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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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HAMILKAR UND HANNIBAL.
90000 Mann zu Fuss und 12000 Reiter, darunter etwa zwei Drit-
tel Africaner und ein Drittel Spanier -- die mitgeführten 37 Ele-
phanten mochten mehr bestimmt sein den Galliern zu imponiren
als zum ernstlichen Krieg. Hannibals Fussvolk war nicht mehr
wie das, welches Xanthippos führte, genöthigt sich hinter
einem Vorhang von Elephanten zu verbergen und Hannibal
einsichtig genug um dieser zweischneidigen Waffe, die eben
so oft die Niederlage des eigenen wie die des feindlichen
Heers entschied, sich nur sparsam und vorsichtig zu bedienen.
Mit diesem Heere brach der Feldherr im Frühling 536 von
Cartagena gegen den Ebro auf. Von den getroffenen Mass-
regeln, namentlich den mit den Kelten angeknüpften Verbin-
dungen und von den Mitteln und dem Ziel des Zuges liess er
die Soldaten soviel erfahren, dass auch der Gemeine, dessen
militärischen Instinct der lange Krieg entwickelt hatte, den
klaren Blick und die sichere Hand des Führers ahnte und
mit festem Vertrauen ihm in die unbekannte Weite folgte;
und die feurige Rede, in der er die Lage des Vaterlandes
und die Forderungen der Römer vor ihnen darlegte, die ge-
wisse Knechtung der theuren Heimath, das schmachvolle An-
sinnen der Auslieferung des geliebten Feldherrn und seines
Stabes, entflammte den Soldaten- und den Bürgersinn in den
Herzen aller.

Der römische Staat war in einer Verfassung, wie sie auch
in festgegründeten und einsichtigen Aristokratien wohl eintritt.
Was man wollte, wusste man wohl; es geschah auch manches,
aber nichts recht noch zur rechten Zeit. Längst hätte man
Herr der Alpenthore und mit den Kelten fertig sein können;
noch waren diese furchtbar und jene offen. Man hätte mit
Karthago entweder Freundschaft haben können, wenn man
den Frieden von 513 loyal einhielt, oder, wenn man das nicht
wollte, konnte Karthago längst gedemüthigt sein; jener Frieden
ward durch die Wegnahme Sardiniens thatsächlich gebrochen
und Karthagos Macht liess man zwanzig Jahre hindurch sich
ungestört regeneriren. Mit Makedonien Frieden zu halten war
nicht schwer; um geringen Gewinn hatte man diese Freund-
schaft verscherzt. An einem leitenden die Verhältnisse im Zusam-
menhang beherrschenden Staatsmann muss es gefehlt haben;
überall war entweder zu wenig geschehen oder zu viel. Nun be-
gann der Krieg, zu dem Zeit und Ort der Feind hatte bestimmen
können; und im Vollgefühl militärischer Ueberlegenheit war
man rathlos über Ziel und Gang der nächsten Operationen.

HAMILKAR UND HANNIBAL.
90000 Mann zu Fuſs und 12000 Reiter, darunter etwa zwei Drit-
tel Africaner und ein Drittel Spanier — die mitgeführten 37 Ele-
phanten mochten mehr bestimmt sein den Galliern zu imponiren
als zum ernstlichen Krieg. Hannibals Fuſsvolk war nicht mehr
wie das, welches Xanthippos führte, genöthigt sich hinter
einem Vorhang von Elephanten zu verbergen und Hannibal
einsichtig genug um dieser zweischneidigen Waffe, die eben
so oft die Niederlage des eigenen wie die des feindlichen
Heers entschied, sich nur sparsam und vorsichtig zu bedienen.
Mit diesem Heere brach der Feldherr im Frühling 536 von
Cartagena gegen den Ebro auf. Von den getroffenen Maſs-
regeln, namentlich den mit den Kelten angeknüpften Verbin-
dungen und von den Mitteln und dem Ziel des Zuges lieſs er
die Soldaten soviel erfahren, daſs auch der Gemeine, dessen
militärischen Instinct der lange Krieg entwickelt hatte, den
klaren Blick und die sichere Hand des Führers ahnte und
mit festem Vertrauen ihm in die unbekannte Weite folgte;
und die feurige Rede, in der er die Lage des Vaterlandes
und die Forderungen der Römer vor ihnen darlegte, die ge-
wisse Knechtung der theuren Heimath, das schmachvolle An-
sinnen der Auslieferung des geliebten Feldherrn und seines
Stabes, entflammte den Soldaten- und den Bürgersinn in den
Herzen aller.

Der römische Staat war in einer Verfassung, wie sie auch
in festgegründeten und einsichtigen Aristokratien wohl eintritt.
Was man wollte, wuſste man wohl; es geschah auch manches,
aber nichts recht noch zur rechten Zeit. Längst hätte man
Herr der Alpenthore und mit den Kelten fertig sein können;
noch waren diese furchtbar und jene offen. Man hätte mit
Karthago entweder Freundschaft haben können, wenn man
den Frieden von 513 loyal einhielt, oder, wenn man das nicht
wollte, konnte Karthago längst gedemüthigt sein; jener Frieden
ward durch die Wegnahme Sardiniens thatsächlich gebrochen
und Karthagos Macht lieſs man zwanzig Jahre hindurch sich
ungestört regeneriren. Mit Makedonien Frieden zu halten war
nicht schwer; um geringen Gewinn hatte man diese Freund-
schaft verscherzt. An einem leitenden die Verhältnisse im Zusam-
menhang beherrschenden Staatsmann muſs es gefehlt haben;
überall war entweder zu wenig geschehen oder zu viel. Nun be-
gann der Krieg, zu dem Zeit und Ort der Feind hatte bestimmen
können; und im Vollgefühl militärischer Ueberlegenheit war
man rathlos über Ziel und Gang der nächsten Operationen.

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[395/0409] HAMILKAR UND HANNIBAL. 90000 Mann zu Fuſs und 12000 Reiter, darunter etwa zwei Drit- tel Africaner und ein Drittel Spanier — die mitgeführten 37 Ele- phanten mochten mehr bestimmt sein den Galliern zu imponiren als zum ernstlichen Krieg. Hannibals Fuſsvolk war nicht mehr wie das, welches Xanthippos führte, genöthigt sich hinter einem Vorhang von Elephanten zu verbergen und Hannibal einsichtig genug um dieser zweischneidigen Waffe, die eben so oft die Niederlage des eigenen wie die des feindlichen Heers entschied, sich nur sparsam und vorsichtig zu bedienen. Mit diesem Heere brach der Feldherr im Frühling 536 von Cartagena gegen den Ebro auf. Von den getroffenen Maſs- regeln, namentlich den mit den Kelten angeknüpften Verbin- dungen und von den Mitteln und dem Ziel des Zuges lieſs er die Soldaten soviel erfahren, daſs auch der Gemeine, dessen militärischen Instinct der lange Krieg entwickelt hatte, den klaren Blick und die sichere Hand des Führers ahnte und mit festem Vertrauen ihm in die unbekannte Weite folgte; und die feurige Rede, in der er die Lage des Vaterlandes und die Forderungen der Römer vor ihnen darlegte, die ge- wisse Knechtung der theuren Heimath, das schmachvolle An- sinnen der Auslieferung des geliebten Feldherrn und seines Stabes, entflammte den Soldaten- und den Bürgersinn in den Herzen aller. Der römische Staat war in einer Verfassung, wie sie auch in festgegründeten und einsichtigen Aristokratien wohl eintritt. Was man wollte, wuſste man wohl; es geschah auch manches, aber nichts recht noch zur rechten Zeit. Längst hätte man Herr der Alpenthore und mit den Kelten fertig sein können; noch waren diese furchtbar und jene offen. Man hätte mit Karthago entweder Freundschaft haben können, wenn man den Frieden von 513 loyal einhielt, oder, wenn man das nicht wollte, konnte Karthago längst gedemüthigt sein; jener Frieden ward durch die Wegnahme Sardiniens thatsächlich gebrochen und Karthagos Macht lieſs man zwanzig Jahre hindurch sich ungestört regeneriren. Mit Makedonien Frieden zu halten war nicht schwer; um geringen Gewinn hatte man diese Freund- schaft verscherzt. An einem leitenden die Verhältnisse im Zusam- menhang beherrschenden Staatsmann muſs es gefehlt haben; überall war entweder zu wenig geschehen oder zu viel. Nun be- gann der Krieg, zu dem Zeit und Ort der Feind hatte bestimmen können; und im Vollgefühl militärischer Ueberlegenheit war man rathlos über Ziel und Gang der nächsten Operationen.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/409>, abgerufen am 23.11.2024.