die makedonische Besatzung, die 1300 Mann stark war und grossentheils aus italischen Ueberläufern bestand, vertheidigte nicht bloss entschlossen die fast uneinnehmbare Stadt, sondern es kam auch von Chalkis Philokles herbei mit einer Abtheilung von 1500 Mann, die zuerst Korinth entsetzte und sodann in das Gebiet der Achaeer eindrang und im Einverständ- niss mit der makedonisch gesinnten Bürgerschaft ihnen Argos entriss. Allein der Lohn solcher Hingebung war, dass der König, der nach dem Uebertritt der Achaeer zur römischen Partei den bisherigen Bundesgenossen der Römer Nabis von Sparta auf seine Seite zu bringen hoffte, die treue Stadt der Schreckensherrschaft dieses Tyrannen auslieferte. Nabis hätte ohne Zweifel entschieden für Philippos Partei ergriffen, wenn die Parteien im Gleichgewicht gestanden hätten; denn er war hauptsächlich nur desshalb römischer Bundesgenosse, weil er in Opposition zu den Achaeern und seit 550 sogar mit ihnen in offenem Krieg sich befand. Allein Philippos Angelegenheiten standen zu verzweifelt, als dass irgend Jemand jetzt sich auf seine Seite zu schlagen Lust verspürt hätte. Nabis nahm zwar Argos von Philippos an, allein er verrieth den Verräther und blieb im Bündniss mit Flamininus, welcher in der Verlegenheit, jetzt mit zwei unter einander im Krieg begriffenen Mächten verbün- det zu sein, vorläufig zwischen den Spartanern und Achaeern einen Waffenstillstand auf vier Monate vermittelte.
So kam der Winter heran. Philippos benutzte ihn aber- mals, um wo möglich einen billigen Frieden zu erhalten. Auf einer Conferenz, die in Nikaea am malischen Meerbusen ab- gehalten ward, erschien der König persönlich und versuchte mit Flamininus zu einer Verständigung zu gelangen, indem er den petulanten Uebermuth der kleinen Herren mit Stolz und Fein- heit zurückwies und von den Römern durch markirte Deferenz gegen sie als die einzigen ihm ebenbürtigen Gegner erträg- liche Bedingungen zu erhalten suchte. Flamininus war ge- bildet genug um durch die Urbanität des Besiegten gegen ihn und die Hoffart gegen die Bundesgenossen, welche der Römer wie der König gleich verachten gelernt hatten, sich geschmeichelt zu fühlen; allein seine Vollmacht ging nicht so weit wie das Begehren des Königs und somit wies er ihn an den Senat, nachdem ein zweimonatlicher Waffenstillstand gegen Einräumung von Phokis und Lokris zugestanden wor- den war. Im römischen Senat war man indess längst einig, dass Makedonien alle seine auswärtigen Besitzungen aufgeben
Röm. Gesch. I. 34
DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG.
die makedonische Besatzung, die 1300 Mann stark war und groſsentheils aus italischen Ueberläufern bestand, vertheidigte nicht bloſs entschlossen die fast uneinnehmbare Stadt, sondern es kam auch von Chalkis Philokles herbei mit einer Abtheilung von 1500 Mann, die zuerst Korinth entsetzte und sodann in das Gebiet der Achaeer eindrang und im Einverständ- niſs mit der makedonisch gesinnten Bürgerschaft ihnen Argos entriſs. Allein der Lohn solcher Hingebung war, daſs der König, der nach dem Uebertritt der Achaeer zur römischen Partei den bisherigen Bundesgenossen der Römer Nabis von Sparta auf seine Seite zu bringen hoffte, die treue Stadt der Schreckensherrschaft dieses Tyrannen auslieferte. Nabis hätte ohne Zweifel entschieden für Philippos Partei ergriffen, wenn die Parteien im Gleichgewicht gestanden hätten; denn er war hauptsächlich nur deſshalb römischer Bundesgenosse, weil er in Opposition zu den Achaeern und seit 550 sogar mit ihnen in offenem Krieg sich befand. Allein Philippos Angelegenheiten standen zu verzweifelt, als daſs irgend Jemand jetzt sich auf seine Seite zu schlagen Lust verspürt hätte. Nabis nahm zwar Argos von Philippos an, allein er verrieth den Verräther und blieb im Bündniſs mit Flamininus, welcher in der Verlegenheit, jetzt mit zwei unter einander im Krieg begriffenen Mächten verbün- det zu sein, vorläufig zwischen den Spartanern und Achaeern einen Waffenstillstand auf vier Monate vermittelte.
So kam der Winter heran. Philippos benutzte ihn aber- mals, um wo möglich einen billigen Frieden zu erhalten. Auf einer Conferenz, die in Nikaea am malischen Meerbusen ab- gehalten ward, erschien der König persönlich und versuchte mit Flamininus zu einer Verständigung zu gelangen, indem er den petulanten Uebermuth der kleinen Herren mit Stolz und Fein- heit zurückwies und von den Römern durch markirte Deferenz gegen sie als die einzigen ihm ebenbürtigen Gegner erträg- liche Bedingungen zu erhalten suchte. Flamininus war ge- bildet genug um durch die Urbanität des Besiegten gegen ihn und die Hoffart gegen die Bundesgenossen, welche der Römer wie der König gleich verachten gelernt hatten, sich geschmeichelt zu fühlen; allein seine Vollmacht ging nicht so weit wie das Begehren des Königs und somit wies er ihn an den Senat, nachdem ein zweimonatlicher Waffenstillstand gegen Einräumung von Phokis und Lokris zugestanden wor- den war. Im römischen Senat war man indeſs längst einig, daſs Makedonien alle seine auswärtigen Besitzungen aufgeben
Röm. Gesch. I. 34
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DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG.
die makedonische Besatzung, die 1300 Mann stark war und
groſsentheils aus italischen Ueberläufern bestand, vertheidigte
nicht bloſs entschlossen die fast uneinnehmbare Stadt, sondern
es kam auch von Chalkis Philokles herbei mit einer Abtheilung
von 1500 Mann, die zuerst Korinth entsetzte und sodann
in das Gebiet der Achaeer eindrang und im Einverständ-
niſs mit der makedonisch gesinnten Bürgerschaft ihnen Argos
entriſs. Allein der Lohn solcher Hingebung war, daſs der
König, der nach dem Uebertritt der Achaeer zur römischen
Partei den bisherigen Bundesgenossen der Römer Nabis von
Sparta auf seine Seite zu bringen hoffte, die treue Stadt der
Schreckensherrschaft dieses Tyrannen auslieferte. Nabis hätte
ohne Zweifel entschieden für Philippos Partei ergriffen, wenn
die Parteien im Gleichgewicht gestanden hätten; denn er war
hauptsächlich nur deſshalb römischer Bundesgenosse, weil er
in Opposition zu den Achaeern und seit 550 sogar mit ihnen in
offenem Krieg sich befand. Allein Philippos Angelegenheiten
standen zu verzweifelt, als daſs irgend Jemand jetzt sich auf seine
Seite zu schlagen Lust verspürt hätte. Nabis nahm zwar Argos
von Philippos an, allein er verrieth den Verräther und blieb
im Bündniſs mit Flamininus, welcher in der Verlegenheit, jetzt
mit zwei unter einander im Krieg begriffenen Mächten verbün-
det zu sein, vorläufig zwischen den Spartanern und Achaeern
einen Waffenstillstand auf vier Monate vermittelte.
So kam der Winter heran. Philippos benutzte ihn aber-
mals, um wo möglich einen billigen Frieden zu erhalten. Auf
einer Conferenz, die in Nikaea am malischen Meerbusen ab-
gehalten ward, erschien der König persönlich und versuchte mit
Flamininus zu einer Verständigung zu gelangen, indem er den
petulanten Uebermuth der kleinen Herren mit Stolz und Fein-
heit zurückwies und von den Römern durch markirte Deferenz
gegen sie als die einzigen ihm ebenbürtigen Gegner erträg-
liche Bedingungen zu erhalten suchte. Flamininus war ge-
bildet genug um durch die Urbanität des Besiegten gegen
ihn und die Hoffart gegen die Bundesgenossen, welche der
Römer wie der König gleich verachten gelernt hatten, sich
geschmeichelt zu fühlen; allein seine Vollmacht ging nicht so
weit wie das Begehren des Königs und somit wies er ihn
an den Senat, nachdem ein zweimonatlicher Waffenstillstand
gegen Einräumung von Phokis und Lokris zugestanden wor-
den war. Im römischen Senat war man indeſs längst einig,
daſs Makedonien alle seine auswärtigen Besitzungen aufgeben
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 529. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/543>, abgerufen am 16.07.2024.
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