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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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ITALIENS NATUERLICHE GRENZEN.
stand im Kampf wie die Rückzugslinie angewiesen auf die
unsichere Freundschaft der Cenomanen. Indess es gab keine
Wahl. Man zog die Gallier auf das linke Ufer des Flusses;
auf dem rechten, den Insubrern gegenüber, stellte man die
Legionen auf und brach die Brücken ab, um nicht von den
unsichern Bundesgenossen im Rücken angefallen zu werden.
Also schnitt der Fluss den Rückzug ab und ging der Weg zur
Heimath durch das feindliche Heer. Die Ueberlegenheit der
römischen Waffen und der römischen Disciplin erfocht den
Sieg und das Heer schlug sich durch; wieder einmal hatte
die römische Taktik die strategischen Fehler gut gemacht.
Der Sieg gehörte den Soldaten und Offizieren, nicht den
Feldherrn, die nur gegen den gerechten Beschluss des Senats
durch Volksgunst triumphirten. Gern hätten die Insubrer
Frieden gemacht; aber Rom forderte unbedingte Unterwer-
fung, und so weit war man noch nicht. Sie versuchten sich
mit Hülfe der nördlichen Stammgenossen zu halten und mit
30000 von ihnen geworbener Söldner derselben und ihrer ei-
genen Landwehr empfingen sie die beiden im folgenden Jahr
(532) abermals aus dem cenomanischen Gebiet in das ihrige
einrückenden consularischen Heere. Es gab noch manches
harte Gefecht; bei einer Diversion, welche die Insubrer gegen
die römische Festung Clastidium am rechten Poufer versuch-
ten, fiel der gallische König Virdumarus von der Hand des
Consuls Marcus Marcellus. Allein nach einer halb von den
Kelten schon gewonnenen, aber endlich doch für die Römer
entschiedenen Schlacht erstürmte der Consul Gnaeus Scipio
die Hauptstadt der Insubrer Mediolanum, und die Einnahme
dieser und der Stadt Comum machte der Gegenwehr ein Ende.
Damit waren die italischen Kelten vollständig besiegt und der
Gnade eines Siegers preisgegeben, der in ihnen die National-
feinde und die Usurpatoren seines Erbes sah. Es zeigt von
dem losen Zusammenhang der keltischen Nation, dass keiner
der nördlichen Stämme ausser um Gold sich der Stammge-
nossen und Vorposten annahm. Wie eben vorher die Römer
den Hellenen im Piratenkrieg gezeigt hatten, welcher Unter-
schied bestehe zwischen römischen und griechischen Flotten,
so hatten sie jetzt glänzend bewiesen, dass Rom Italiens Pfor-
ten anders gegen den Landraub zu wahren wusste als Ma-
kedonien die Thore Griechenlands und dass trotz allen inne-
ren Haders Italien dem Nationalfeinde gegenüber ebenso einig
dastand wie Griechenland zerrissen. -- Die Alpengrenze war

ITALIENS NATUERLICHE GRENZEN.
stand im Kampf wie die Rückzugslinie angewiesen auf die
unsichere Freundschaft der Cenomanen. Indeſs es gab keine
Wahl. Man zog die Gallier auf das linke Ufer des Flusses;
auf dem rechten, den Insubrern gegenüber, stellte man die
Legionen auf und brach die Brücken ab, um nicht von den
unsichern Bundesgenossen im Rücken angefallen zu werden.
Also schnitt der Fluſs den Rückzug ab und ging der Weg zur
Heimath durch das feindliche Heer. Die Ueberlegenheit der
römischen Waffen und der römischen Disciplin erfocht den
Sieg und das Heer schlug sich durch; wieder einmal hatte
die römische Taktik die strategischen Fehler gut gemacht.
Der Sieg gehörte den Soldaten und Offizieren, nicht den
Feldherrn, die nur gegen den gerechten Beschluſs des Senats
durch Volksgunst triumphirten. Gern hätten die Insubrer
Frieden gemacht; aber Rom forderte unbedingte Unterwer-
fung, und so weit war man noch nicht. Sie versuchten sich
mit Hülfe der nördlichen Stammgenossen zu halten und mit
30000 von ihnen geworbener Söldner derselben und ihrer ei-
genen Landwehr empfingen sie die beiden im folgenden Jahr
(532) abermals aus dem cenomanischen Gebiet in das ihrige
einrückenden consularischen Heere. Es gab noch manches
harte Gefecht; bei einer Diversion, welche die Insubrer gegen
die römische Festung Clastidium am rechten Poufer versuch-
ten, fiel der gallische König Virdumarus von der Hand des
Consuls Marcus Marcellus. Allein nach einer halb von den
Kelten schon gewonnenen, aber endlich doch für die Römer
entschiedenen Schlacht erstürmte der Consul Gnaeus Scipio
die Hauptstadt der Insubrer Mediolanum, und die Einnahme
dieser und der Stadt Comum machte der Gegenwehr ein Ende.
Damit waren die italischen Kelten vollständig besiegt und der
Gnade eines Siegers preisgegeben, der in ihnen die National-
feinde und die Usurpatoren seines Erbes sah. Es zeigt von
dem losen Zusammenhang der keltischen Nation, daſs keiner
der nördlichen Stämme auſser um Gold sich der Stammge-
nossen und Vorposten annahm. Wie eben vorher die Römer
den Hellenen im Piratenkrieg gezeigt hatten, welcher Unter-
schied bestehe zwischen römischen und griechischen Flotten,
so hatten sie jetzt glänzend bewiesen, daſs Rom Italiens Pfor-
ten anders gegen den Landraub zu wahren wuſste als Ma-
kedonien die Thore Griechenlands und daſs trotz allen inne-
ren Haders Italien dem Nationalfeinde gegenüber ebenso einig
dastand wie Griechenland zerrissen. — Die Alpengrenze war

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[377/0391] ITALIENS NATUERLICHE GRENZEN. stand im Kampf wie die Rückzugslinie angewiesen auf die unsichere Freundschaft der Cenomanen. Indeſs es gab keine Wahl. Man zog die Gallier auf das linke Ufer des Flusses; auf dem rechten, den Insubrern gegenüber, stellte man die Legionen auf und brach die Brücken ab, um nicht von den unsichern Bundesgenossen im Rücken angefallen zu werden. Also schnitt der Fluſs den Rückzug ab und ging der Weg zur Heimath durch das feindliche Heer. Die Ueberlegenheit der römischen Waffen und der römischen Disciplin erfocht den Sieg und das Heer schlug sich durch; wieder einmal hatte die römische Taktik die strategischen Fehler gut gemacht. Der Sieg gehörte den Soldaten und Offizieren, nicht den Feldherrn, die nur gegen den gerechten Beschluſs des Senats durch Volksgunst triumphirten. Gern hätten die Insubrer Frieden gemacht; aber Rom forderte unbedingte Unterwer- fung, und so weit war man noch nicht. Sie versuchten sich mit Hülfe der nördlichen Stammgenossen zu halten und mit 30000 von ihnen geworbener Söldner derselben und ihrer ei- genen Landwehr empfingen sie die beiden im folgenden Jahr (532) abermals aus dem cenomanischen Gebiet in das ihrige einrückenden consularischen Heere. Es gab noch manches harte Gefecht; bei einer Diversion, welche die Insubrer gegen die römische Festung Clastidium am rechten Poufer versuch- ten, fiel der gallische König Virdumarus von der Hand des Consuls Marcus Marcellus. Allein nach einer halb von den Kelten schon gewonnenen, aber endlich doch für die Römer entschiedenen Schlacht erstürmte der Consul Gnaeus Scipio die Hauptstadt der Insubrer Mediolanum, und die Einnahme dieser und der Stadt Comum machte der Gegenwehr ein Ende. Damit waren die italischen Kelten vollständig besiegt und der Gnade eines Siegers preisgegeben, der in ihnen die National- feinde und die Usurpatoren seines Erbes sah. Es zeigt von dem losen Zusammenhang der keltischen Nation, daſs keiner der nördlichen Stämme auſser um Gold sich der Stammge- nossen und Vorposten annahm. Wie eben vorher die Römer den Hellenen im Piratenkrieg gezeigt hatten, welcher Unter- schied bestehe zwischen römischen und griechischen Flotten, so hatten sie jetzt glänzend bewiesen, daſs Rom Italiens Pfor- ten anders gegen den Landraub zu wahren wuſste als Ma- kedonien die Thore Griechenlands und daſs trotz allen inne- ren Haders Italien dem Nationalfeinde gegenüber ebenso einig dastand wie Griechenland zerrissen. — Die Alpengrenze war

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/391>, abgerufen am 23.11.2024.