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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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ITALIENS NATUERLICHE GRENZEN.
diese dem Ruf gefolgt und im Jahre 518 lagerte ein Kelten-
heer vor Ariminum, wie Italien es lange nicht gesehen hatte.
Die Römer, für den Augenblick dort viel zu schwach um die
Schlacht zu versuchen, schlossen Waffenstillstand und liessen
um Zeit zu gewinnen Boten der Kelten nach Rom gehen, die
im Senat die Abtretung von Ariminum zu fordern wagten. Es
schien, als sollten die Zeiten des Brennus wiederkehren, als
ein unvermutheter Zwischenfall dem Krieg ein Ende machte,
bevor er noch recht begonnen hatte. Die Boier, unzufrieden
mit den ungebetenen Bundesgenossen und wohl für ihr eigenes
Gebiet fürchtend, geriethen in Händel mit den Transalpinern;
es kam zwischen den beiden Keltenheeren zu offener Feld-
schlacht und nachdem die boiischen Häuptlinge von ihren eige-
nen Leuten erschlagen waren, kehrten die Transalpiner heim.
Damit waren die Boier den Römern in die Hände gegeben
und es hing nur von diesen ab sie auszutreiben gleich den
Senonen und wenigstens bis an den Po vorzudringen; allein
sie begnügten sich mit der Abtretung einiger Landstriche und
gaben den Boiern Frieden (518). Es mag das geschehen
sein, weil man eben damals den Wiederausbruch des Krieges
mit Karthago erwartete; gewiss ist es, dass die Römer sich
nicht beeilten die Occupation des Landes bis an die Alpen
vorzunehmen, obwohl die beständigen Besorgnisse der Kelten
vor solcher römischen Invasion von den Absichten der Römer
hinreichend zeugen. Endlich waren es nicht diese, sondern
die Kelten, die den Krieg begannen, sei es, dass die Ackerver-
theilungen an der römischen Ostküste (522), obwohl zunächst
nicht gegen sie gerichtet, sie besorgt gemacht hatten, sei es,
dass sie die Unvermeidlichkeit eines Krieges mit Rom um den
Besitz der Lombardei begriffen, sei es, was vielleicht das
Wahrscheinlichste ist, dass das Keltenvolk wieder einmal des
Sitzens müde war und eine neue Heerfahrt zu rüsten be-
liebte. Mit Ausschluss der Cenomanen, die mit den Venetern
hielten und sich für die Römer erklärten, traten sämmtliche
italische Kelten zusammen und ihnen schlossen sich unter
den Führern Concolitanus und Aneroestus zahlreich die Kel-
ten des obern Rhonethals oder vielmehr deren Reisläufer, die
Gaesaten oder Germanen an; welcher letztere Name hier zum
erstenmal in der Geschichte erscheint *. Mit 50000 zu Fuss

* Dieselben, die Polybios bezeichnet als ,die Kelten in den Alpen und
an der Rhone, die man wegen ihrer Reisläuferei Gaesaten (Lanzknechte)
nenne', werden in den gleichzeitigen römischen Aufzeichnungen Germani

ITALIENS NATUERLICHE GRENZEN.
diese dem Ruf gefolgt und im Jahre 518 lagerte ein Kelten-
heer vor Ariminum, wie Italien es lange nicht gesehen hatte.
Die Römer, für den Augenblick dort viel zu schwach um die
Schlacht zu versuchen, schlossen Waffenstillstand und lieſsen
um Zeit zu gewinnen Boten der Kelten nach Rom gehen, die
im Senat die Abtretung von Ariminum zu fordern wagten. Es
schien, als sollten die Zeiten des Brennus wiederkehren, als
ein unvermutheter Zwischenfall dem Krieg ein Ende machte,
bevor er noch recht begonnen hatte. Die Boier, unzufrieden
mit den ungebetenen Bundesgenossen und wohl für ihr eigenes
Gebiet fürchtend, geriethen in Händel mit den Transalpinern;
es kam zwischen den beiden Keltenheeren zu offener Feld-
schlacht und nachdem die boiischen Häuptlinge von ihren eige-
nen Leuten erschlagen waren, kehrten die Transalpiner heim.
Damit waren die Boier den Römern in die Hände gegeben
und es hing nur von diesen ab sie auszutreiben gleich den
Senonen und wenigstens bis an den Po vorzudringen; allein
sie begnügten sich mit der Abtretung einiger Landstriche und
gaben den Boiern Frieden (518). Es mag das geschehen
sein, weil man eben damals den Wiederausbruch des Krieges
mit Karthago erwartete; gewiſs ist es, daſs die Römer sich
nicht beeilten die Occupation des Landes bis an die Alpen
vorzunehmen, obwohl die beständigen Besorgnisse der Kelten
vor solcher römischen Invasion von den Absichten der Römer
hinreichend zeugen. Endlich waren es nicht diese, sondern
die Kelten, die den Krieg begannen, sei es, daſs die Ackerver-
theilungen an der römischen Ostküste (522), obwohl zunächst
nicht gegen sie gerichtet, sie besorgt gemacht hatten, sei es,
daſs sie die Unvermeidlichkeit eines Krieges mit Rom um den
Besitz der Lombardei begriffen, sei es, was vielleicht das
Wahrscheinlichste ist, daſs das Keltenvolk wieder einmal des
Sitzens müde war und eine neue Heerfahrt zu rüsten be-
liebte. Mit Ausschluſs der Cenomanen, die mit den Venetern
hielten und sich für die Römer erklärten, traten sämmtliche
italische Kelten zusammen und ihnen schlossen sich unter
den Führern Concolitanus und Aneroestus zahlreich die Kel-
ten des obern Rhonethals oder vielmehr deren Reisläufer, die
Gaesaten oder Germanen an; welcher letztere Name hier zum
erstenmal in der Geschichte erscheint *. Mit 50000 zu Fuſs

* Dieselben, die Polybios bezeichnet als ‚die Kelten in den Alpen und
an der Rhone, die man wegen ihrer Reisläuferei Gaesaten (Lanzknechte)
nenne‘, werden in den gleichzeitigen römischen Aufzeichnungen Germani
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[373/0387] ITALIENS NATUERLICHE GRENZEN. diese dem Ruf gefolgt und im Jahre 518 lagerte ein Kelten- heer vor Ariminum, wie Italien es lange nicht gesehen hatte. Die Römer, für den Augenblick dort viel zu schwach um die Schlacht zu versuchen, schlossen Waffenstillstand und lieſsen um Zeit zu gewinnen Boten der Kelten nach Rom gehen, die im Senat die Abtretung von Ariminum zu fordern wagten. Es schien, als sollten die Zeiten des Brennus wiederkehren, als ein unvermutheter Zwischenfall dem Krieg ein Ende machte, bevor er noch recht begonnen hatte. Die Boier, unzufrieden mit den ungebetenen Bundesgenossen und wohl für ihr eigenes Gebiet fürchtend, geriethen in Händel mit den Transalpinern; es kam zwischen den beiden Keltenheeren zu offener Feld- schlacht und nachdem die boiischen Häuptlinge von ihren eige- nen Leuten erschlagen waren, kehrten die Transalpiner heim. Damit waren die Boier den Römern in die Hände gegeben und es hing nur von diesen ab sie auszutreiben gleich den Senonen und wenigstens bis an den Po vorzudringen; allein sie begnügten sich mit der Abtretung einiger Landstriche und gaben den Boiern Frieden (518). Es mag das geschehen sein, weil man eben damals den Wiederausbruch des Krieges mit Karthago erwartete; gewiſs ist es, daſs die Römer sich nicht beeilten die Occupation des Landes bis an die Alpen vorzunehmen, obwohl die beständigen Besorgnisse der Kelten vor solcher römischen Invasion von den Absichten der Römer hinreichend zeugen. Endlich waren es nicht diese, sondern die Kelten, die den Krieg begannen, sei es, daſs die Ackerver- theilungen an der römischen Ostküste (522), obwohl zunächst nicht gegen sie gerichtet, sie besorgt gemacht hatten, sei es, daſs sie die Unvermeidlichkeit eines Krieges mit Rom um den Besitz der Lombardei begriffen, sei es, was vielleicht das Wahrscheinlichste ist, daſs das Keltenvolk wieder einmal des Sitzens müde war und eine neue Heerfahrt zu rüsten be- liebte. Mit Ausschluſs der Cenomanen, die mit den Venetern hielten und sich für die Römer erklärten, traten sämmtliche italische Kelten zusammen und ihnen schlossen sich unter den Führern Concolitanus und Aneroestus zahlreich die Kel- ten des obern Rhonethals oder vielmehr deren Reisläufer, die Gaesaten oder Germanen an; welcher letztere Name hier zum erstenmal in der Geschichte erscheint *. Mit 50000 zu Fuſs * Dieselben, die Polybios bezeichnet als ‚die Kelten in den Alpen und an der Rhone, die man wegen ihrer Reisläuferei Gaesaten (Lanzknechte) nenne‘, werden in den gleichzeitigen römischen Aufzeichnungen Germani

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/387>, abgerufen am 23.11.2024.