Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.DRITTES BUCH. KAPITEL IV. wohin Hannibals Pläne zielten. Zum Glück für Hannibal standder Consul noch unthätig in Massalia, vier Tagesmärsche vom Uebergangspunct; allein die Boten des gallischen Landsturms eilten ihn zu benachrichtigen. Es galt in schleunigster Eile das Heer mit seiner starken Reiterei und den Elephanten unter den Augen des Feindes über den reissenden Strom zu führen, und Hannibal besass nicht einen Nachen. Sogleich wurden auf Hannibals Befehl von den zahlreichen Rhoneschif- fern in dieser Gegend alle ihre Barken zu jedem Preise auf- gekauft und was an Kähnen noch fehlte, aus gefällten Bäumen gezimmert, so dass die ganze zahlreiche Armee an einem Tage übergesetzt werden konnte. Während dies geschah, marschirte eine starke Abtheilung unter Hanno Bomilkars Sohn in Gewalt- märschen stromaufwärts bis zu einem zwei kleine Tagemärsche oberhalb Avignon gelegenen Uebergangspunct, den sie unver- theidigt fanden und hier auf schleunig zusammengeschlagenen Flössen den Fluss überschritten, um dann sich stromabwärts wendend die Gallier in den Rücken zu fassen, die dem Haupt- heer den Uebergang sperrten. Schon am Morgen des fünften Tages nach der Ankunft an der Rhone, des dritten nach Hannos Abmarsch stiegen in dieser Richtung Rauchsignale auf, für Hannibal das sehnlich erwartete Zeichen zum Ueber- gang. Eben als die Gallier, sehend dass die feindliche Kahn- flotte sich in Bewegung setze, das Ufer zu besetzen eilten, loderte plötzlich ihr Lager hinter der Linie in Flammen auf und also, überrascht und getheilt, vermochten sie weder dem Angriff zu stehen noch dem Uebergang zu wehren und zer- streuten sich in eiliger Flucht. -- Scipio indess war beschäf- tigt in Massalia Kriegsrathsitzungen über die geeignete Be- setzung der Rhoneübergänge abzuhalten und, da er den galli- schen Boten misstraute, das rechte Rhoneufer durch eine schwache römische Reiterabtheilung recognosciren zu lassen. Als diese in die Gegend von Avignon kam, fand sie die ge- sammte karthagische Armee schon auf dem rechten Rhoneufer mit Ausnahme der Elephanten, mit deren Ueberführung man eben beschäftigt war. Nachdem die Römer, um nur die Reco- gnoscirung beendigen zu können, einigen karthagischen Schwa- dronen ein hitziges Gefecht geliefert hatte -- das erste, in dem die Römer und Punier in diesem Kriege auf einander trafen --, wandten sie sich eiligst zurück um im Hauptquartier Bericht zu erstatten. Scipio brach nun Hals über Kopf mit all seinen Truppen gegen Avignon auf; allein als er dort eintraf, war DRITTES BUCH. KAPITEL IV. wohin Hannibals Pläne zielten. Zum Glück für Hannibal standder Consul noch unthätig in Massalia, vier Tagesmärsche vom Uebergangspunct; allein die Boten des gallischen Landsturms eilten ihn zu benachrichtigen. Es galt in schleunigster Eile das Heer mit seiner starken Reiterei und den Elephanten unter den Augen des Feindes über den reiſsenden Strom zu führen, und Hannibal besaſs nicht einen Nachen. Sogleich wurden auf Hannibals Befehl von den zahlreichen Rhoneschif- fern in dieser Gegend alle ihre Barken zu jedem Preise auf- gekauft und was an Kähnen noch fehlte, aus gefällten Bäumen gezimmert, so daſs die ganze zahlreiche Armee an einem Tage übergesetzt werden konnte. Während dies geschah, marschirte eine starke Abtheilung unter Hanno Bomilkars Sohn in Gewalt- märschen stromaufwärts bis zu einem zwei kleine Tagemärsche oberhalb Avignon gelegenen Uebergangspunct, den sie unver- theidigt fanden und hier auf schleunig zusammengeschlagenen Flöſsen den Fluſs überschritten, um dann sich stromabwärts wendend die Gallier in den Rücken zu fassen, die dem Haupt- heer den Uebergang sperrten. Schon am Morgen des fünften Tages nach der Ankunft an der Rhone, des dritten nach Hannos Abmarsch stiegen in dieser Richtung Rauchsignale auf, für Hannibal das sehnlich erwartete Zeichen zum Ueber- gang. Eben als die Gallier, sehend daſs die feindliche Kahn- flotte sich in Bewegung setze, das Ufer zu besetzen eilten, loderte plötzlich ihr Lager hinter der Linie in Flammen auf und also, überrascht und getheilt, vermochten sie weder dem Angriff zu stehen noch dem Uebergang zu wehren und zer- streuten sich in eiliger Flucht. — Scipio indeſs war beschäf- tigt in Massalia Kriegsrathsitzungen über die geeignete Be- setzung der Rhoneübergänge abzuhalten und, da er den galli- schen Boten miſstraute, das rechte Rhoneufer durch eine schwache römische Reiterabtheilung recognosciren zu lassen. Als diese in die Gegend von Avignon kam, fand sie die ge- sammte karthagische Armee schon auf dem rechten Rhoneufer mit Ausnahme der Elephanten, mit deren Ueberführung man eben beschäftigt war. Nachdem die Römer, um nur die Reco- gnoscirung beendigen zu können, einigen karthagischen Schwa- dronen ein hitziges Gefecht geliefert hatte — das erste, in dem die Römer und Punier in diesem Kriege auf einander trafen —, wandten sie sich eiligst zurück um im Hauptquartier Bericht zu erstatten. Scipio brach nun Hals über Kopf mit all seinen Truppen gegen Avignon auf; allein als er dort eintraf, war <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0412" n="398"/><fw place="top" type="header">DRITTES BUCH. KAPITEL IV.</fw><lb/> wohin Hannibals Pläne zielten. Zum Glück für Hannibal stand<lb/> der Consul noch unthätig in Massalia, vier Tagesmärsche vom<lb/> Uebergangspunct; allein die Boten des gallischen Landsturms<lb/> eilten ihn zu benachrichtigen. Es galt in schleunigster Eile<lb/> das Heer mit seiner starken Reiterei und den Elephanten<lb/> unter den Augen des Feindes über den reiſsenden Strom zu<lb/> führen, und Hannibal besaſs nicht einen Nachen. 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DRITTES BUCH. KAPITEL IV.
wohin Hannibals Pläne zielten. Zum Glück für Hannibal stand
der Consul noch unthätig in Massalia, vier Tagesmärsche vom
Uebergangspunct; allein die Boten des gallischen Landsturms
eilten ihn zu benachrichtigen. Es galt in schleunigster Eile
das Heer mit seiner starken Reiterei und den Elephanten
unter den Augen des Feindes über den reiſsenden Strom zu
führen, und Hannibal besaſs nicht einen Nachen. Sogleich
wurden auf Hannibals Befehl von den zahlreichen Rhoneschif-
fern in dieser Gegend alle ihre Barken zu jedem Preise auf-
gekauft und was an Kähnen noch fehlte, aus gefällten Bäumen
gezimmert, so daſs die ganze zahlreiche Armee an einem Tage
übergesetzt werden konnte. Während dies geschah, marschirte
eine starke Abtheilung unter Hanno Bomilkars Sohn in Gewalt-
märschen stromaufwärts bis zu einem zwei kleine Tagemärsche
oberhalb Avignon gelegenen Uebergangspunct, den sie unver-
theidigt fanden und hier auf schleunig zusammengeschlagenen
Flöſsen den Fluſs überschritten, um dann sich stromabwärts
wendend die Gallier in den Rücken zu fassen, die dem Haupt-
heer den Uebergang sperrten. Schon am Morgen des fünften
Tages nach der Ankunft an der Rhone, des dritten nach
Hannos Abmarsch stiegen in dieser Richtung Rauchsignale
auf, für Hannibal das sehnlich erwartete Zeichen zum Ueber-
gang. Eben als die Gallier, sehend daſs die feindliche Kahn-
flotte sich in Bewegung setze, das Ufer zu besetzen eilten,
loderte plötzlich ihr Lager hinter der Linie in Flammen auf
und also, überrascht und getheilt, vermochten sie weder dem
Angriff zu stehen noch dem Uebergang zu wehren und zer-
streuten sich in eiliger Flucht. — Scipio indeſs war beschäf-
tigt in Massalia Kriegsrathsitzungen über die geeignete Be-
setzung der Rhoneübergänge abzuhalten und, da er den galli-
schen Boten miſstraute, das rechte Rhoneufer durch eine
schwache römische Reiterabtheilung recognosciren zu lassen.
Als diese in die Gegend von Avignon kam, fand sie die ge-
sammte karthagische Armee schon auf dem rechten Rhoneufer
mit Ausnahme der Elephanten, mit deren Ueberführung man
eben beschäftigt war. Nachdem die Römer, um nur die Reco-
gnoscirung beendigen zu können, einigen karthagischen Schwa-
dronen ein hitziges Gefecht geliefert hatte — das erste, in dem
die Römer und Punier in diesem Kriege auf einander trafen —,
wandten sie sich eiligst zurück um im Hauptquartier Bericht
zu erstatten. Scipio brach nun Hals über Kopf mit all seinen
Truppen gegen Avignon auf; allein als er dort eintraf, war
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