Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.DRITTES BUCH. KAPITEL VIII. sandt hatte um als ,Vormund des Königs' wenigstens diplo-matischen Schutz zu gewähren. Antiochos, sei es aus Schlaff- heit, sei es bestimmt durch die Erklärung der Römer in Syrien nicht interveniren zu wollen, verfolgte seine Pläne in Syrien und liess die Dinge in Griechenland und Kleinasien gehen; ob er dessfalls bestimmte Erklärungen den Römern gab, ist nicht gewiss, aber wenig wahrscheinlich. Darüber war das Frühjahr 554 herangekommen und der Krieg hatte wie- der begonnen. Philippos warf sich zunächst wieder auf Thra- kien, wo er die sämmtlichen Küstenplätze, namentlich Maro- neia, Aenos, Elaeos, Sestos besetzte; er wollte seine europäi- schen Besitzungen vor einer römischen Landung gesichert wissen. Alsdann griff er an der asiatischen Küste Abydos an, an dessen Gewinn ihm gelegen sein musste, da er durch den Besitz von Sestos und Abydos mit seinem Bundesgenossen Antiochos in festere Verbindung kam und nicht mehr zu fürchten brauchte, dass die Flotte der Bundesgenossen ihm den Weg nach oder aus Kleinasien sperre. Diese behauptete das aegaeische Meer, nachdem das schwächere makedonische Geschwader sich zurückgezogen hatte; Philippos beschränkte zur See sich darauf auf dreien der Kykladen, Andros, Kythnos und Paros Besatzungen zu lassen und Kaperschiffe auszurüsten. Die Rhodier gingen nach Chios und von da nach Tenedos, wo Attalos, der den Winter über bei Aegina gestanden und mit den Declamationen der Athener sich die Zeit vertrieben hatte, mit seinem Geschwader zu ihnen stiess. Es wäre wohl möglich gewesen den Abydenern, die sich heldenmüthig ver- theidigten, zu Hülfe zu kommen, allein die Verbündeten rühr- ten sich nicht, und so ergab sich endlich die Stadt, nachdem fast alle Waffenfähige im Kampf vor den Mauern und ein grosser Theil der Einwohner durch eigene Hand gefallen waren -- die Gnade des Siegers bestand darin, dass den Abydenern drei Tage Frist gegeben wurden um freiwillig zu sterben. Hier im Lager vor Abydos traf die römische Ge- sandtschaft, die nach Beendigung ihrer Geschäfte in Syrien und Aegypten die griechischen Kleinstaaten besucht und bear- beitet hatte, mit dem König zusammen und konnte ihrer vom Senat erhaltenen Aufträge sich entledigen: der König solle gegen keinen griechischen Staat einen Angriffskrieg führen, Ptolemaeos die entrissenen Besitzungen zurückgeben und we- gen der den Pergamenern und Rhodiern zugefügten Schädi- gung sich ein Schiedsgericht gefallen lassen. Die Absicht des DRITTES BUCH. KAPITEL VIII. sandt hatte um als ‚Vormund des Königs‘ wenigstens diplo-matischen Schutz zu gewähren. Antiochos, sei es aus Schlaff- heit, sei es bestimmt durch die Erklärung der Römer in Syrien nicht interveniren zu wollen, verfolgte seine Pläne in Syrien und lieſs die Dinge in Griechenland und Kleinasien gehen; ob er deſsfalls bestimmte Erklärungen den Römern gab, ist nicht gewiſs, aber wenig wahrscheinlich. Darüber war das Frühjahr 554 herangekommen und der Krieg hatte wie- der begonnen. Philippos warf sich zunächst wieder auf Thra- kien, wo er die sämmtlichen Küstenplätze, namentlich Maro- neia, Aenos, Elaeos, Sestos besetzte; er wollte seine europäi- schen Besitzungen vor einer römischen Landung gesichert wissen. Alsdann griff er an der asiatischen Küste Abydos an, an dessen Gewinn ihm gelegen sein muſste, da er durch den Besitz von Sestos und Abydos mit seinem Bundesgenossen Antiochos in festere Verbindung kam und nicht mehr zu fürchten brauchte, daſs die Flotte der Bundesgenossen ihm den Weg nach oder aus Kleinasien sperre. Diese behauptete das aegaeische Meer, nachdem das schwächere makedonische Geschwader sich zurückgezogen hatte; Philippos beschränkte zur See sich darauf auf dreien der Kykladen, Andros, Kythnos und Paros Besatzungen zu lassen und Kaperschiffe auszurüsten. Die Rhodier gingen nach Chios und von da nach Tenedos, wo Attalos, der den Winter über bei Aegina gestanden und mit den Declamationen der Athener sich die Zeit vertrieben hatte, mit seinem Geschwader zu ihnen stieſs. Es wäre wohl möglich gewesen den Abydenern, die sich heldenmüthig ver- theidigten, zu Hülfe zu kommen, allein die Verbündeten rühr- ten sich nicht, und so ergab sich endlich die Stadt, nachdem fast alle Waffenfähige im Kampf vor den Mauern und ein groſser Theil der Einwohner durch eigene Hand gefallen waren — die Gnade des Siegers bestand darin, daſs den Abydenern drei Tage Frist gegeben wurden um freiwillig zu sterben. Hier im Lager vor Abydos traf die römische Ge- sandtschaft, die nach Beendigung ihrer Geschäfte in Syrien und Aegypten die griechischen Kleinstaaten besucht und bear- beitet hatte, mit dem König zusammen und konnte ihrer vom Senat erhaltenen Aufträge sich entledigen: der König solle gegen keinen griechischen Staat einen Angriffskrieg führen, Ptolemaeos die entrissenen Besitzungen zurückgeben und we- gen der den Pergamenern und Rhodiern zugefügten Schädi- gung sich ein Schiedsgericht gefallen lassen. 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DRITTES BUCH. KAPITEL VIII.
sandt hatte um als ‚Vormund des Königs‘ wenigstens diplo-
matischen Schutz zu gewähren. Antiochos, sei es aus Schlaff-
heit, sei es bestimmt durch die Erklärung der Römer in
Syrien nicht interveniren zu wollen, verfolgte seine Pläne in
Syrien und lieſs die Dinge in Griechenland und Kleinasien
gehen; ob er deſsfalls bestimmte Erklärungen den Römern gab,
ist nicht gewiſs, aber wenig wahrscheinlich. Darüber war
das Frühjahr 554 herangekommen und der Krieg hatte wie-
der begonnen. Philippos warf sich zunächst wieder auf Thra-
kien, wo er die sämmtlichen Küstenplätze, namentlich Maro-
neia, Aenos, Elaeos, Sestos besetzte; er wollte seine europäi-
schen Besitzungen vor einer römischen Landung gesichert
wissen. Alsdann griff er an der asiatischen Küste Abydos an,
an dessen Gewinn ihm gelegen sein muſste, da er durch den
Besitz von Sestos und Abydos mit seinem Bundesgenossen
Antiochos in festere Verbindung kam und nicht mehr zu
fürchten brauchte, daſs die Flotte der Bundesgenossen ihm
den Weg nach oder aus Kleinasien sperre. Diese behauptete
das aegaeische Meer, nachdem das schwächere makedonische
Geschwader sich zurückgezogen hatte; Philippos beschränkte
zur See sich darauf auf dreien der Kykladen, Andros, Kythnos
und Paros Besatzungen zu lassen und Kaperschiffe auszurüsten.
Die Rhodier gingen nach Chios und von da nach Tenedos,
wo Attalos, der den Winter über bei Aegina gestanden und
mit den Declamationen der Athener sich die Zeit vertrieben
hatte, mit seinem Geschwader zu ihnen stieſs. Es wäre wohl
möglich gewesen den Abydenern, die sich heldenmüthig ver-
theidigten, zu Hülfe zu kommen, allein die Verbündeten rühr-
ten sich nicht, und so ergab sich endlich die Stadt, nachdem
fast alle Waffenfähige im Kampf vor den Mauern und ein
groſser Theil der Einwohner durch eigene Hand gefallen
waren — die Gnade des Siegers bestand darin, daſs den
Abydenern drei Tage Frist gegeben wurden um freiwillig zu
sterben. Hier im Lager vor Abydos traf die römische Ge-
sandtschaft, die nach Beendigung ihrer Geschäfte in Syrien
und Aegypten die griechischen Kleinstaaten besucht und bear-
beitet hatte, mit dem König zusammen und konnte ihrer vom
Senat erhaltenen Aufträge sich entledigen: der König solle
gegen keinen griechischen Staat einen Angriffskrieg führen,
Ptolemaeos die entrissenen Besitzungen zurückgeben und we-
gen der den Pergamenern und Rhodiern zugefügten Schädi-
gung sich ein Schiedsgericht gefallen lassen. Die Absicht des
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