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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DRITTES BUCH. KAPITEL XI.
wöhnliche Weg der Beschwerdeführung war die Berufung an
die höchste Verwaltungsbehörde, und noch war genug Recht-
lichkeit und Ehrenhaftigkeit in der römischen Aristokratie
um dieser Berufung oftmals Erfolg zu verschaffen und zu be-
wirken, dass die römischen Beamten die Götter und den
Senat einigermassen fürchteten und in der Regel im Stehlen
Mass hielten. Allein theils konnten bei der exorbitanten
Gewalt der römischen Beamten regelmässig solche Beschwer-
den erst vorgebracht werden, wenn sie ihr Amt niedergelegt
hatten und das Uebel geschehen war; theils konnten Klagen
der Fremden gegen Römer vor einer weit entfernten Behörde,
der die Beklagten selbst und die Mehrzahl der gleich Schul-
digen angehörten, von Anfang an nur auf Erfolg rechnen,
wenn das Unrecht klar und schreiend war; und vergeblich
zu klagen war fast gewisses Verderben. Es kam hinzu, dass
diese Beschwerden durchaus nach dem Verwaltungs-, nicht
nach dem Rechtsstandpunkt beurtheilt wurden. So stellte
die heillose Regel sich fest, dass bei geringen Erpressungen
und mässiger Gewaltthätigkeit der römische Beamte gewisser-
massen in seiner Competenz und von Rechtswegen straffrei
sei, die Beschädigten also zu schweigen hätten. Die Conse-
quenzen aus diesem Satz hat die Folgezeit zu ziehen nicht
unterlassen.

Richten wir den Blick auf die ökonomische Lage des
Staates und der Bürger, so versteht sich die glänzende Lage
der Staatsfinanzen so sehr von selbst, dass es kaum nöthig
ist dabei zu verweilen. Man sah sich im Stande die verfas-
sungsmässige Grundsteuerfreiheit des römischen Ackers seit
dem dritten makedonischen Krieg nicht mehr durch Vorschuss-
zahlungen zu beeinträchtigen. Die indirecten Abgaben, wie
das Salzmonopol und die Hafenzölle, stiegen von selbst durch
den vermehrten Reichthum Italiens; wenn daneben noch der
Salzpreis erhöht ward und neue Hafenzölle, zum Beispiel in
Puteoli, eingeführt wurden, so hatten diese Erhöhungen wohl
mehr den Zweck Schritt zu halten mit dem allgemeinen Stei-
gen der Preise und Sinken des Geldwerths und mit der Aus-
dehnung des überseeischen Handels, als die Lasten in der
That zu steigern. Die Hauptquellen der Staatseinnahmen
wurden mehr und mehr die Abgaben aus den Provinzen an
Zehnten, Zöllen und Ertrag der Bergwerke; daneben seit Ca-
puas Fall der Zins der verpachteten campanischen Domänen.
Die Verwaltung war, soweit das System der Erhebung durch

DRITTES BUCH. KAPITEL XI.
wöhnliche Weg der Beschwerdeführung war die Berufung an
die höchste Verwaltungsbehörde, und noch war genug Recht-
lichkeit und Ehrenhaftigkeit in der römischen Aristokratie
um dieser Berufung oftmals Erfolg zu verschaffen und zu be-
wirken, daſs die römischen Beamten die Götter und den
Senat einigermaſsen fürchteten und in der Regel im Stehlen
Maſs hielten. Allein theils konnten bei der exorbitanten
Gewalt der römischen Beamten regelmäſsig solche Beschwer-
den erst vorgebracht werden, wenn sie ihr Amt niedergelegt
hatten und das Uebel geschehen war; theils konnten Klagen
der Fremden gegen Römer vor einer weit entfernten Behörde,
der die Beklagten selbst und die Mehrzahl der gleich Schul-
digen angehörten, von Anfang an nur auf Erfolg rechnen,
wenn das Unrecht klar und schreiend war; und vergeblich
zu klagen war fast gewisses Verderben. Es kam hinzu, daſs
diese Beschwerden durchaus nach dem Verwaltungs-, nicht
nach dem Rechtsstandpunkt beurtheilt wurden. So stellte
die heillose Regel sich fest, daſs bei geringen Erpressungen
und mäſsiger Gewaltthätigkeit der römische Beamte gewisser-
maſsen in seiner Competenz und von Rechtswegen straffrei
sei, die Beschädigten also zu schweigen hätten. Die Conse-
quenzen aus diesem Satz hat die Folgezeit zu ziehen nicht
unterlassen.

Richten wir den Blick auf die ökonomische Lage des
Staates und der Bürger, so versteht sich die glänzende Lage
der Staatsfinanzen so sehr von selbst, daſs es kaum nöthig
ist dabei zu verweilen. Man sah sich im Stande die verfas-
sungsmäſsige Grundsteuerfreiheit des römischen Ackers seit
dem dritten makedonischen Krieg nicht mehr durch Vorschuſs-
zahlungen zu beeinträchtigen. Die indirecten Abgaben, wie
das Salzmonopol und die Hafenzölle, stiegen von selbst durch
den vermehrten Reichthum Italiens; wenn daneben noch der
Salzpreis erhöht ward und neue Hafenzölle, zum Beispiel in
Puteoli, eingeführt wurden, so hatten diese Erhöhungen wohl
mehr den Zweck Schritt zu halten mit dem allgemeinen Stei-
gen der Preise und Sinken des Geldwerths und mit der Aus-
dehnung des überseeischen Handels, als die Lasten in der
That zu steigern. Die Hauptquellen der Staatseinnahmen
wurden mehr und mehr die Abgaben aus den Provinzen an
Zehnten, Zöllen und Ertrag der Bergwerke; daneben seit Ca-
puas Fall der Zins der verpachteten campanischen Domänen.
Die Verwaltung war, soweit das System der Erhebung durch

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[616/0630] DRITTES BUCH. KAPITEL XI. wöhnliche Weg der Beschwerdeführung war die Berufung an die höchste Verwaltungsbehörde, und noch war genug Recht- lichkeit und Ehrenhaftigkeit in der römischen Aristokratie um dieser Berufung oftmals Erfolg zu verschaffen und zu be- wirken, daſs die römischen Beamten die Götter und den Senat einigermaſsen fürchteten und in der Regel im Stehlen Maſs hielten. Allein theils konnten bei der exorbitanten Gewalt der römischen Beamten regelmäſsig solche Beschwer- den erst vorgebracht werden, wenn sie ihr Amt niedergelegt hatten und das Uebel geschehen war; theils konnten Klagen der Fremden gegen Römer vor einer weit entfernten Behörde, der die Beklagten selbst und die Mehrzahl der gleich Schul- digen angehörten, von Anfang an nur auf Erfolg rechnen, wenn das Unrecht klar und schreiend war; und vergeblich zu klagen war fast gewisses Verderben. Es kam hinzu, daſs diese Beschwerden durchaus nach dem Verwaltungs-, nicht nach dem Rechtsstandpunkt beurtheilt wurden. So stellte die heillose Regel sich fest, daſs bei geringen Erpressungen und mäſsiger Gewaltthätigkeit der römische Beamte gewisser- maſsen in seiner Competenz und von Rechtswegen straffrei sei, die Beschädigten also zu schweigen hätten. Die Conse- quenzen aus diesem Satz hat die Folgezeit zu ziehen nicht unterlassen. Richten wir den Blick auf die ökonomische Lage des Staates und der Bürger, so versteht sich die glänzende Lage der Staatsfinanzen so sehr von selbst, daſs es kaum nöthig ist dabei zu verweilen. Man sah sich im Stande die verfas- sungsmäſsige Grundsteuerfreiheit des römischen Ackers seit dem dritten makedonischen Krieg nicht mehr durch Vorschuſs- zahlungen zu beeinträchtigen. Die indirecten Abgaben, wie das Salzmonopol und die Hafenzölle, stiegen von selbst durch den vermehrten Reichthum Italiens; wenn daneben noch der Salzpreis erhöht ward und neue Hafenzölle, zum Beispiel in Puteoli, eingeführt wurden, so hatten diese Erhöhungen wohl mehr den Zweck Schritt zu halten mit dem allgemeinen Stei- gen der Preise und Sinken des Geldwerths und mit der Aus- dehnung des überseeischen Handels, als die Lasten in der That zu steigern. Die Hauptquellen der Staatseinnahmen wurden mehr und mehr die Abgaben aus den Provinzen an Zehnten, Zöllen und Ertrag der Bergwerke; daneben seit Ca- puas Fall der Zins der verpachteten campanischen Domänen. Die Verwaltung war, soweit das System der Erhebung durch

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 616. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/630>, abgerufen am 22.11.2024.