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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DER WESTEN NACH DEM HANNIBALISCHEN FRIEDEN.
vertagt ward. So erklärten zum Beispiel die Karthager ein-
mal (582), dass ihnen bloss in den letzten zwei Jahren wieder
siebzig Dörfer vertragswidrig entrissen worden seien und be-
schworen den römischen Senat ihnen entweder zu gestatten
sich mit den Waffen zu vertheidigen, oder ein Schiedsgericht
mit Spruchgewalt zu bestellen, oder die Grenze neu zu regu-
liren, damit sie wenigstens ein für allemal erführen, wie viel
sie einbüssen sollten; besser sei es sonst sie geradezu zu
römischen Unterthanen zu machen als sie so allmählig den
Libyern auszuliefern. Der römische Senat mässigte wohl zu-
weilen den allzugrossen Ungestüm der Libyer, die ihren alten
Peinigern jetzt das Erlittene reichlich vergalten; aber eine
Abstellung der Beschwerden erfolgte nicht, denn im Grunde
war es eben diese Quälerei Karthagos, um deren willen
Massinissa von den Römern der Stadt als Nachbar gesetzt
worden war. Nur phoenikische Geduld war im Stande sich
in eine solche Lage mit Ergebung zu schicken, ja sogar den
Machthabern jeden Dienst und jede Artigkeit, die sie be-
gehrten und nicht begehrten, mit unermüdlicher Beharrlichkeit
zu erweisen und namentlich durch Kornsendungen um die
römische Gunst zu buhlen; man hoffte wenigstens die com-
munale Freiheit, auf die sich Karthago thatsächlich beschränkt
sah, für die Stadt zu retten. In der That suchte Karthago
nach dem Sturz seiner politischen Macht nicht ohne Erfolg
sich im Innern zu regeneriren. Die bessernde Macht der
Noth und wohl auch Hannibals klarer, grossartiger und der
Menschen mächtiger Geist bewirkten politische und finanzielle
Reformen. Die Oligarchie, die durch Erhebung der Criminal-
untersuchung gegen den grossen Feldherrn wegen absichtlich
unterlassener Einnahme Roms und Unterschlagung der itali-
schen Beute das Mass ihrer verbrecherischen Thorheiten voll
gemacht hatte -- diese verfaulte Oligarchie wurde auf Han-
nibals Antrag über den Haufen geworfen und ein demokrati-
sches Regiment eingeführt, wie es den Verhältnissen der Bür-
gerschaft angemessen war (vor 559). Die Finanzen wurden
durch Beitreibung der rückständigen und unterschlagenen Gel-
der und durch Einführung einer besseren Controle so schnell
wieder geordnet, dass ohne die Bürger irgendwie mit ausser-
ordentlichen Steuern zu belasten die römische Contribution
gezahlt, ja sogar schon 567 die sofortige Leistung der sämmt-
lichen Terminzahlungen angeboten werden konnte -- ein An-
erbieten, das die Römer freilich, denen an der Tributpflich-

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vertagt ward. So erklärten zum Beispiel die Karthager ein-
mal (582), daſs ihnen bloſs in den letzten zwei Jahren wieder
siebzig Dörfer vertragswidrig entrissen worden seien und be-
schworen den römischen Senat ihnen entweder zu gestatten
sich mit den Waffen zu vertheidigen, oder ein Schiedsgericht
mit Spruchgewalt zu bestellen, oder die Grenze neu zu regu-
liren, damit sie wenigstens ein für allemal erführen, wie viel
sie einbüſsen sollten; besser sei es sonst sie geradezu zu
römischen Unterthanen zu machen als sie so allmählig den
Libyern auszuliefern. Der römische Senat mäſsigte wohl zu-
weilen den allzugroſsen Ungestüm der Libyer, die ihren alten
Peinigern jetzt das Erlittene reichlich vergalten; aber eine
Abstellung der Beschwerden erfolgte nicht, denn im Grunde
war es eben diese Quälerei Karthagos, um deren willen
Massinissa von den Römern der Stadt als Nachbar gesetzt
worden war. Nur phoenikische Geduld war im Stande sich
in eine solche Lage mit Ergebung zu schicken, ja sogar den
Machthabern jeden Dienst und jede Artigkeit, die sie be-
gehrten und nicht begehrten, mit unermüdlicher Beharrlichkeit
zu erweisen und namentlich durch Kornsendungen um die
römische Gunst zu buhlen; man hoffte wenigstens die com-
munale Freiheit, auf die sich Karthago thatsächlich beschränkt
sah, für die Stadt zu retten. In der That suchte Karthago
nach dem Sturz seiner politischen Macht nicht ohne Erfolg
sich im Innern zu regeneriren. Die bessernde Macht der
Noth und wohl auch Hannibals klarer, groſsartiger und der
Menschen mächtiger Geist bewirkten politische und finanzielle
Reformen. Die Oligarchie, die durch Erhebung der Criminal-
untersuchung gegen den groſsen Feldherrn wegen absichtlich
unterlassener Einnahme Roms und Unterschlagung der itali-
schen Beute das Maſs ihrer verbrecherischen Thorheiten voll
gemacht hatte — diese verfaulte Oligarchie wurde auf Han-
nibals Antrag über den Haufen geworfen und ein demokrati-
sches Regiment eingeführt, wie es den Verhältnissen der Bür-
gerschaft angemessen war (vor 559). Die Finanzen wurden
durch Beitreibung der rückständigen und unterschlagenen Gel-
der und durch Einführung einer besseren Controle so schnell
wieder geordnet, daſs ohne die Bürger irgendwie mit auſser-
ordentlichen Steuern zu belasten die römische Contribution
gezahlt, ja sogar schon 567 die sofortige Leistung der sämmt-
lichen Terminzahlungen angeboten werden konnte — ein An-
erbieten, das die Römer freilich, denen an der Tributpflich-

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[491/0505] DER WESTEN NACH DEM HANNIBALISCHEN FRIEDEN. vertagt ward. So erklärten zum Beispiel die Karthager ein- mal (582), daſs ihnen bloſs in den letzten zwei Jahren wieder siebzig Dörfer vertragswidrig entrissen worden seien und be- schworen den römischen Senat ihnen entweder zu gestatten sich mit den Waffen zu vertheidigen, oder ein Schiedsgericht mit Spruchgewalt zu bestellen, oder die Grenze neu zu regu- liren, damit sie wenigstens ein für allemal erführen, wie viel sie einbüſsen sollten; besser sei es sonst sie geradezu zu römischen Unterthanen zu machen als sie so allmählig den Libyern auszuliefern. Der römische Senat mäſsigte wohl zu- weilen den allzugroſsen Ungestüm der Libyer, die ihren alten Peinigern jetzt das Erlittene reichlich vergalten; aber eine Abstellung der Beschwerden erfolgte nicht, denn im Grunde war es eben diese Quälerei Karthagos, um deren willen Massinissa von den Römern der Stadt als Nachbar gesetzt worden war. Nur phoenikische Geduld war im Stande sich in eine solche Lage mit Ergebung zu schicken, ja sogar den Machthabern jeden Dienst und jede Artigkeit, die sie be- gehrten und nicht begehrten, mit unermüdlicher Beharrlichkeit zu erweisen und namentlich durch Kornsendungen um die römische Gunst zu buhlen; man hoffte wenigstens die com- munale Freiheit, auf die sich Karthago thatsächlich beschränkt sah, für die Stadt zu retten. In der That suchte Karthago nach dem Sturz seiner politischen Macht nicht ohne Erfolg sich im Innern zu regeneriren. Die bessernde Macht der Noth und wohl auch Hannibals klarer, groſsartiger und der Menschen mächtiger Geist bewirkten politische und finanzielle Reformen. Die Oligarchie, die durch Erhebung der Criminal- untersuchung gegen den groſsen Feldherrn wegen absichtlich unterlassener Einnahme Roms und Unterschlagung der itali- schen Beute das Maſs ihrer verbrecherischen Thorheiten voll gemacht hatte — diese verfaulte Oligarchie wurde auf Han- nibals Antrag über den Haufen geworfen und ein demokrati- sches Regiment eingeführt, wie es den Verhältnissen der Bür- gerschaft angemessen war (vor 559). Die Finanzen wurden durch Beitreibung der rückständigen und unterschlagenen Gel- der und durch Einführung einer besseren Controle so schnell wieder geordnet, daſs ohne die Bürger irgendwie mit auſser- ordentlichen Steuern zu belasten die römische Contribution gezahlt, ja sogar schon 567 die sofortige Leistung der sämmt- lichen Terminzahlungen angeboten werden konnte — ein An- erbieten, das die Römer freilich, denen an der Tributpflich-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/505>, abgerufen am 22.11.2024.