Zur Führung des Krieges auf dem asiatischen Kontinent war in Rom der Sieger von Zama ausersehen worden, der in der That den Oberbefehl führte für den nominellen Höchst- commandirenden, seinen geistig unbedeutenden und militärisch unfähigen Bruder Lucius Scipio. Die bisher in Unteritalien stehende Reserve ward nach Griechenland, das Heer des Gla- brio nach Asien bestimmt; als es bekannt ward, wer dasselbe befehligen werde, meldeten sich freiwillig 5000 Veteranen aus dem hannibalischen Krieg, um noch einmal unter ihrem ge- liebten Führer zu fechten. Im römischen Juli, nach der richtigen Zeit im März fanden die Scipionen sich bei dem Heere ein um den asiatischen Feldzug zu beginnen; allein man war unangenehm überrascht, als man sich statt dessen zu- nächst in einen endlosen Kampf mit den verzweifelnden Aeto- lern verwickelt fand. Der Senat, der Flamininus grenzenlose Rücksichten gegen die Hellenen übertrieben fand, hatte den Aetolern die Wahl gelassen zwischen Zahlung einer absolut unerschwinglichen Kriegscontribution und unbedingter Er- gebung, was sie aufs Neue unter die Waffen getrieben hatte; und es war nicht abzusehen, wann dieser Gebirgs- und Fe- stungskrieg zu Ende gehen würde. Scipio beseitigte das unbequeme Hinderniss durch Bewilligung eines sechsmonat- lichen Waffenstillstandes und trat darauf den Marsch nach Asien an. Da die eine feindliche Flotte in dem aegaeischen Meere nur blokirt war und die zweite, die aus dem Südmeer herankam, täglich dort eintreffen konnte, schien es rathsam den Land- weg durch Makedonien und Thrakien einzuschlagen und über den Hellespont zu gehen; hier waren keine wesentlichen Hindernisse zu erwarten, da König Philippos von Make- donien vollständig zuverlässig und auch König Prusias von Bithynien mit den Römern in Bündniss war und die römische Flotte leicht sich in der Meerenge festzusetzen vermochte. Der lange und mühselige Weg längs der makedonischen und thrakischen Küste ward ohne wesentlichen Verlust zurück- gelegt; Philippos sorgte theils für Zufuhr, theils für freund- liche Aufnahme bei den thrakischen Wilden. Indess hatte man theils mit den Aetolern, theils auf dem Marsch so viel Zeit verloren, dass das Heer erst etwa um die Zeit der Schlacht von Myonnesos auf dem thrakischen Chersonesos anlangte. Das wunderbare Glück, das Scipio in Asien nicht minder wie in Africa zur Seite stand, räumte alle Schwierigkeiten vor ihm aus dem Wege. Auf die Kunde von der Schlacht bei Myon-
DRITTES BUCH. KAPITEL IX.
Zur Führung des Krieges auf dem asiatischen Kontinent war in Rom der Sieger von Zama ausersehen worden, der in der That den Oberbefehl führte für den nominellen Höchst- commandirenden, seinen geistig unbedeutenden und militärisch unfähigen Bruder Lucius Scipio. Die bisher in Unteritalien stehende Reserve ward nach Griechenland, das Heer des Gla- brio nach Asien bestimmt; als es bekannt ward, wer dasselbe befehligen werde, meldeten sich freiwillig 5000 Veteranen aus dem hannibalischen Krieg, um noch einmal unter ihrem ge- liebten Führer zu fechten. Im römischen Juli, nach der richtigen Zeit im März fanden die Scipionen sich bei dem Heere ein um den asiatischen Feldzug zu beginnen; allein man war unangenehm überrascht, als man sich statt dessen zu- nächst in einen endlosen Kampf mit den verzweifelnden Aeto- lern verwickelt fand. Der Senat, der Flamininus grenzenlose Rücksichten gegen die Hellenen übertrieben fand, hatte den Aetolern die Wahl gelassen zwischen Zahlung einer absolut unerschwinglichen Kriegscontribution und unbedingter Er- gebung, was sie aufs Neue unter die Waffen getrieben hatte; und es war nicht abzusehen, wann dieser Gebirgs- und Fe- stungskrieg zu Ende gehen würde. Scipio beseitigte das unbequeme Hinderniſs durch Bewilligung eines sechsmonat- lichen Waffenstillstandes und trat darauf den Marsch nach Asien an. Da die eine feindliche Flotte in dem aegaeischen Meere nur blokirt war und die zweite, die aus dem Südmeer herankam, täglich dort eintreffen konnte, schien es rathsam den Land- weg durch Makedonien und Thrakien einzuschlagen und über den Hellespont zu gehen; hier waren keine wesentlichen Hindernisse zu erwarten, da König Philippos von Make- donien vollständig zuverlässig und auch König Prusias von Bithynien mit den Römern in Bündniſs war und die römische Flotte leicht sich in der Meerenge festzusetzen vermochte. Der lange und mühselige Weg längs der makedonischen und thrakischen Küste ward ohne wesentlichen Verlust zurück- gelegt; Philippos sorgte theils für Zufuhr, theils für freund- liche Aufnahme bei den thrakischen Wilden. Indeſs hatte man theils mit den Aetolern, theils auf dem Marsch so viel Zeit verloren, daſs das Heer erst etwa um die Zeit der Schlacht von Myonnesos auf dem thrakischen Chersonesos anlangte. Das wunderbare Glück, das Scipio in Asien nicht minder wie in Africa zur Seite stand, räumte alle Schwierigkeiten vor ihm aus dem Wege. Auf die Kunde von der Schlacht bei Myon-
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DRITTES BUCH. KAPITEL IX.
Zur Führung des Krieges auf dem asiatischen Kontinent
war in Rom der Sieger von Zama ausersehen worden, der
in der That den Oberbefehl führte für den nominellen Höchst-
commandirenden, seinen geistig unbedeutenden und militärisch
unfähigen Bruder Lucius Scipio. Die bisher in Unteritalien
stehende Reserve ward nach Griechenland, das Heer des Gla-
brio nach Asien bestimmt; als es bekannt ward, wer dasselbe
befehligen werde, meldeten sich freiwillig 5000 Veteranen aus
dem hannibalischen Krieg, um noch einmal unter ihrem ge-
liebten Führer zu fechten. Im römischen Juli, nach der
richtigen Zeit im März fanden die Scipionen sich bei dem
Heere ein um den asiatischen Feldzug zu beginnen; allein man
war unangenehm überrascht, als man sich statt dessen zu-
nächst in einen endlosen Kampf mit den verzweifelnden Aeto-
lern verwickelt fand. Der Senat, der Flamininus grenzenlose
Rücksichten gegen die Hellenen übertrieben fand, hatte den
Aetolern die Wahl gelassen zwischen Zahlung einer absolut
unerschwinglichen Kriegscontribution und unbedingter Er-
gebung, was sie aufs Neue unter die Waffen getrieben hatte;
und es war nicht abzusehen, wann dieser Gebirgs- und Fe-
stungskrieg zu Ende gehen würde. Scipio beseitigte das
unbequeme Hinderniſs durch Bewilligung eines sechsmonat-
lichen Waffenstillstandes und trat darauf den Marsch nach
Asien an. Da die eine feindliche Flotte in dem aegaeischen Meere
nur blokirt war und die zweite, die aus dem Südmeer herankam,
täglich dort eintreffen konnte, schien es rathsam den Land-
weg durch Makedonien und Thrakien einzuschlagen und über
den Hellespont zu gehen; hier waren keine wesentlichen
Hindernisse zu erwarten, da König Philippos von Make-
donien vollständig zuverlässig und auch König Prusias von
Bithynien mit den Römern in Bündniſs war und die römische
Flotte leicht sich in der Meerenge festzusetzen vermochte.
Der lange und mühselige Weg längs der makedonischen und
thrakischen Küste ward ohne wesentlichen Verlust zurück-
gelegt; Philippos sorgte theils für Zufuhr, theils für freund-
liche Aufnahme bei den thrakischen Wilden. Indeſs hatte
man theils mit den Aetolern, theils auf dem Marsch so viel
Zeit verloren, daſs das Heer erst etwa um die Zeit der Schlacht
von Myonnesos auf dem thrakischen Chersonesos anlangte. Das
wunderbare Glück, das Scipio in Asien nicht minder wie in
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/570>, abgerufen am 25.11.2024.
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