Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite
DRITTES BUCH. KAPITEL IV.

Hannibal, der durch den hartnäckigen Widerstand der Sa-
guntiner ein volles Jahr verloren hatte, war für den Winter 535/6
wie gewöhnlich zurückgegangen nach Cartagena, um alles theils
zum Angriff vorzubereiten, theils zur Vertheidigung von Spanien
und Africa; denn da er wie sein Vater und sein Schwager den
Oberbefehl in beiden Gebieten führte, lag es ihm ob auch zum
Schutz der Heimath die Anstalten zu treffen. Die gesammte
Masse seiner Streitkräfte betrug ungefähr 120000 Mann zu Fuss,
16000 zu Pferd; ferner 58 Elephanten und 32 bemannte, 18 un-
bemannte Fünfdecker ausser den in der Hauptstadt befindlichen
Elephanten und Schiffen. Die Truppen bestanden ausser weni-
gen punischen Schwadronen im Wesentlichen aus den zum
Dienst ausgehobenen karthagischen Unterthanen, Libyern und
Spaniern. Der Treue der letztern sich zu versichern gab der
menschenkundige Feldherr ihnen ein Zeichen des Vertrauens,
allgemeinen Urlaub während des ganzen Winters; den Libyern
versprach der Feldherr, der den engherzig punischen Sonder-
patriotismus nicht theilte, eidlich das karthagische Bürgerrecht,
wenn sie als Sieger nach Africa zurückkehren würden. Mit
Ausnahme weniger Ligurer unter den leichten Truppen fehlten
fremde Söldner in diesem karthagischen Heere ganz. Von die-
sen Truppen verwandte der Oberfeldherr etwa 20000 Mann
zur Besetzung von Africa, davon der kleinere Theil nach der
Hauptstadt und dem eigentlich punischen Gebiet, der grössere
an die westliche Spitze von Africa gelegt ward. Zur Deckung
von Spanien blieben 12000 Mann zu Fuss zurück nebst 2500
Pferden und fast der Hälfte der Elephanten, ausserdem die
dort stationirte Flotte; den Oberbefehl und das Regiment
übernahm hier Hannibals jüngerer Bruder Hasdrubal. Das
unmittelbar karthagische Gebiet ward verhältnissmässig schwach
besetzt, da die Hauptstadt im Nothfall Hülfsmittel genug bot;
ebenso genügte für Spanien, wo neue Aushebungen sich mit
Leichtigkeit veranstalten liessen, für jetzt eine mässige Zahl von
Fusssoldaten, während dagegen ein verhältnissmässig starker Theil
der eigentlich africanischen Waffen, der Pferde und Elephan-
ten dort zurückblieb. Die Hauptsorgfalt wurde darauf gewendet
die Verbindungen zwischen Spanien und Africa zu sichern,
wesshalb in Spanien die Flotte blieb und Westafrica von einer
sehr starken Truppenmasse gehütet ward. Für die Treue der
Truppen bürgte, ausser den in dem festen Sagunt versammelten
Geisseln der spanischen Gemeinden, die Verlegung der Soldaten
ausserhalb ihrer Aushebungsbezirke, indem die ostafricanische

DRITTES BUCH. KAPITEL IV.

Hannibal, der durch den hartnäckigen Widerstand der Sa-
guntiner ein volles Jahr verloren hatte, war für den Winter 535/6
wie gewöhnlich zurückgegangen nach Cartagena, um alles theils
zum Angriff vorzubereiten, theils zur Vertheidigung von Spanien
und Africa; denn da er wie sein Vater und sein Schwager den
Oberbefehl in beiden Gebieten führte, lag es ihm ob auch zum
Schutz der Heimath die Anstalten zu treffen. Die gesammte
Masse seiner Streitkräfte betrug ungefähr 120000 Mann zu Fuss,
16000 zu Pferd; ferner 58 Elephanten und 32 bemannte, 18 un-
bemannte Fünfdecker auſser den in der Hauptstadt befindlichen
Elephanten und Schiffen. Die Truppen bestanden auſser weni-
gen punischen Schwadronen im Wesentlichen aus den zum
Dienst ausgehobenen karthagischen Unterthanen, Libyern und
Spaniern. Der Treue der letztern sich zu versichern gab der
menschenkundige Feldherr ihnen ein Zeichen des Vertrauens,
allgemeinen Urlaub während des ganzen Winters; den Libyern
versprach der Feldherr, der den engherzig punischen Sonder-
patriotismus nicht theilte, eidlich das karthagische Bürgerrecht,
wenn sie als Sieger nach Africa zurückkehren würden. Mit
Ausnahme weniger Ligurer unter den leichten Truppen fehlten
fremde Söldner in diesem karthagischen Heere ganz. Von die-
sen Truppen verwandte der Oberfeldherr etwa 20000 Mann
zur Besetzung von Africa, davon der kleinere Theil nach der
Hauptstadt und dem eigentlich punischen Gebiet, der gröſsere
an die westliche Spitze von Africa gelegt ward. Zur Deckung
von Spanien blieben 12000 Mann zu Fuſs zurück nebst 2500
Pferden und fast der Hälfte der Elephanten, auſserdem die
dort stationirte Flotte; den Oberbefehl und das Regiment
übernahm hier Hannibals jüngerer Bruder Hasdrubal. Das
unmittelbar karthagische Gebiet ward verhältniſsmäſsig schwach
besetzt, da die Hauptstadt im Nothfall Hülfsmittel genug bot;
ebenso genügte für Spanien, wo neue Aushebungen sich mit
Leichtigkeit veranstalten lieſsen, für jetzt eine mäſsige Zahl von
Fuſssoldaten, während dagegen ein verhältniſsmäſsig starker Theil
der eigentlich africanischen Waffen, der Pferde und Elephan-
ten dort zurückblieb. Die Hauptsorgfalt wurde darauf gewendet
die Verbindungen zwischen Spanien und Africa zu sichern,
weſshalb in Spanien die Flotte blieb und Westafrica von einer
sehr starken Truppenmasse gehütet ward. Für die Treue der
Truppen bürgte, auſser den in dem festen Sagunt versammelten
Geiſseln der spanischen Gemeinden, die Verlegung der Soldaten
auſserhalb ihrer Aushebungsbezirke, indem die ostafricanische

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0406" n="392"/>
          <fw place="top" type="header">DRITTES BUCH. KAPITEL IV.</fw><lb/>
          <p>Hannibal, der durch den hartnäckigen Widerstand der Sa-<lb/>
guntiner ein volles Jahr verloren hatte, war für den Winter 535/6<lb/>
wie gewöhnlich zurückgegangen nach Cartagena, um alles theils<lb/>
zum Angriff vorzubereiten, theils zur Vertheidigung von Spanien<lb/>
und Africa; denn da er wie sein Vater und sein Schwager den<lb/>
Oberbefehl in beiden Gebieten führte, lag es ihm ob auch zum<lb/>
Schutz der Heimath die Anstalten zu treffen. Die gesammte<lb/>
Masse seiner Streitkräfte betrug ungefähr 120000 Mann zu Fuss,<lb/>
16000 zu Pferd; ferner 58 Elephanten und 32 bemannte, 18 un-<lb/>
bemannte Fünfdecker au&#x017F;ser den in der Hauptstadt befindlichen<lb/>
Elephanten und Schiffen. Die Truppen bestanden au&#x017F;ser weni-<lb/>
gen punischen Schwadronen im Wesentlichen aus den zum<lb/>
Dienst ausgehobenen karthagischen Unterthanen, Libyern und<lb/>
Spaniern. Der Treue der letztern sich zu versichern gab der<lb/>
menschenkundige Feldherr ihnen ein Zeichen des Vertrauens,<lb/>
allgemeinen Urlaub während des ganzen Winters; den Libyern<lb/>
versprach der Feldherr, der den engherzig punischen Sonder-<lb/>
patriotismus nicht theilte, eidlich das karthagische Bürgerrecht,<lb/>
wenn sie als Sieger nach Africa zurückkehren würden. Mit<lb/>
Ausnahme weniger Ligurer unter den leichten Truppen fehlten<lb/>
fremde Söldner in diesem karthagischen Heere ganz. Von die-<lb/>
sen Truppen verwandte der Oberfeldherr etwa 20000 Mann<lb/>
zur Besetzung von Africa, davon der kleinere Theil nach der<lb/>
Hauptstadt und dem eigentlich punischen Gebiet, der grö&#x017F;sere<lb/>
an die westliche Spitze von Africa gelegt ward. Zur Deckung<lb/>
von Spanien blieben 12000 Mann zu Fu&#x017F;s zurück nebst 2500<lb/>
Pferden und fast der Hälfte der Elephanten, au&#x017F;serdem die<lb/>
dort stationirte Flotte; den Oberbefehl und das Regiment<lb/>
übernahm hier Hannibals jüngerer Bruder Hasdrubal. Das<lb/>
unmittelbar karthagische Gebiet ward verhältni&#x017F;smä&#x017F;sig schwach<lb/>
besetzt, da die Hauptstadt im Nothfall Hülfsmittel genug bot;<lb/>
ebenso genügte für Spanien, wo neue Aushebungen sich mit<lb/>
Leichtigkeit veranstalten lie&#x017F;sen, für jetzt eine mä&#x017F;sige Zahl von<lb/>
Fu&#x017F;ssoldaten, während dagegen ein verhältni&#x017F;smä&#x017F;sig starker Theil<lb/>
der eigentlich africanischen Waffen, der Pferde und Elephan-<lb/>
ten dort zurückblieb. Die Hauptsorgfalt wurde darauf gewendet<lb/>
die Verbindungen zwischen Spanien und Africa zu sichern,<lb/>
we&#x017F;shalb in Spanien die Flotte blieb und Westafrica von einer<lb/>
sehr starken Truppenmasse gehütet ward. Für die Treue der<lb/>
Truppen bürgte, au&#x017F;ser den in dem festen Sagunt versammelten<lb/>
Gei&#x017F;seln der spanischen Gemeinden, die Verlegung der Soldaten<lb/>
au&#x017F;serhalb ihrer Aushebungsbezirke, indem die ostafricanische<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[392/0406] DRITTES BUCH. KAPITEL IV. Hannibal, der durch den hartnäckigen Widerstand der Sa- guntiner ein volles Jahr verloren hatte, war für den Winter 535/6 wie gewöhnlich zurückgegangen nach Cartagena, um alles theils zum Angriff vorzubereiten, theils zur Vertheidigung von Spanien und Africa; denn da er wie sein Vater und sein Schwager den Oberbefehl in beiden Gebieten führte, lag es ihm ob auch zum Schutz der Heimath die Anstalten zu treffen. Die gesammte Masse seiner Streitkräfte betrug ungefähr 120000 Mann zu Fuss, 16000 zu Pferd; ferner 58 Elephanten und 32 bemannte, 18 un- bemannte Fünfdecker auſser den in der Hauptstadt befindlichen Elephanten und Schiffen. Die Truppen bestanden auſser weni- gen punischen Schwadronen im Wesentlichen aus den zum Dienst ausgehobenen karthagischen Unterthanen, Libyern und Spaniern. Der Treue der letztern sich zu versichern gab der menschenkundige Feldherr ihnen ein Zeichen des Vertrauens, allgemeinen Urlaub während des ganzen Winters; den Libyern versprach der Feldherr, der den engherzig punischen Sonder- patriotismus nicht theilte, eidlich das karthagische Bürgerrecht, wenn sie als Sieger nach Africa zurückkehren würden. Mit Ausnahme weniger Ligurer unter den leichten Truppen fehlten fremde Söldner in diesem karthagischen Heere ganz. Von die- sen Truppen verwandte der Oberfeldherr etwa 20000 Mann zur Besetzung von Africa, davon der kleinere Theil nach der Hauptstadt und dem eigentlich punischen Gebiet, der gröſsere an die westliche Spitze von Africa gelegt ward. Zur Deckung von Spanien blieben 12000 Mann zu Fuſs zurück nebst 2500 Pferden und fast der Hälfte der Elephanten, auſserdem die dort stationirte Flotte; den Oberbefehl und das Regiment übernahm hier Hannibals jüngerer Bruder Hasdrubal. Das unmittelbar karthagische Gebiet ward verhältniſsmäſsig schwach besetzt, da die Hauptstadt im Nothfall Hülfsmittel genug bot; ebenso genügte für Spanien, wo neue Aushebungen sich mit Leichtigkeit veranstalten lieſsen, für jetzt eine mäſsige Zahl von Fuſssoldaten, während dagegen ein verhältniſsmäſsig starker Theil der eigentlich africanischen Waffen, der Pferde und Elephan- ten dort zurückblieb. Die Hauptsorgfalt wurde darauf gewendet die Verbindungen zwischen Spanien und Africa zu sichern, weſshalb in Spanien die Flotte blieb und Westafrica von einer sehr starken Truppenmasse gehütet ward. Für die Treue der Truppen bürgte, auſser den in dem festen Sagunt versammelten Geiſseln der spanischen Gemeinden, die Verlegung der Soldaten auſserhalb ihrer Aushebungsbezirke, indem die ostafricanische

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/406
Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/406>, abgerufen am 23.11.2024.