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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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ITALIENS NATUERLICHE GRENZEN.
delsstädte, sahen in den Römern ihre Retter und thaten ohne
Zweifel was sie konnten sich des mächtigen Schutzes dauernd
zu versichern; im eigentlichen Hellas war nicht bloss Niemand
im Stande zu widersprechen, sondern das Lob der Befreier
auf allen Lippen. Man kann fragen, ob der Jubel in Hellas
grösser war oder die Scham, als statt der zehn Linienschiffe
der achaeischen Eidgenossenschaft, der streitbarsten Macht
Griechenlands, jetzt zweihundert Segel der Barbaren in ihre
Häfen einliefen und mit einem Schlage die Aufgabe lösten,
die den Griechen zukam und an der diese so kläglich ge-
scheitert waren. Aber wenn man sich schämte, dass die Ret-
tung den bedrängten Landsleuten vom Ausland hatte kommen
müssen, so geschah es wenigstens mit guter Manier; man
säumte nicht die Römer durch Zulassung zu den isthmischen
Spielen und den eleusinischen Mysterien feierlich aufzunehmen
in den hellenischen Nationalverband. -- Makedonien schwieg;
es war nicht in der Verfassung mit den Waffen zu protestiren
und verschmähte es mit Worten zu thun. Widerstand fand
sich nirgends; aber nichtsdestoweniger hatte Rom, indem es
die Schlüssel zum Hause des Nachbarn an sich nahm, in ihm
sich einen Gegner geschaffen, von dem, wenn er wieder zu
Kräften oder eine günstige Gelegenheit ihm vorkam, sich er-
warten liess, dass er sein Schweigen zu brechen wissen werde.
Hätte der kräftige und besonnene König Antigonos Doson län-
ger gelebt, so würde wohl schon er den hingeworfenen Hand-
schuh aufgehoben haben; denn als einige Jahre später der
Dynast Demetrios von Pharos sich der römischen Hegemonie
entzog, im Einverständniss mit den Istriern vertragswidrig
Seeraub trieb und die von den Römern für unabhängig er-
klärten Atintanen sich unterwarf, machte Antigonos Bündniss
mit ihm und Demetrios Truppen fochten mit in Antigonos
Heer in der Schlacht bei Sellasia (533). Allein Antigonos
starb (Winter 533/4); sein Nachfolger Philippos, noch ein
Knabe, liess es geschehen, dass der Consul Lucius Aemilius
Paullus den Verbündeten Makedoniens angriff, seine Hauptstadt
zerstörte und ihn landflüchtig aus seinem Reiche trieb (535).

Auf dem Festland von Italien war tiefer Friede seit dem
Fall von Tarent; der sechstägige Krieg mit Falerii (513) ist
kaum etwas mehr als eine Curiosität. Aber gegen Norden
dehnte zwischen dem Gebiet der Eidgenossenschaft und der
Naturgrenze Italiens, der Alpenkette noch eine weite Strecke
sich aus, die den Römern nicht unbedingt gehorchte. Jenseits

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ITALIENS NATUERLICHE GRENZEN.
delsstädte, sahen in den Römern ihre Retter und thaten ohne
Zweifel was sie konnten sich des mächtigen Schutzes dauernd
zu versichern; im eigentlichen Hellas war nicht bloſs Niemand
im Stande zu widersprechen, sondern das Lob der Befreier
auf allen Lippen. Man kann fragen, ob der Jubel in Hellas
gröſser war oder die Scham, als statt der zehn Linienschiffe
der achaeischen Eidgenossenschaft, der streitbarsten Macht
Griechenlands, jetzt zweihundert Segel der Barbaren in ihre
Häfen einliefen und mit einem Schlage die Aufgabe lösten,
die den Griechen zukam und an der diese so kläglich ge-
scheitert waren. Aber wenn man sich schämte, daſs die Ret-
tung den bedrängten Landsleuten vom Ausland hatte kommen
müssen, so geschah es wenigstens mit guter Manier; man
säumte nicht die Römer durch Zulassung zu den isthmischen
Spielen und den eleusinischen Mysterien feierlich aufzunehmen
in den hellenischen Nationalverband. — Makedonien schwieg;
es war nicht in der Verfassung mit den Waffen zu protestiren
und verschmähte es mit Worten zu thun. Widerstand fand
sich nirgends; aber nichtsdestoweniger hatte Rom, indem es
die Schlüssel zum Hause des Nachbarn an sich nahm, in ihm
sich einen Gegner geschaffen, von dem, wenn er wieder zu
Kräften oder eine günstige Gelegenheit ihm vorkam, sich er-
warten lieſs, daſs er sein Schweigen zu brechen wissen werde.
Hätte der kräftige und besonnene König Antigonos Doson län-
ger gelebt, so würde wohl schon er den hingeworfenen Hand-
schuh aufgehoben haben; denn als einige Jahre später der
Dynast Demetrios von Pharos sich der römischen Hegemonie
entzog, im Einverständniſs mit den Istriern vertragswidrig
Seeraub trieb und die von den Römern für unabhängig er-
klärten Atintanen sich unterwarf, machte Antigonos Bündniſs
mit ihm und Demetrios Truppen fochten mit in Antigonos
Heer in der Schlacht bei Sellasia (533). Allein Antigonos
starb (Winter 533/4); sein Nachfolger Philippos, noch ein
Knabe, lieſs es geschehen, daſs der Consul Lucius Aemilius
Paullus den Verbündeten Makedoniens angriff, seine Hauptstadt
zerstörte und ihn landflüchtig aus seinem Reiche trieb (535).

Auf dem Festland von Italien war tiefer Friede seit dem
Fall von Tarent; der sechstägige Krieg mit Falerii (513) ist
kaum etwas mehr als eine Curiosität. Aber gegen Norden
dehnte zwischen dem Gebiet der Eidgenossenschaft und der
Naturgrenze Italiens, der Alpenkette noch eine weite Strecke
sich aus, die den Römern nicht unbedingt gehorchte. Jenseits

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[371/0385] ITALIENS NATUERLICHE GRENZEN. delsstädte, sahen in den Römern ihre Retter und thaten ohne Zweifel was sie konnten sich des mächtigen Schutzes dauernd zu versichern; im eigentlichen Hellas war nicht bloſs Niemand im Stande zu widersprechen, sondern das Lob der Befreier auf allen Lippen. Man kann fragen, ob der Jubel in Hellas gröſser war oder die Scham, als statt der zehn Linienschiffe der achaeischen Eidgenossenschaft, der streitbarsten Macht Griechenlands, jetzt zweihundert Segel der Barbaren in ihre Häfen einliefen und mit einem Schlage die Aufgabe lösten, die den Griechen zukam und an der diese so kläglich ge- scheitert waren. Aber wenn man sich schämte, daſs die Ret- tung den bedrängten Landsleuten vom Ausland hatte kommen müssen, so geschah es wenigstens mit guter Manier; man säumte nicht die Römer durch Zulassung zu den isthmischen Spielen und den eleusinischen Mysterien feierlich aufzunehmen in den hellenischen Nationalverband. — Makedonien schwieg; es war nicht in der Verfassung mit den Waffen zu protestiren und verschmähte es mit Worten zu thun. Widerstand fand sich nirgends; aber nichtsdestoweniger hatte Rom, indem es die Schlüssel zum Hause des Nachbarn an sich nahm, in ihm sich einen Gegner geschaffen, von dem, wenn er wieder zu Kräften oder eine günstige Gelegenheit ihm vorkam, sich er- warten lieſs, daſs er sein Schweigen zu brechen wissen werde. Hätte der kräftige und besonnene König Antigonos Doson län- ger gelebt, so würde wohl schon er den hingeworfenen Hand- schuh aufgehoben haben; denn als einige Jahre später der Dynast Demetrios von Pharos sich der römischen Hegemonie entzog, im Einverständniſs mit den Istriern vertragswidrig Seeraub trieb und die von den Römern für unabhängig er- klärten Atintanen sich unterwarf, machte Antigonos Bündniſs mit ihm und Demetrios Truppen fochten mit in Antigonos Heer in der Schlacht bei Sellasia (533). Allein Antigonos starb (Winter 533/4); sein Nachfolger Philippos, noch ein Knabe, lieſs es geschehen, daſs der Consul Lucius Aemilius Paullus den Verbündeten Makedoniens angriff, seine Hauptstadt zerstörte und ihn landflüchtig aus seinem Reiche trieb (535). Auf dem Festland von Italien war tiefer Friede seit dem Fall von Tarent; der sechstägige Krieg mit Falerii (513) ist kaum etwas mehr als eine Curiosität. Aber gegen Norden dehnte zwischen dem Gebiet der Eidgenossenschaft und der Naturgrenze Italiens, der Alpenkette noch eine weite Strecke sich aus, die den Römern nicht unbedingt gehorchte. Jenseits 24*

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/385>, abgerufen am 24.11.2024.