Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.DIE REVOLUTION UND GAIUS GRACCHUS. zu stellen als den Anfang der offenen Insurrection gegen die Re-gierung; er liess den Boten verhaften und gab das Zeichen zum Angriff auf den Aventin, indem er zugleich in den Strassen aus- rufen liess, dass dem, der das Haupt des Gracchus oder des Flaccus bringe, die Regierung dasselbe buchstäblich mit Gold aufwiegen werde, so wie dass sie jedem, der vor dem Beginn des Kampfs den Aventin verlasse, volle Straflosigkeit gewährleiste. Die Reihen auf dem Aventin lichteten sich schnell; der tapfere Adel im Verein mit den Kretern und den Sclaven erstürmte den fast unvertheidigten Berg und erschlug wen er vorfand, bei 250 meist geringe Leute. Marcus Flaccus flüchtete mit seinem älte- sten Sohn in einen Versteck, wo sie bald nachher aufgejagt und niedergemacht wurden. Gracchus hatte als das Gefecht begann sich in den Tempel der Minerva zurückgezogen und wollte hier sich mit dem Schwerte durchbohren, als sein Freund Publius Laetorius ihm in den Arm fiel und ihn beschwor wo möglich sich für bessere Zeiten zu erhalten. Gracchus liess sich bewegen einen Versuch zu machen nach dem andern Ufer der Tiber zu entkommen; allein den Berg hinabeilend stürzte er und ver- stauchte sich den Fuss. Ihm Zeit zum Entrinnen zu geben, war- fen seine beiden Begleiter Marcus Pomponius an der Porta Tri- gemina unter dem Aventin, Publius Laetorius auf der Tiber- brücke, da wo einst Horatius Cocles allein gegen das Etruskerheer gestanden hatte, den Verfolgern sich entgegen und liessen sich niedermachen; so gelangte Gracchus, nur von seinem Sclaven Euporus begleitet, in die Vorstadt am rechten Ufer der Tiber. Hier im Hain der Furrina fand man später die beiden Leichen; es schien, als habe der Sclave zuerst dem Herrn und sodann sich selber den Tod gegeben. Die Köpfe der beiden gefallenen Führer wurden der Regierung wie befohlen eingehändigt; der Ueberbrin- ger des Kopfes des Gracchus, ein vornehmer Mann, Lucius Septumuleius erhielt den bedungenen Preis und darüber ausge- zahlt, dagegen die Mörder des Flaccus, geringe Leute, wurden mit leeren Händen fortgeschickt. Die Körper der Getödteten wurden in den Fluss geworfen, die Häuser der Führer der Plün- derung der Menge preisgegeben. Gegen die Anhänger des Gra- cchus begann der Prozesskrieg im grossartigsten Stil; bis 3000 derselben sollen im Kerker aufgeknüpft worden sein, unter ihnen der achtzehnjährige Quintus Flaccus, der an dem Kampf nicht theilgenommen hatte und wegen seiner Jugend und seiner Lie- benswürdigkeit allgemein bedauert ward. Auf dem Freiplatz un- ter dem Capitol, wo der nach wiederhergestelltem innerem Frie- DIE REVOLUTION UND GAIUS GRACCHUS. zu stellen als den Anfang der offenen Insurrection gegen die Re-gierung; er lieſs den Boten verhaften und gab das Zeichen zum Angriff auf den Aventin, indem er zugleich in den Straſsen aus- rufen lieſs, daſs dem, der das Haupt des Gracchus oder des Flaccus bringe, die Regierung dasselbe buchstäblich mit Gold aufwiegen werde, so wie daſs sie jedem, der vor dem Beginn des Kampfs den Aventin verlasse, volle Straflosigkeit gewährleiste. Die Reihen auf dem Aventin lichteten sich schnell; der tapfere Adel im Verein mit den Kretern und den Sclaven erstürmte den fast unvertheidigten Berg und erschlug wen er vorfand, bei 250 meist geringe Leute. Marcus Flaccus flüchtete mit seinem älte- sten Sohn in einen Versteck, wo sie bald nachher aufgejagt und niedergemacht wurden. Gracchus hatte als das Gefecht begann sich in den Tempel der Minerva zurückgezogen und wollte hier sich mit dem Schwerte durchbohren, als sein Freund Publius Laetorius ihm in den Arm fiel und ihn beschwor wo möglich sich für bessere Zeiten zu erhalten. Gracchus lieſs sich bewegen einen Versuch zu machen nach dem andern Ufer der Tiber zu entkommen; allein den Berg hinabeilend stürzte er und ver- stauchte sich den Fuſs. Ihm Zeit zum Entrinnen zu geben, war- fen seine beiden Begleiter Marcus Pomponius an der Porta Tri- gemina unter dem Aventin, Publius Laetorius auf der Tiber- brücke, da wo einst Horatius Cocles allein gegen das Etruskerheer gestanden hatte, den Verfolgern sich entgegen und lieſsen sich niedermachen; so gelangte Gracchus, nur von seinem Sclaven Euporus begleitet, in die Vorstadt am rechten Ufer der Tiber. Hier im Hain der Furrina fand man später die beiden Leichen; es schien, als habe der Sclave zuerst dem Herrn und sodann sich selber den Tod gegeben. Die Köpfe der beiden gefallenen Führer wurden der Regierung wie befohlen eingehändigt; der Ueberbrin- ger des Kopfes des Gracchus, ein vornehmer Mann, Lucius Septumuleius erhielt den bedungenen Preis und darüber ausge- zahlt, dagegen die Mörder des Flaccus, geringe Leute, wurden mit leeren Händen fortgeschickt. Die Körper der Getödteten wurden in den Fluſs geworfen, die Häuser der Führer der Plün- derung der Menge preisgegeben. Gegen die Anhänger des Gra- cchus begann der Prozeſskrieg im groſsartigsten Stil; bis 3000 derselben sollen im Kerker aufgeknüpft worden sein, unter ihnen der achtzehnjährige Quintus Flaccus, der an dem Kampf nicht theilgenommen hatte und wegen seiner Jugend und seiner Lie- benswürdigkeit allgemein bedauert ward. 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DIE REVOLUTION UND GAIUS GRACCHUS.
zu stellen als den Anfang der offenen Insurrection gegen die Re-
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Angriff auf den Aventin, indem er zugleich in den Straſsen aus-
rufen lieſs, daſs dem, der das Haupt des Gracchus oder des
Flaccus bringe, die Regierung dasselbe buchstäblich mit Gold
aufwiegen werde, so wie daſs sie jedem, der vor dem Beginn des
Kampfs den Aventin verlasse, volle Straflosigkeit gewährleiste.
Die Reihen auf dem Aventin lichteten sich schnell; der tapfere
Adel im Verein mit den Kretern und den Sclaven erstürmte den
fast unvertheidigten Berg und erschlug wen er vorfand, bei 250
meist geringe Leute. Marcus Flaccus flüchtete mit seinem älte-
sten Sohn in einen Versteck, wo sie bald nachher aufgejagt und
niedergemacht wurden. Gracchus hatte als das Gefecht begann
sich in den Tempel der Minerva zurückgezogen und wollte hier
sich mit dem Schwerte durchbohren, als sein Freund Publius
Laetorius ihm in den Arm fiel und ihn beschwor wo möglich
sich für bessere Zeiten zu erhalten. Gracchus lieſs sich bewegen
einen Versuch zu machen nach dem andern Ufer der Tiber zu
entkommen; allein den Berg hinabeilend stürzte er und ver-
stauchte sich den Fuſs. Ihm Zeit zum Entrinnen zu geben, war-
fen seine beiden Begleiter Marcus Pomponius an der Porta Tri-
gemina unter dem Aventin, Publius Laetorius auf der Tiber-
brücke, da wo einst Horatius Cocles allein gegen das Etruskerheer
gestanden hatte, den Verfolgern sich entgegen und lieſsen sich
niedermachen; so gelangte Gracchus, nur von seinem Sclaven
Euporus begleitet, in die Vorstadt am rechten Ufer der Tiber.
Hier im Hain der Furrina fand man später die beiden Leichen;
es schien, als habe der Sclave zuerst dem Herrn und sodann sich
selber den Tod gegeben. Die Köpfe der beiden gefallenen Führer
wurden der Regierung wie befohlen eingehändigt; der Ueberbrin-
ger des Kopfes des Gracchus, ein vornehmer Mann, Lucius
Septumuleius erhielt den bedungenen Preis und darüber ausge-
zahlt, dagegen die Mörder des Flaccus, geringe Leute, wurden
mit leeren Händen fortgeschickt. Die Körper der Getödteten
wurden in den Fluſs geworfen, die Häuser der Führer der Plün-
derung der Menge preisgegeben. Gegen die Anhänger des Gra-
cchus begann der Prozeſskrieg im groſsartigsten Stil; bis 3000
derselben sollen im Kerker aufgeknüpft worden sein, unter ihnen
der achtzehnjährige Quintus Flaccus, der an dem Kampf nicht
theilgenommen hatte und wegen seiner Jugend und seiner Lie-
benswürdigkeit allgemein bedauert ward. Auf dem Freiplatz un-
ter dem Capitol, wo der nach wiederhergestelltem innerem Frie-
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