunächst die römische Bürgerschaft und Italien, sodann Italien und die Provinzen rechtlich gleichzustellen und indem also der Unterschied zwischen bloſs herrschenden und zehren- den und bloſs dienenden und arbeitenden Staatsangehörigen weg- geräumt ward, zugleich durch die umfassendste und systema- tischste Emigration, die die Geschichte kennt, die sociale Frage zu lösen. Mit der ganzen Verbissenheit und dem ganzen gräm- lichen Eigensinn der Altersschwäche drängte die restaurirte Oli- garchie den Grundsatz der abgelebten Geschlechter, daſs Italien das herrschende Land und Rom in Italien die herrschende Stadt bleiben müsse, aufs neue der Gegenwart auf. Schon bei Leb- zeiten des Gracchus war die Zurückweisung der italischen Bun- desgenossen eine vollendete Thatsache und war gegen den gro- ſsen Fundamentalsatz der überseeischen Colonisation ein sehr ernsthafter Angriff gerichtet worden, der die nächste Ursache zu Gracchus Untergang gewesen war. Nach seinem Tode wurde der Plan einer Wiederherstellung Karthagos mit leichter Mühe von der Regierungspartei beseitigt, wenn gleich die einzelnen etwa schon vertheilten Landloose den Empfängern geblieben sein mögen. Zwar daſs der demokratischen Partei auf einem andern Puncte eine ähnliche Gründung gelang, konnte sie nicht wehren: im Verlauf der Eroberungen jenseit der Alpen, welche Marcus Flaccus begonnen hatte, wurde daselbst im J. 636 die Colonie Narbo (Narbonne) gegründet, die älteste überseeische Bürgerstadt im römischen Reiche, welche trotz der vielfachen Anfechtungen der Regierungspartei, trotz des geradezu auf Auf- hebung derselben vom Senat gestellten Antrags dennoch dauern- den Bestand hatte. Indeſs abgesehen von dieser in ihrer Verein- zelung nicht sehr bedeutenden Ausnahme gelang es der Regierung die Landanweisung auſserhalb Italien durchgängig zu verhindern. In gleichem Sinn wurde die italische Domanialfrage geordnet. Was von den Domänen bereits vertheilt war, blieb den Empfängern; die von Gracchus im Interesse des Gemeinwesens hinzugefügten Be- schränkungen, Erbzins und Veräuſserungsverbot, hatte bereits Marcus Drusus aufgehoben. Dagegen die noch nach Occupa- tionsrecht besessenen Domänen, welche auſser dem von den La- tinern genutzten Domanialland zum gröſsten Theil bestanden haben werden in dem gemäſs des gracchischen Maximum (S. 81) den bisherigen Inhabern gebliebenen Grundbesitz, war man entschlossen den bisherigen Occupanten definitiv zu vindi-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/131>, abgerufen am 25.11.2024.