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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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VERFASSUNG UND INNERE VERHAELTNISSE.
galt für die bevorzugteste Klasse der Bundesgenossen, wird
ohne Frage auch in analoger Weise für die übrigen Föderir-
ten zur Anwendung gekommen sein, über deren in Folge des
hannibalischen Krieges sehr zu ihrem Nachtheil veränderte
Stellung und Stimmung schon früher einige Andeutungen gege-
ben worden sind (S. 480). Die wenigen Verträge italischer Städte
mit Rom, die den hannibalischen Krieg unverändert über-
dauerten, wie zum Beispiel die mit Tibur, Praeneste,
Neapel, Nola, Heraklea, gewährten wichtige Rechte, die den
späteren fehlen und erkannten namentlich das Exilrecht an,
das auf der Freizügigkeit ruht; von Tibur und Praeneste
ist es nicht zu bezweifeln und von den andern nicht unwahr-
scheinlich, dass diese Verträge im Wesentlichen den Bundes-
städten das Recht des grössern Latium gaben. -- Gegen das
Ende dieser Periode ging man noch einen Schritt weiter. Es
liefen Klagen ein über die Verödung der latinischen Städte
in Folge der Freizügigkeit, die zwischen Rom und dem grös-
sern Latium bestand; während andrerseits die italischen Bun-
desgenossen minderen Rechtes anfingen sich in die latinischen
Gemeinden einzudrängen. Wenn das also fortgehe, hiess es,
würden die Städte bald nicht mehr im Stande sein ihre Con-
tingente vollzählig zu machen. Römischer Seits ward hierauf
beschlossen die Latiner ihr Zugrecht nur dann ausüben zu lassen,
wenn der Uebertretende leibliche Kinder in seiner Heimathsge-
meinde zurücklasse; nach welchem Grundsatz polizeiliche Aus-
weisungen aus der Hauptstadt in grossem Umfang stattfanden
(567. 577). Mochte diese Massregel auch zunächst im Interesse der
Bundesstädte getroffen sein, so diente sie doch jedenfalls dazu
das den Römern unbequeme freie Zugrecht der Bundesgenossen
auch da, wo es einmal verbrieft war, zu beschränken. Das
Ziel, wohin man steuerte, ist offenbar: es galt die römische
Bürgerschaft jetzt aufs Neue abzuschliessen wie sie in der
ältesten Zeit abgeschlossen gewesen war und das Plebejat, das
durch die Liberalität seiner Institutionen gross geworden war,
wieder einzuschnüren in die starren Satzungen des Patriciats.
Wie innerhalb der Bürgerschaft die senatorischen Familien
dem Volke gegenüberstanden, so und noch viel schroffer trat
die ganze Bürgerschaft der italischen Eidgenossenschaft gegen-
über. Zu jener rechtlichen kamen vielfache factische Zurück-
setzungen, die den Italikern immer bestimmter das Gefühl
aufdrängten, dass sie nichts seien als Unterthanen Roms; na-
mentlich seit dem Ende des zweiten punischen Krieges, den

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VERFASSUNG UND INNERE VERHAELTNISSE.
galt für die bevorzugteste Klasse der Bundesgenossen, wird
ohne Frage auch in analoger Weise für die übrigen Föderir-
ten zur Anwendung gekommen sein, über deren in Folge des
hannibalischen Krieges sehr zu ihrem Nachtheil veränderte
Stellung und Stimmung schon früher einige Andeutungen gege-
ben worden sind (S. 480). Die wenigen Verträge italischer Städte
mit Rom, die den hannibalischen Krieg unverändert über-
dauerten, wie zum Beispiel die mit Tibur, Praeneste,
Neapel, Nola, Heraklea, gewährten wichtige Rechte, die den
späteren fehlen und erkannten namentlich das Exilrecht an,
das auf der Freizügigkeit ruht; von Tibur und Praeneste
ist es nicht zu bezweifeln und von den andern nicht unwahr-
scheinlich, daſs diese Verträge im Wesentlichen den Bundes-
städten das Recht des gröſsern Latium gaben. — Gegen das
Ende dieser Periode ging man noch einen Schritt weiter. Es
liefen Klagen ein über die Verödung der latinischen Städte
in Folge der Freizügigkeit, die zwischen Rom und dem grös-
sern Latium bestand; während andrerseits die italischen Bun-
desgenossen minderen Rechtes anfingen sich in die latinischen
Gemeinden einzudrängen. Wenn das also fortgehe, hieſs es,
würden die Städte bald nicht mehr im Stande sein ihre Con-
tingente vollzählig zu machen. Römischer Seits ward hierauf
beschlossen die Latiner ihr Zugrecht nur dann ausüben zu lassen,
wenn der Uebertretende leibliche Kinder in seiner Heimathsge-
meinde zurücklasse; nach welchem Grundsatz polizeiliche Aus-
weisungen aus der Hauptstadt in groſsem Umfang stattfanden
(567. 577). Mochte diese Maſsregel auch zunächst im Interesse der
Bundesstädte getroffen sein, so diente sie doch jedenfalls dazu
das den Römern unbequeme freie Zugrecht der Bundesgenossen
auch da, wo es einmal verbrieft war, zu beschränken. Das
Ziel, wohin man steuerte, ist offenbar: es galt die römische
Bürgerschaft jetzt aufs Neue abzuschlieſsen wie sie in der
ältesten Zeit abgeschlossen gewesen war und das Plebejat, das
durch die Liberalität seiner Institutionen groſs geworden war,
wieder einzuschnüren in die starren Satzungen des Patriciats.
Wie innerhalb der Bürgerschaft die senatorischen Familien
dem Volke gegenüberstanden, so und noch viel schroffer trat
die ganze Bürgerschaft der italischen Eidgenossenschaft gegen-
über. Zu jener rechtlichen kamen vielfache factische Zurück-
setzungen, die den Italikern immer bestimmter das Gefühl
aufdrängten, daſs sie nichts seien als Unterthanen Roms; na-
mentlich seit dem Ende des zweiten punischen Krieges, den

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[611/0625] VERFASSUNG UND INNERE VERHAELTNISSE. galt für die bevorzugteste Klasse der Bundesgenossen, wird ohne Frage auch in analoger Weise für die übrigen Föderir- ten zur Anwendung gekommen sein, über deren in Folge des hannibalischen Krieges sehr zu ihrem Nachtheil veränderte Stellung und Stimmung schon früher einige Andeutungen gege- ben worden sind (S. 480). Die wenigen Verträge italischer Städte mit Rom, die den hannibalischen Krieg unverändert über- dauerten, wie zum Beispiel die mit Tibur, Praeneste, Neapel, Nola, Heraklea, gewährten wichtige Rechte, die den späteren fehlen und erkannten namentlich das Exilrecht an, das auf der Freizügigkeit ruht; von Tibur und Praeneste ist es nicht zu bezweifeln und von den andern nicht unwahr- scheinlich, daſs diese Verträge im Wesentlichen den Bundes- städten das Recht des gröſsern Latium gaben. — Gegen das Ende dieser Periode ging man noch einen Schritt weiter. Es liefen Klagen ein über die Verödung der latinischen Städte in Folge der Freizügigkeit, die zwischen Rom und dem grös- sern Latium bestand; während andrerseits die italischen Bun- desgenossen minderen Rechtes anfingen sich in die latinischen Gemeinden einzudrängen. Wenn das also fortgehe, hieſs es, würden die Städte bald nicht mehr im Stande sein ihre Con- tingente vollzählig zu machen. Römischer Seits ward hierauf beschlossen die Latiner ihr Zugrecht nur dann ausüben zu lassen, wenn der Uebertretende leibliche Kinder in seiner Heimathsge- meinde zurücklasse; nach welchem Grundsatz polizeiliche Aus- weisungen aus der Hauptstadt in groſsem Umfang stattfanden (567. 577). Mochte diese Maſsregel auch zunächst im Interesse der Bundesstädte getroffen sein, so diente sie doch jedenfalls dazu das den Römern unbequeme freie Zugrecht der Bundesgenossen auch da, wo es einmal verbrieft war, zu beschränken. Das Ziel, wohin man steuerte, ist offenbar: es galt die römische Bürgerschaft jetzt aufs Neue abzuschlieſsen wie sie in der ältesten Zeit abgeschlossen gewesen war und das Plebejat, das durch die Liberalität seiner Institutionen groſs geworden war, wieder einzuschnüren in die starren Satzungen des Patriciats. Wie innerhalb der Bürgerschaft die senatorischen Familien dem Volke gegenüberstanden, so und noch viel schroffer trat die ganze Bürgerschaft der italischen Eidgenossenschaft gegen- über. Zu jener rechtlichen kamen vielfache factische Zurück- setzungen, die den Italikern immer bestimmter das Gefühl aufdrängten, daſs sie nichts seien als Unterthanen Roms; na- mentlich seit dem Ende des zweiten punischen Krieges, den 39*

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 611. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/625>, abgerufen am 25.11.2024.