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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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HANNIBALISCHER KRIEG.
zukehren. -- Während also die beiden grossen jede für sich
der Armee Hannibals an Zahl gleichen römischen Armeen in
weiter Ferne von dem Pothal standen, war man hier auf einen
Angriff schlechterdings nicht gefasst. Zwar stand dort ein
römisches Heer in Folge der unter den Kelten schon vor
Ankunft der karthagischen Armee ausgebrochenen Insurrec-
tion. Die Gründung der beiden römischen Zwingburgen Pla-
centia und Cremona, von denen jede 6000 Colonisten erhielt,
und namentlich die Vorbereitungen zur Gründung von Mutina
im boischen Land hatten schon im Frühling 536 vor der mit
Hannibal verabredeten Zeit die Boier zum Aufstand getrieben,
dem sich die Insubrer sofort anschlossen. Die schon auf dem
mutinensischen Gebiet angesiedelten Colonisten, plötzlich über-
fallen, flüchteten sich in die Stadt. Der Praetor Lucius Man-
lius, der in der Provinz Ariminum den Oberbefehl führte, eilte
schleunig mit seiner einzigen Legion herbei um die blokirten
Colonisten zu entsetzen; allein in den Wäldern überfallen
blieb ihm nach starkem Verlust nichts anderes übrig als sich
auf einem Hügel festzusetzen, wo die Boier ihn nun gleich-
falls blokirten, bis eine zweite von Rom gesandte Legion unter
dem Praetor Lucius Atilius Heer und Stadt glücklich befreite
und den gallischen Aufstand für den Augenblick dämpfte.
Dieser voreilige Aufstand der Boier, der insofern als er Scipios
Abfahrt nach Spanien verzögerte Hannibals Plan wesentlich
gefördert hatte, war andrerseits die Ursache, dass er das
Pothal nicht bis auf die Festungen völlig unbesetzt fand.
Allein das römische Corps, dessen zwei stark decimirte Le-
gionen keine 20000 Soldaten zählten, war nur beschäftigt
die Kelten im Zaum zu halten, nicht sich den Alpenpässen
zu nähern, deren Bedrohung man erst, als im August der
Consul Gnaeus Scipio ohne sein Heer von Massalia eintraf, in
Rom erfuhr und vielleicht selbst damals noch wenig beachtete,
da ja der tollkühne Streich allein an den Alpen scheitern
werde; wenigstens stand in der entscheidenden Stunde an
dem entscheidenden Platz nicht einmal ein römischer Vor-
posten. Hannibal hatte volle Zeit sein Heer auszuruhen, die
Hauptstadt der Tauriner, die ihm die Thore verschloss, nach
dreitägiger Belagerung zu erstürmen und alle ligurischen und
keltischen Gemeinden im obern Pothal zum Bündniss zu be-
wegen oder zu schrecken, bevor Gnaeus Scipio, der das Com-
mando im Pothal übernommen hatte, ihm in den Weg trat.
Dieser, der die schwierige Aufgabe hatte mit einem bedeutend

HANNIBALISCHER KRIEG.
zukehren. — Während also die beiden groſsen jede für sich
der Armee Hannibals an Zahl gleichen römischen Armeen in
weiter Ferne von dem Pothal standen, war man hier auf einen
Angriff schlechterdings nicht gefaſst. Zwar stand dort ein
römisches Heer in Folge der unter den Kelten schon vor
Ankunft der karthagischen Armee ausgebrochenen Insurrec-
tion. Die Gründung der beiden römischen Zwingburgen Pla-
centia und Cremona, von denen jede 6000 Colonisten erhielt,
und namentlich die Vorbereitungen zur Gründung von Mutina
im boischen Land hatten schon im Frühling 536 vor der mit
Hannibal verabredeten Zeit die Boier zum Aufstand getrieben,
dem sich die Insubrer sofort anschlossen. Die schon auf dem
mutinensischen Gebiet angesiedelten Colonisten, plötzlich über-
fallen, flüchteten sich in die Stadt. Der Praetor Lucius Man-
lius, der in der Provinz Ariminum den Oberbefehl führte, eilte
schleunig mit seiner einzigen Legion herbei um die blokirten
Colonisten zu entsetzen; allein in den Wäldern überfallen
blieb ihm nach starkem Verlust nichts anderes übrig als sich
auf einem Hügel festzusetzen, wo die Boier ihn nun gleich-
falls blokirten, bis eine zweite von Rom gesandte Legion unter
dem Praetor Lucius Atilius Heer und Stadt glücklich befreite
und den gallischen Aufstand für den Augenblick dämpfte.
Dieser voreilige Aufstand der Boier, der insofern als er Scipios
Abfahrt nach Spanien verzögerte Hannibals Plan wesentlich
gefördert hatte, war andrerseits die Ursache, daſs er das
Pothal nicht bis auf die Festungen völlig unbesetzt fand.
Allein das römische Corps, dessen zwei stark decimirte Le-
gionen keine 20000 Soldaten zählten, war nur beschäftigt
die Kelten im Zaum zu halten, nicht sich den Alpenpässen
zu nähern, deren Bedrohung man erst, als im August der
Consul Gnaeus Scipio ohne sein Heer von Massalia eintraf, in
Rom erfuhr und vielleicht selbst damals noch wenig beachtete,
da ja der tollkühne Streich allein an den Alpen scheitern
werde; wenigstens stand in der entscheidenden Stunde an
dem entscheidenden Platz nicht einmal ein römischer Vor-
posten. Hannibal hatte volle Zeit sein Heer auszuruhen, die
Hauptstadt der Tauriner, die ihm die Thore verschloſs, nach
dreitägiger Belagerung zu erstürmen und alle ligurischen und
keltischen Gemeinden im obern Pothal zum Bündniſs zu be-
wegen oder zu schrecken, bevor Gnaeus Scipio, der das Com-
mando im Pothal übernommen hatte, ihm in den Weg trat.
Dieser, der die schwierige Aufgabe hatte mit einem bedeutend

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[407/0421] HANNIBALISCHER KRIEG. zukehren. — Während also die beiden groſsen jede für sich der Armee Hannibals an Zahl gleichen römischen Armeen in weiter Ferne von dem Pothal standen, war man hier auf einen Angriff schlechterdings nicht gefaſst. Zwar stand dort ein römisches Heer in Folge der unter den Kelten schon vor Ankunft der karthagischen Armee ausgebrochenen Insurrec- tion. Die Gründung der beiden römischen Zwingburgen Pla- centia und Cremona, von denen jede 6000 Colonisten erhielt, und namentlich die Vorbereitungen zur Gründung von Mutina im boischen Land hatten schon im Frühling 536 vor der mit Hannibal verabredeten Zeit die Boier zum Aufstand getrieben, dem sich die Insubrer sofort anschlossen. Die schon auf dem mutinensischen Gebiet angesiedelten Colonisten, plötzlich über- fallen, flüchteten sich in die Stadt. Der Praetor Lucius Man- lius, der in der Provinz Ariminum den Oberbefehl führte, eilte schleunig mit seiner einzigen Legion herbei um die blokirten Colonisten zu entsetzen; allein in den Wäldern überfallen blieb ihm nach starkem Verlust nichts anderes übrig als sich auf einem Hügel festzusetzen, wo die Boier ihn nun gleich- falls blokirten, bis eine zweite von Rom gesandte Legion unter dem Praetor Lucius Atilius Heer und Stadt glücklich befreite und den gallischen Aufstand für den Augenblick dämpfte. Dieser voreilige Aufstand der Boier, der insofern als er Scipios Abfahrt nach Spanien verzögerte Hannibals Plan wesentlich gefördert hatte, war andrerseits die Ursache, daſs er das Pothal nicht bis auf die Festungen völlig unbesetzt fand. Allein das römische Corps, dessen zwei stark decimirte Le- gionen keine 20000 Soldaten zählten, war nur beschäftigt die Kelten im Zaum zu halten, nicht sich den Alpenpässen zu nähern, deren Bedrohung man erst, als im August der Consul Gnaeus Scipio ohne sein Heer von Massalia eintraf, in Rom erfuhr und vielleicht selbst damals noch wenig beachtete, da ja der tollkühne Streich allein an den Alpen scheitern werde; wenigstens stand in der entscheidenden Stunde an dem entscheidenden Platz nicht einmal ein römischer Vor- posten. Hannibal hatte volle Zeit sein Heer auszuruhen, die Hauptstadt der Tauriner, die ihm die Thore verschloſs, nach dreitägiger Belagerung zu erstürmen und alle ligurischen und keltischen Gemeinden im obern Pothal zum Bündniſs zu be- wegen oder zu schrecken, bevor Gnaeus Scipio, der das Com- mando im Pothal übernommen hatte, ihm in den Weg trat. Dieser, der die schwierige Aufgabe hatte mit einem bedeutend

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/421>, abgerufen am 24.11.2024.