Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.DER DRITTE MAKEDONISCHE KRIEG. Festung, die er vergeblich belagert hatte, noch einmal schlagenliess. Die römische Hauptarmee machte ein paar Versuche erst über die kambunischen Berge, dann durch die thessalischen Pässe in Makedonien einzudringen, aber sie wurden schlaff angestellt und beide von Perseus zurückgewiesen. Hauptsäch- lich war der Consul bemüht das Heer einigermassen zu reor- ganisiren, was freilich auch vor allen Dingen nöthig war, aber einen strengeren Mann und einen namhafteren Offizier erfor- derte. Abschied und Urlaub waren käuflich geworden, die Abtheilungen daher niemals vollzählig; die Mannschaft ward im Sommer einquartiert und wie die Offiziere im grossen Stil, stahlen die Gemeinen im kleinen; die befreundeten Völker- schaften wurden in schmählichster Weise beargwohnt -- so wälzte man die Schuld der schimpflichen Niederlage bei La- rissa auf die angebliche Verrätherei der aetolischen Reiterei und sandte unerhörter Weise deren Offiziere zur Criminal- untersuchung nach Rom; so drängte man die Molotter in Epeiros durch falschen Argwohn zum wirklichen Abfall; die verbündeten Städte wurden, als wären sie erobert, mit Kriegs- contributionen belegt und wenn sie auf den römischen Senat provocirten, die Bürger hingerichtet oder zu Sclaven verkauft -- so in Abdera und ähnlich in Chalkis. Der Senat schritt sehr ernstlich ein: er befahl die Befreiung der unglücklichen Koroneer und Abderiten und verbot den römischen Beamten ohne Erlaubniss des Senats Leistungen von den Bundesge- nossen zu verlangen. Gaius Lucretius ward von der Bürger- schaft einstimmig verurtheilt. Allein das konnte nicht ändern, dass das Ergebniss dieser beiden ersten Feldzüge militärisch null, politisch ein Schandfleck für die Römer war, deren un- gemeine Erfolge im Osten nicht zum wenigsten darauf beruh- ten, dass sie der hellenischen Sündenwirthschaft gegenüber sittlich rein und tüchtig auftraten. Hätte an Perseus Stelle Phi- lippos commandirt, so würde dieser Krieg vermuthlich mit der Vernichtung des römischen Heeres und dem Abfall der mei- sten Hellenen begonnen haben; allein Rom war so glücklich in den Fehlern stets von seinem Gegner überboten zu werden. Perseus begnügte sich in Makedonien, das nach Süden und Westen eine wahre Bergfestung ist, gleich wie in einer be- lagerten Stadt sich zu verschanzen. Auch der dritte Oberfeldherr, den Rom 585 nach Make- DER DRITTE MAKEDONISCHE KRIEG. Festung, die er vergeblich belagert hatte, noch einmal schlagenlieſs. Die römische Hauptarmee machte ein paar Versuche erst über die kambunischen Berge, dann durch die thessalischen Pässe in Makedonien einzudringen, aber sie wurden schlaff angestellt und beide von Perseus zurückgewiesen. Hauptsäch- lich war der Consul bemüht das Heer einigermaſsen zu reor- ganisiren, was freilich auch vor allen Dingen nöthig war, aber einen strengeren Mann und einen namhafteren Offizier erfor- derte. Abschied und Urlaub waren käuflich geworden, die Abtheilungen daher niemals vollzählig; die Mannschaft ward im Sommer einquartiert und wie die Offiziere im groſsen Stil, stahlen die Gemeinen im kleinen; die befreundeten Völker- schaften wurden in schmählichster Weise beargwohnt — so wälzte man die Schuld der schimpflichen Niederlage bei La- rissa auf die angebliche Verrätherei der aetolischen Reiterei und sandte unerhörter Weise deren Offiziere zur Criminal- untersuchung nach Rom; so drängte man die Molotter in Epeiros durch falschen Argwohn zum wirklichen Abfall; die verbündeten Städte wurden, als wären sie erobert, mit Kriegs- contributionen belegt und wenn sie auf den römischen Senat provocirten, die Bürger hingerichtet oder zu Sclaven verkauft — so in Abdera und ähnlich in Chalkis. Der Senat schritt sehr ernstlich ein: er befahl die Befreiung der unglücklichen Koroneer und Abderiten und verbot den römischen Beamten ohne Erlaubniſs des Senats Leistungen von den Bundesge- nossen zu verlangen. Gaius Lucretius ward von der Bürger- schaft einstimmig verurtheilt. Allein das konnte nicht ändern, daſs das Ergebniſs dieser beiden ersten Feldzüge militärisch null, politisch ein Schandfleck für die Römer war, deren un- gemeine Erfolge im Osten nicht zum wenigsten darauf beruh- ten, daſs sie der hellenischen Sündenwirthschaft gegenüber sittlich rein und tüchtig auftraten. Hätte an Perseus Stelle Phi- lippos commandirt, so würde dieser Krieg vermuthlich mit der Vernichtung des römischen Heeres und dem Abfall der mei- sten Hellenen begonnen haben; allein Rom war so glücklich in den Fehlern stets von seinem Gegner überboten zu werden. Perseus begnügte sich in Makedonien, das nach Süden und Westen eine wahre Bergfestung ist, gleich wie in einer be- lagerten Stadt sich zu verschanzen. Auch der dritte Oberfeldherr, den Rom 585 nach Make- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0599" n="585"/><fw place="top" type="header">DER DRITTE MAKEDONISCHE KRIEG.</fw><lb/> Festung, die er vergeblich belagert hatte, noch einmal schlagen<lb/> lieſs. Die römische Hauptarmee machte ein paar Versuche erst<lb/> über die kambunischen Berge, dann durch die thessalischen<lb/> Pässe in Makedonien einzudringen, aber sie wurden schlaff<lb/> angestellt und beide von Perseus zurückgewiesen. Hauptsäch-<lb/> lich war der Consul bemüht das Heer einigermaſsen zu reor-<lb/> ganisiren, was freilich auch vor allen Dingen nöthig war, aber<lb/> einen strengeren Mann und einen namhafteren Offizier erfor-<lb/> derte. 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DER DRITTE MAKEDONISCHE KRIEG.
Festung, die er vergeblich belagert hatte, noch einmal schlagen
lieſs. Die römische Hauptarmee machte ein paar Versuche erst
über die kambunischen Berge, dann durch die thessalischen
Pässe in Makedonien einzudringen, aber sie wurden schlaff
angestellt und beide von Perseus zurückgewiesen. Hauptsäch-
lich war der Consul bemüht das Heer einigermaſsen zu reor-
ganisiren, was freilich auch vor allen Dingen nöthig war, aber
einen strengeren Mann und einen namhafteren Offizier erfor-
derte. Abschied und Urlaub waren käuflich geworden, die
Abtheilungen daher niemals vollzählig; die Mannschaft ward
im Sommer einquartiert und wie die Offiziere im groſsen Stil,
stahlen die Gemeinen im kleinen; die befreundeten Völker-
schaften wurden in schmählichster Weise beargwohnt — so
wälzte man die Schuld der schimpflichen Niederlage bei La-
rissa auf die angebliche Verrätherei der aetolischen Reiterei
und sandte unerhörter Weise deren Offiziere zur Criminal-
untersuchung nach Rom; so drängte man die Molotter in
Epeiros durch falschen Argwohn zum wirklichen Abfall; die
verbündeten Städte wurden, als wären sie erobert, mit Kriegs-
contributionen belegt und wenn sie auf den römischen Senat
provocirten, die Bürger hingerichtet oder zu Sclaven verkauft
— so in Abdera und ähnlich in Chalkis. Der Senat schritt
sehr ernstlich ein: er befahl die Befreiung der unglücklichen
Koroneer und Abderiten und verbot den römischen Beamten
ohne Erlaubniſs des Senats Leistungen von den Bundesge-
nossen zu verlangen. Gaius Lucretius ward von der Bürger-
schaft einstimmig verurtheilt. Allein das konnte nicht ändern,
daſs das Ergebniſs dieser beiden ersten Feldzüge militärisch
null, politisch ein Schandfleck für die Römer war, deren un-
gemeine Erfolge im Osten nicht zum wenigsten darauf beruh-
ten, daſs sie der hellenischen Sündenwirthschaft gegenüber
sittlich rein und tüchtig auftraten. Hätte an Perseus Stelle Phi-
lippos commandirt, so würde dieser Krieg vermuthlich mit der
Vernichtung des römischen Heeres und dem Abfall der mei-
sten Hellenen begonnen haben; allein Rom war so glücklich
in den Fehlern stets von seinem Gegner überboten zu werden.
Perseus begnügte sich in Makedonien, das nach Süden und
Westen eine wahre Bergfestung ist, gleich wie in einer be-
lagerten Stadt sich zu verschanzen.
Auch der dritte Oberfeldherr, den Rom 585 nach Make-
donien sandte, Quintus Marcius Philippus, jener schon erwähnte
ehrliche Gastfreund des Königs, war seiner keineswegs leich-
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