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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG.
freiwillig gegeben hatte, und dann wieder gegen seine Natur
sich bequemen zu bitten. So ging allmählich die gute Jahres-
zeit zu Ende und in der Zwischenzeit hatten die Rhodier ihre
Flotte verstärkt und auch die des Attalos wieder an sich ge-
zogen, so dass sie zur See entschieden überlegen waren. Es
schien fast, als könnten sie dem König den Rückzug abschnei-
den und ihn zwingen Winterquartier in Karien zu nehmen,
während doch die Angelegenheiten daheim, namentlich die
drohende Intervention der Aetoler und der Römer, seine
Rückkehr dringend erheischten. Indess Philippos entschloss
sich; er liess Besatzungen, zusammen bis 3000 Mann, theils
in Myrina, um Pergamon in Schach zu halten, theils in den
kleinen Städten um Mylasa: Iassos, Bargylia, Euromos, Pe-
dasa, um den trefflichen Hafen und einen Landungsplatz in
Karien sich zu sichern, und bei der Nachlässigkeit, mit wel-
cher die Bundesgenossen das Meer bewachten, gelang es ihm
glücklich mit der Flotte die thrakische Küste zu erreichen
und noch vor dem Winter 553 zu Hause zu sein.

In der That zog sich gegen Philipp im Westen ein Gewitter
zusammen, welches ihm nicht länger gestattete die Plünderung
des wehrlosen Aegyptens fortzusetzen. Die Römer, die in dem-
selben Jahre endlich den Frieden mit Karthago auf ihre Bedin-
gungen abgeschlossen hatten, fingen an sich ernstlich um diese
Verwicklungen im Osten zu bekümmern. Es ist oft gesagt wor-
den, dass sie nach der Eroberung des Westens sofort daran
gegangen seien den Osten sich zu unterwerfen; eine ernstlichere
Erwägung wird zu einem gerechteren Urtheil führen. Nur die
stumpfe Unbilligkeit kann es verkennen, dass Rom in dieser
Zeit noch keineswegs nach der Herrschaft über die Mittelmeer-
staaten griff, sondern nichts weiter begehrte als in Africa
und in Griechenland ungefährliche Nachbaren zu haben. Ma-
kedoniens Macht war allerdings nicht gering und es ist augen-
scheinlich, dass der römische Senat den Frieden von 548/9,
der sie ganz in ihrer Integrität beliess, nur ungern gewährte;
allein wie wenig man ernstliche Besorgnisse vor Makedonien
in Rom hegte, beweist am besten die geringe und doch nie
gegen Uebermacht zu fechten genöthigte Truppenzahl, mit
welcher Rom den nächsten Krieg geführt hat. Ueberhaupt ist
es keineswegs ausgemacht, dass der römische Senat den
durchaus freiwillig von ihm zugestandenen Frieden in der
bestimmten Absicht schloss den Krieg bei gelegener Zeit wie-
der zu beginnen, und sehr gewiss, dass augenblicklich bei

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DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG.
freiwillig gegeben hatte, und dann wieder gegen seine Natur
sich bequemen zu bitten. So ging allmählich die gute Jahres-
zeit zu Ende und in der Zwischenzeit hatten die Rhodier ihre
Flotte verstärkt und auch die des Attalos wieder an sich ge-
zogen, so daſs sie zur See entschieden überlegen waren. Es
schien fast, als könnten sie dem König den Rückzug abschnei-
den und ihn zwingen Winterquartier in Karien zu nehmen,
während doch die Angelegenheiten daheim, namentlich die
drohende Intervention der Aetoler und der Römer, seine
Rückkehr dringend erheischten. Indeſs Philippos entschloſs
sich; er lieſs Besatzungen, zusammen bis 3000 Mann, theils
in Myrina, um Pergamon in Schach zu halten, theils in den
kleinen Städten um Mylasa: Iassos, Bargylia, Euromos, Pe-
dasa, um den trefflichen Hafen und einen Landungsplatz in
Karien sich zu sichern, und bei der Nachlässigkeit, mit wel-
cher die Bundesgenossen das Meer bewachten, gelang es ihm
glücklich mit der Flotte die thrakische Küste zu erreichen
und noch vor dem Winter 553 zu Hause zu sein.

In der That zog sich gegen Philipp im Westen ein Gewitter
zusammen, welches ihm nicht länger gestattete die Plünderung
des wehrlosen Aegyptens fortzusetzen. Die Römer, die in dem-
selben Jahre endlich den Frieden mit Karthago auf ihre Bedin-
gungen abgeschlossen hatten, fingen an sich ernstlich um diese
Verwicklungen im Osten zu bekümmern. Es ist oft gesagt wor-
den, daſs sie nach der Eroberung des Westens sofort daran
gegangen seien den Osten sich zu unterwerfen; eine ernstlichere
Erwägung wird zu einem gerechteren Urtheil führen. Nur die
stumpfe Unbilligkeit kann es verkennen, daſs Rom in dieser
Zeit noch keineswegs nach der Herrschaft über die Mittelmeer-
staaten griff, sondern nichts weiter begehrte als in Africa
und in Griechenland ungefährliche Nachbaren zu haben. Ma-
kedoniens Macht war allerdings nicht gering und es ist augen-
scheinlich, daſs der römische Senat den Frieden von 548/9,
der sie ganz in ihrer Integrität belieſs, nur ungern gewährte;
allein wie wenig man ernstliche Besorgnisse vor Makedonien
in Rom hegte, beweist am besten die geringe und doch nie
gegen Uebermacht zu fechten genöthigte Truppenzahl, mit
welcher Rom den nächsten Krieg geführt hat. Ueberhaupt ist
es keineswegs ausgemacht, daſs der römische Senat den
durchaus freiwillig von ihm zugestandenen Frieden in der
bestimmten Absicht schloſs den Krieg bei gelegener Zeit wie-
der zu beginnen, und sehr gewiſs, daſs augenblicklich bei

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[515/0529] DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG. freiwillig gegeben hatte, und dann wieder gegen seine Natur sich bequemen zu bitten. So ging allmählich die gute Jahres- zeit zu Ende und in der Zwischenzeit hatten die Rhodier ihre Flotte verstärkt und auch die des Attalos wieder an sich ge- zogen, so daſs sie zur See entschieden überlegen waren. Es schien fast, als könnten sie dem König den Rückzug abschnei- den und ihn zwingen Winterquartier in Karien zu nehmen, während doch die Angelegenheiten daheim, namentlich die drohende Intervention der Aetoler und der Römer, seine Rückkehr dringend erheischten. Indeſs Philippos entschloſs sich; er lieſs Besatzungen, zusammen bis 3000 Mann, theils in Myrina, um Pergamon in Schach zu halten, theils in den kleinen Städten um Mylasa: Iassos, Bargylia, Euromos, Pe- dasa, um den trefflichen Hafen und einen Landungsplatz in Karien sich zu sichern, und bei der Nachlässigkeit, mit wel- cher die Bundesgenossen das Meer bewachten, gelang es ihm glücklich mit der Flotte die thrakische Küste zu erreichen und noch vor dem Winter 553 zu Hause zu sein. In der That zog sich gegen Philipp im Westen ein Gewitter zusammen, welches ihm nicht länger gestattete die Plünderung des wehrlosen Aegyptens fortzusetzen. Die Römer, die in dem- selben Jahre endlich den Frieden mit Karthago auf ihre Bedin- gungen abgeschlossen hatten, fingen an sich ernstlich um diese Verwicklungen im Osten zu bekümmern. Es ist oft gesagt wor- den, daſs sie nach der Eroberung des Westens sofort daran gegangen seien den Osten sich zu unterwerfen; eine ernstlichere Erwägung wird zu einem gerechteren Urtheil führen. Nur die stumpfe Unbilligkeit kann es verkennen, daſs Rom in dieser Zeit noch keineswegs nach der Herrschaft über die Mittelmeer- staaten griff, sondern nichts weiter begehrte als in Africa und in Griechenland ungefährliche Nachbaren zu haben. Ma- kedoniens Macht war allerdings nicht gering und es ist augen- scheinlich, daſs der römische Senat den Frieden von 548/9, der sie ganz in ihrer Integrität belieſs, nur ungern gewährte; allein wie wenig man ernstliche Besorgnisse vor Makedonien in Rom hegte, beweist am besten die geringe und doch nie gegen Uebermacht zu fechten genöthigte Truppenzahl, mit welcher Rom den nächsten Krieg geführt hat. Ueberhaupt ist es keineswegs ausgemacht, daſs der römische Senat den durchaus freiwillig von ihm zugestandenen Frieden in der bestimmten Absicht schloſs den Krieg bei gelegener Zeit wie- der zu beginnen, und sehr gewiſs, daſs augenblicklich bei 33*

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 515. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/529>, abgerufen am 22.11.2024.