Nachen und ging nach Karthago um den schändlichen Vater- landsverrath des hannibalischen Offiziers den Seinen zu be- richten; die punische Besatzung in der Stadt ward niederge- macht und die Bürgerschaft in die Sclaverei verkauft (544). Zur Sicherung der Insel vor ähnlichen Ueberfällen, wie die Landung von 540 gewesen war, erhielt die Stadt eine römische Colonie; die alte herrliche Akragas ward zur römischen Festung Agrigentum. Nachdem also ganz Sicilien unterworfen war, ward römischer Seits dafür gesorgt, dass einige Ruhe und Ordnung auf die zerrüttete Insel zurückkehre. Man trieb das Räuber- gesindel, das im Innern hauste, in Masse zusammen und schaffte es hinüber nach Italien, um von Rhegion aus in Han- nibals Bundesgenossengebiet zu sengen und zu brennen; die Regierung that ihr Möglichstes um den gänzlich darniederlie- genden Ackerbau wieder auf der Insel in Aufnahme zu brin- gen. Im karthagischen Rath war wohl noch öfter die Rede davon eine Flotte nach Sicilien zu senden und den Krieg dort zu erneuern; allein es blieb bei Entwürfen.
Entscheidender als Syrakus hätte Makedonien in den Gang der Ereignisse eingreifen können. Von den östlichen Mächten war für den Augenblick weder Förderung noch Hin- derung zu erwarten. Antiochos der Grosse, Philippos natür- licher Bundesgenosse, hatte nach dem entscheidenden Siege der Aegypter bei Raphia 537 sich glücklich schätzen müssen von dem schlaffen Philopator Frieden auf Basis des Status quo ante zu erhalten; theils die Rivalität der Lagiden und der stets drohende Wiederausbruch des Krieges, theils Prätenden- tenaufstände im Innern und Unternehmungen aller Art in Kleinasien, Baktrien und den östlichen Satrapien hinderten ihn jener grossen antirömischen Allianz sich anzuschliessen, wie Hannibal sie im Sinn trug. Der ägyptische Hof stand entschieden auf der Seite Roms, mit dem er das Bündniss 544 erneuerte; allein es war von Ptolemaeos Philopator nicht zu erwarten, dass er Rom anders als durch Kornschiffe unter- stützen werde. In den grossen italischen Kampf ein entschei- dendes Gewicht zu werfen waren somit Makedonien und Grie- chenland durch nichts gehindert als durch die eigene Zwie- tracht; sie konnten den hellenischen Namen retten, wenn sie es über sich gewannen nur für wenige Jahre zusammenzu- stehen gegen den gemeinschaftlichen Feind. Wohl gingen solche Stimmungen durch Griechenland. Des Agelaos von Naupaktos prophetisches Wort, dass er fürchte, es möge mit
DRITTES BUCH. KAPITEL VI.
Nachen und ging nach Karthago um den schändlichen Vater- landsverrath des hannibalischen Offiziers den Seinen zu be- richten; die punische Besatzung in der Stadt ward niederge- macht und die Bürgerschaft in die Sclaverei verkauft (544). Zur Sicherung der Insel vor ähnlichen Ueberfällen, wie die Landung von 540 gewesen war, erhielt die Stadt eine römische Colonie; die alte herrliche Akragas ward zur römischen Festung Agrigentum. Nachdem also ganz Sicilien unterworfen war, ward römischer Seits dafür gesorgt, daſs einige Ruhe und Ordnung auf die zerrüttete Insel zurückkehre. Man trieb das Räuber- gesindel, das im Innern hauste, in Masse zusammen und schaffte es hinüber nach Italien, um von Rhegion aus in Han- nibals Bundesgenossengebiet zu sengen und zu brennen; die Regierung that ihr Möglichstes um den gänzlich darniederlie- genden Ackerbau wieder auf der Insel in Aufnahme zu brin- gen. Im karthagischen Rath war wohl noch öfter die Rede davon eine Flotte nach Sicilien zu senden und den Krieg dort zu erneuern; allein es blieb bei Entwürfen.
Entscheidender als Syrakus hätte Makedonien in den Gang der Ereignisse eingreifen können. Von den östlichen Mächten war für den Augenblick weder Förderung noch Hin- derung zu erwarten. Antiochos der Groſse, Philippos natür- licher Bundesgenosse, hatte nach dem entscheidenden Siege der Aegypter bei Raphia 537 sich glücklich schätzen müssen von dem schlaffen Philopator Frieden auf Basis des Status quo ante zu erhalten; theils die Rivalität der Lagiden und der stets drohende Wiederausbruch des Krieges, theils Prätenden- tenaufstände im Innern und Unternehmungen aller Art in Kleinasien, Baktrien und den östlichen Satrapien hinderten ihn jener groſsen antirömischen Allianz sich anzuschlieſsen, wie Hannibal sie im Sinn trug. Der ägyptische Hof stand entschieden auf der Seite Roms, mit dem er das Bündniſs 544 erneuerte; allein es war von Ptolemaeos Philopator nicht zu erwarten, daſs er Rom anders als durch Kornschiffe unter- stützen werde. In den groſsen italischen Kampf ein entschei- dendes Gewicht zu werfen waren somit Makedonien und Grie- chenland durch nichts gehindert als durch die eigene Zwie- tracht; sie konnten den hellenischen Namen retten, wenn sie es über sich gewannen nur für wenige Jahre zusammenzu- stehen gegen den gemeinschaftlichen Feind. Wohl gingen solche Stimmungen durch Griechenland. Des Agelaos von Naupaktos prophetisches Wort, daſs er fürchte, es möge mit
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DRITTES BUCH. KAPITEL VI.
Nachen und ging nach Karthago um den schändlichen Vater-
landsverrath des hannibalischen Offiziers den Seinen zu be-
richten; die punische Besatzung in der Stadt ward niederge-
macht und die Bürgerschaft in die Sclaverei verkauft (544).
Zur Sicherung der Insel vor ähnlichen Ueberfällen, wie die
Landung von 540 gewesen war, erhielt die Stadt eine römische
Colonie; die alte herrliche Akragas ward zur römischen Festung
Agrigentum. Nachdem also ganz Sicilien unterworfen war, ward
römischer Seits dafür gesorgt, daſs einige Ruhe und Ordnung
auf die zerrüttete Insel zurückkehre. Man trieb das Räuber-
gesindel, das im Innern hauste, in Masse zusammen und
schaffte es hinüber nach Italien, um von Rhegion aus in Han-
nibals Bundesgenossengebiet zu sengen und zu brennen; die
Regierung that ihr Möglichstes um den gänzlich darniederlie-
genden Ackerbau wieder auf der Insel in Aufnahme zu brin-
gen. Im karthagischen Rath war wohl noch öfter die Rede
davon eine Flotte nach Sicilien zu senden und den Krieg dort
zu erneuern; allein es blieb bei Entwürfen.
Entscheidender als Syrakus hätte Makedonien in den
Gang der Ereignisse eingreifen können. Von den östlichen
Mächten war für den Augenblick weder Förderung noch Hin-
derung zu erwarten. Antiochos der Groſse, Philippos natür-
licher Bundesgenosse, hatte nach dem entscheidenden Siege
der Aegypter bei Raphia 537 sich glücklich schätzen müssen
von dem schlaffen Philopator Frieden auf Basis des Status quo
ante zu erhalten; theils die Rivalität der Lagiden und der
stets drohende Wiederausbruch des Krieges, theils Prätenden-
tenaufstände im Innern und Unternehmungen aller Art in
Kleinasien, Baktrien und den östlichen Satrapien hinderten
ihn jener groſsen antirömischen Allianz sich anzuschlieſsen,
wie Hannibal sie im Sinn trug. Der ägyptische Hof stand
entschieden auf der Seite Roms, mit dem er das Bündniſs
544 erneuerte; allein es war von Ptolemaeos Philopator nicht
zu erwarten, daſs er Rom anders als durch Kornschiffe unter-
stützen werde. In den groſsen italischen Kampf ein entschei-
dendes Gewicht zu werfen waren somit Makedonien und Grie-
chenland durch nichts gehindert als durch die eigene Zwie-
tracht; sie konnten den hellenischen Namen retten, wenn sie
es über sich gewannen nur für wenige Jahre zusammenzu-
stehen gegen den gemeinschaftlichen Feind. Wohl gingen
solche Stimmungen durch Griechenland. Des Agelaos von
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/456>, abgerufen am 24.11.2024.
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