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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DRITTES BUCH. KAPITEL X.
und keiner durfte in mehr als einer derselben ansässig sein.
Alle königlichen Beamten so wie deren erwachsene Söhne
mussten das Land verlassen und sich nach Italien begeben,
bei Todesstrafe -- man fürchtete noch immer, und mit Recht,
die Zuckungen der alten Loyalität. Den vier Gemeinwesen
wurden die königlichen Domänen und die Regalien entzogen,
namentlich die Gold- und Silbergruben, ein Hauptreichthum
des Landes, deren Bearbeitung untersagt ward; doch ward
wenigstens die Ausbeutung der Silbergruben schon 596 wieder
gestattet.* Von der Grundsteuer, die an die Könige entrichtet
ward, ward die Hälfte erlassen, die andere Hälfte sollte in
Zukunft nach Rom bezahlt werden; sie betrug jährlich 100
Talente (150000 Thlr.).** Die Einfuhr von Salz, die Ausfuhr
von Schiffbauholz wurden verboten. Das ganze Land ward
für ewige Zeiten entwaffnet, die Festung Demetrias geschleift;
nur an der Nordgrenze sollte eine Postenkette gegen die
Einfälle der Barbaren bestehen bleiben. Von den abgelieferten
Waffen wurden die kupfernen Schilde nach Rom gesandt, der
Rest verbrannt. -- Man erreichte seinen Zweck. Das make-
donische Land empörte sich noch einmal, als ein Prinz aus
dem alten Herrscherhause zu den Waffen rief, und ist übri-
gens von jener Zeit bis auf den heutigen Tag ohne Geschichte
geblieben. -- Aehnlich ward Illyrien behandelt. Das Reich
des Genthios ward in drei kleine Freistaaten zerschnitten;
auch hier zahlten die Ansässigen die Hälfte der bisherigen
Grundsteuer an ihre neuen Herren, mit Ausnahme der Städte,
die es mit den Römern gehalten hatten -- eine Ausnahme,
die zu machen Makedonien keine Veranlassung bot. Die
illyrische Piratenflotte ward confiscirt und den wichtigeren
griechischen Gemeinden an dieser Küste geschenkt; man
durfte hoffen, hiemit die ewigen Quälereien, welche die Illy-
rier ihren Nachbaren namentlich durch ihre Corsaren zufügten,

* Die Angabe Cassiodors, dass im Jahre 596 die makedonischen Berg-
werke wieder eröffnet wurden, erhält ihre nähere Bestimmung durch die
Münzen. Goldmünzen der vier Makedonien sind nicht vorhanden; die Gold-
gruben also blieben entweder geschlossen oder wurden zum Vortheils Roms
ausgebeutet. Dagegen finden sich allerdings Silbermünzen des ersten Ma-
kedoniens (Amphipolis), in welchem Bezirk die Silbergruben belegen sind;
für die kurze Zeit, in der sie geschlagen sein müssen (596-608), ist die
Zahl derselben auffallend gross und zeugt von einem sehr energischen Be-
trieb der Gruben.
** Es ist nicht unwahrscheinlich, dass auch diese Steuer später er-
lassen ward. Polyb. 37, 4.

DRITTES BUCH. KAPITEL X.
und keiner durfte in mehr als einer derselben ansässig sein.
Alle königlichen Beamten so wie deren erwachsene Söhne
muſsten das Land verlassen und sich nach Italien begeben,
bei Todesstrafe — man fürchtete noch immer, und mit Recht,
die Zuckungen der alten Loyalität. Den vier Gemeinwesen
wurden die königlichen Domänen und die Regalien entzogen,
namentlich die Gold- und Silbergruben, ein Hauptreichthum
des Landes, deren Bearbeitung untersagt ward; doch ward
wenigstens die Ausbeutung der Silbergruben schon 596 wieder
gestattet.* Von der Grundsteuer, die an die Könige entrichtet
ward, ward die Hälfte erlassen, die andere Hälfte sollte in
Zukunft nach Rom bezahlt werden; sie betrug jährlich 100
Talente (150000 Thlr.).** Die Einfuhr von Salz, die Ausfuhr
von Schiffbauholz wurden verboten. Das ganze Land ward
für ewige Zeiten entwaffnet, die Festung Demetrias geschleift;
nur an der Nordgrenze sollte eine Postenkette gegen die
Einfälle der Barbaren bestehen bleiben. Von den abgelieferten
Waffen wurden die kupfernen Schilde nach Rom gesandt, der
Rest verbrannt. — Man erreichte seinen Zweck. Das make-
donische Land empörte sich noch einmal, als ein Prinz aus
dem alten Herrscherhause zu den Waffen rief, und ist übri-
gens von jener Zeit bis auf den heutigen Tag ohne Geschichte
geblieben. — Aehnlich ward Illyrien behandelt. Das Reich
des Genthios ward in drei kleine Freistaaten zerschnitten;
auch hier zahlten die Ansässigen die Hälfte der bisherigen
Grundsteuer an ihre neuen Herren, mit Ausnahme der Städte,
die es mit den Römern gehalten hatten — eine Ausnahme,
die zu machen Makedonien keine Veranlassung bot. Die
illyrische Piratenflotte ward confiscirt und den wichtigeren
griechischen Gemeinden an dieser Küste geschenkt; man
durfte hoffen, hiemit die ewigen Quälereien, welche die Illy-
rier ihren Nachbaren namentlich durch ihre Corsaren zufügten,

* Die Angabe Cassiodors, daſs im Jahre 596 die makedonischen Berg-
werke wieder eröffnet wurden, erhält ihre nähere Bestimmung durch die
Münzen. Goldmünzen der vier Makedonien sind nicht vorhanden; die Gold-
gruben also blieben entweder geschlossen oder wurden zum Vortheils Roms
ausgebeutet. Dagegen finden sich allerdings Silbermünzen des ersten Ma-
kedoniens (Amphipolis), in welchem Bezirk die Silbergruben belegen sind;
für die kurze Zeit, in der sie geschlagen sein müssen (596-608), ist die
Zahl derselben auffallend groſs und zeugt von einem sehr energischen Be-
trieb der Gruben.
** Es ist nicht unwahrscheinlich, daſs auch diese Steuer später er-
lassen ward. Polyb. 37, 4.
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[590/0604] DRITTES BUCH. KAPITEL X. und keiner durfte in mehr als einer derselben ansässig sein. Alle königlichen Beamten so wie deren erwachsene Söhne muſsten das Land verlassen und sich nach Italien begeben, bei Todesstrafe — man fürchtete noch immer, und mit Recht, die Zuckungen der alten Loyalität. Den vier Gemeinwesen wurden die königlichen Domänen und die Regalien entzogen, namentlich die Gold- und Silbergruben, ein Hauptreichthum des Landes, deren Bearbeitung untersagt ward; doch ward wenigstens die Ausbeutung der Silbergruben schon 596 wieder gestattet. * Von der Grundsteuer, die an die Könige entrichtet ward, ward die Hälfte erlassen, die andere Hälfte sollte in Zukunft nach Rom bezahlt werden; sie betrug jährlich 100 Talente (150000 Thlr.). ** Die Einfuhr von Salz, die Ausfuhr von Schiffbauholz wurden verboten. Das ganze Land ward für ewige Zeiten entwaffnet, die Festung Demetrias geschleift; nur an der Nordgrenze sollte eine Postenkette gegen die Einfälle der Barbaren bestehen bleiben. Von den abgelieferten Waffen wurden die kupfernen Schilde nach Rom gesandt, der Rest verbrannt. — Man erreichte seinen Zweck. Das make- donische Land empörte sich noch einmal, als ein Prinz aus dem alten Herrscherhause zu den Waffen rief, und ist übri- gens von jener Zeit bis auf den heutigen Tag ohne Geschichte geblieben. — Aehnlich ward Illyrien behandelt. Das Reich des Genthios ward in drei kleine Freistaaten zerschnitten; auch hier zahlten die Ansässigen die Hälfte der bisherigen Grundsteuer an ihre neuen Herren, mit Ausnahme der Städte, die es mit den Römern gehalten hatten — eine Ausnahme, die zu machen Makedonien keine Veranlassung bot. Die illyrische Piratenflotte ward confiscirt und den wichtigeren griechischen Gemeinden an dieser Küste geschenkt; man durfte hoffen, hiemit die ewigen Quälereien, welche die Illy- rier ihren Nachbaren namentlich durch ihre Corsaren zufügten, * Die Angabe Cassiodors, daſs im Jahre 596 die makedonischen Berg- werke wieder eröffnet wurden, erhält ihre nähere Bestimmung durch die Münzen. Goldmünzen der vier Makedonien sind nicht vorhanden; die Gold- gruben also blieben entweder geschlossen oder wurden zum Vortheils Roms ausgebeutet. Dagegen finden sich allerdings Silbermünzen des ersten Ma- kedoniens (Amphipolis), in welchem Bezirk die Silbergruben belegen sind; für die kurze Zeit, in der sie geschlagen sein müssen (596-608), ist die Zahl derselben auffallend groſs und zeugt von einem sehr energischen Be- trieb der Gruben. ** Es ist nicht unwahrscheinlich, daſs auch diese Steuer später er- lassen ward. Polyb. 37, 4.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 590. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/604>, abgerufen am 22.11.2024.