Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.ERSTER PUNISCHER KRIEG. forderlichen Truppen an Bord nehmen zu können -- es warmehr eine Transport- als eine Kriegsflotte. Allein die römi- sche verlegte ihr den Weg und zwang sie, da sie von der heiligen Insel (jetzt Maritima) nach Drepana segeln wollte, bei der kleinen Insel Aegusa (Favignano) die Schlacht anzu- nehmen (10. März 513). Der Ausgang war keinen Augenblick zweifelhaft; die römische Flotte gut gebaut und bemannt und von dem tapfern Catulus trotz seiner vor Drepana erhaltenen Wunde vortrefflich geführt, warf im ersten Anlauf die schwer- beladenen schlecht und schwach bemannten Schiffe der Feinde; funfzig wurden versenkt, mit siebzig eroberten fuhr der sieg- reiche Consul ein in den Hafen von Lilybaeon. Die letzte grosse Anstrengung der römischen Patrioten hatte Frucht ge- tragen; sie gab den Sieg und mit ihm den Frieden. -- Die Karthager kreuzigten zunächst den unglücklichen Admiral, was die Sache nicht anders machte, und schickten alsdann dem sicilischen Feldherrn unbeschränkte Vollmacht den Frieden zu schliessen. Hamilkar, der seine achtjährige Heldenarbeit durch fremde Fehler vernichtet sah, war hochherzig genug weder seine Soldatenehre noch sein Volk noch seine Entwürfe aufzugeben. Sicilien freilich war nicht zu halten, seit die Römer die See beherrschten; und dass die Karthager, die ihre leere Kasse vergeblich durch ein Staatsanlehen in Aegyp- ten zu füllen versucht hatten, auch nur einen Versuch noch machen würden, die römische Flotte zu überwältigen, liess sich nicht erwarten. Er gab also Sicilien auf. Dagegen ward die Selbstständigkeit und Integrität des karthagischen Staats und Gebiets ausdrücklich anerkannt in der üblichen Form, dass weder Rom mit der karthagischen noch Karthago mit der römischen Symmachie, das heisst mit den unterthänigen und abhängigen Gemeinden in Sonderbündniss treten oder Krieg beginnen noch in diesem Gebiet Hoheitsrechte ausüben oder Werbungen vornehmen dürfe*. Was die Nebenbedingungen anlangt, so verstand sich die unentgeltliche Rückgabe der römischen Gefangenen und die Zahlung einer Kriegscontribu- tion von selbst; dagegen die Forderungen des Catulus, dass Hamilkar die Waffen und die römischen Ueberläufer ausliefern * Dass die Karthager versprechen mussten keine Kriegsschiffe in das
Gebiet der römischen Symmachie -- also auch nicht nach Syrakus, viel- leicht selbst nicht nach Massalia -- zu senden (Zon. 8, 17), klingt glaub- lich genug; allein der Text des Vertrages schweigt davon (Polyb. 3, 27). ERSTER PUNISCHER KRIEG. forderlichen Truppen an Bord nehmen zu können — es warmehr eine Transport- als eine Kriegsflotte. Allein die römi- sche verlegte ihr den Weg und zwang sie, da sie von der heiligen Insel (jetzt Maritima) nach Drepana segeln wollte, bei der kleinen Insel Aegusa (Favignano) die Schlacht anzu- nehmen (10. März 513). Der Ausgang war keinen Augenblick zweifelhaft; die römische Flotte gut gebaut und bemannt und von dem tapfern Catulus trotz seiner vor Drepana erhaltenen Wunde vortrefflich geführt, warf im ersten Anlauf die schwer- beladenen schlecht und schwach bemannten Schiffe der Feinde; funfzig wurden versenkt, mit siebzig eroberten fuhr der sieg- reiche Consul ein in den Hafen von Lilybaeon. Die letzte groſse Anstrengung der römischen Patrioten hatte Frucht ge- tragen; sie gab den Sieg und mit ihm den Frieden. — Die Karthager kreuzigten zunächst den unglücklichen Admiral, was die Sache nicht anders machte, und schickten alsdann dem sicilischen Feldherrn unbeschränkte Vollmacht den Frieden zu schlieſsen. Hamilkar, der seine achtjährige Heldenarbeit durch fremde Fehler vernichtet sah, war hochherzig genug weder seine Soldatenehre noch sein Volk noch seine Entwürfe aufzugeben. Sicilien freilich war nicht zu halten, seit die Römer die See beherrschten; und daſs die Karthager, die ihre leere Kasse vergeblich durch ein Staatsanlehen in Aegyp- ten zu füllen versucht hatten, auch nur einen Versuch noch machen würden, die römische Flotte zu überwältigen, lieſs sich nicht erwarten. Er gab also Sicilien auf. Dagegen ward die Selbstständigkeit und Integrität des karthagischen Staats und Gebiets ausdrücklich anerkannt in der üblichen Form, daſs weder Rom mit der karthagischen noch Karthago mit der römischen Symmachie, das heiſst mit den unterthänigen und abhängigen Gemeinden in Sonderbündniſs treten oder Krieg beginnen noch in diesem Gebiet Hoheitsrechte ausüben oder Werbungen vornehmen dürfe*. Was die Nebenbedingungen anlangt, so verstand sich die unentgeltliche Rückgabe der römischen Gefangenen und die Zahlung einer Kriegscontribu- tion von selbst; dagegen die Forderungen des Catulus, daſs Hamilkar die Waffen und die römischen Ueberläufer ausliefern * Daſs die Karthager versprechen muſsten keine Kriegsschiffe in das
Gebiet der römischen Symmachie — also auch nicht nach Syrakus, viel- leicht selbst nicht nach Massalia — zu senden (Zon. 8, 17), klingt glaub- lich genug; allein der Text des Vertrages schweigt davon (Polyb. 3, 27). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0371" n="357"/><fw place="top" type="header">ERSTER PUNISCHER KRIEG.</fw><lb/> forderlichen Truppen an Bord nehmen zu können — es war<lb/> mehr eine Transport- als eine Kriegsflotte. Allein die römi-<lb/> sche verlegte ihr den Weg und zwang sie, da sie von der<lb/> heiligen Insel (jetzt Maritima) nach Drepana segeln wollte,<lb/> bei der kleinen Insel Aegusa (Favignano) die Schlacht anzu-<lb/> nehmen (10. März 513). Der Ausgang war keinen Augenblick<lb/> zweifelhaft; die römische Flotte gut gebaut und bemannt und<lb/> von dem tapfern Catulus trotz seiner vor Drepana erhaltenen<lb/> Wunde vortrefflich geführt, warf im ersten Anlauf die schwer-<lb/> beladenen schlecht und schwach bemannten Schiffe der Feinde;<lb/> funfzig wurden versenkt, mit siebzig eroberten fuhr der sieg-<lb/> reiche Consul ein in den Hafen von Lilybaeon. Die letzte<lb/> groſse Anstrengung der römischen Patrioten hatte Frucht ge-<lb/> tragen; sie gab den Sieg und mit ihm den Frieden. — Die<lb/> Karthager kreuzigten zunächst den unglücklichen Admiral, was<lb/> die Sache nicht anders machte, und schickten alsdann dem<lb/> sicilischen Feldherrn unbeschränkte Vollmacht den Frieden zu<lb/> schlieſsen. Hamilkar, der seine achtjährige Heldenarbeit<lb/> durch fremde Fehler vernichtet sah, war hochherzig genug<lb/> weder seine Soldatenehre noch sein Volk noch seine Entwürfe<lb/> aufzugeben. Sicilien freilich war nicht zu halten, seit die<lb/> Römer die See beherrschten; und daſs die Karthager, die<lb/> ihre leere Kasse vergeblich durch ein Staatsanlehen in Aegyp-<lb/> ten zu füllen versucht hatten, auch nur einen Versuch noch<lb/> machen würden, die römische Flotte zu überwältigen, lieſs<lb/> sich nicht erwarten. Er gab also Sicilien auf. Dagegen ward<lb/> die Selbstständigkeit und Integrität des karthagischen Staats<lb/> und Gebiets ausdrücklich anerkannt in der üblichen Form,<lb/> daſs weder Rom mit der karthagischen noch Karthago mit<lb/> der römischen Symmachie, das heiſst mit den unterthänigen<lb/> und abhängigen Gemeinden in Sonderbündniſs treten oder Krieg<lb/> beginnen noch in diesem Gebiet Hoheitsrechte ausüben oder<lb/> Werbungen vornehmen dürfe<note place="foot" n="*">Daſs die Karthager versprechen muſsten keine Kriegsschiffe in das<lb/> Gebiet der römischen Symmachie — also auch nicht nach Syrakus, viel-<lb/> leicht selbst nicht nach Massalia — zu senden (Zon. 8, 17), klingt glaub-<lb/> lich genug; allein der Text des Vertrages schweigt davon (Polyb. 3, 27).</note>. Was die Nebenbedingungen<lb/> anlangt, so verstand sich die unentgeltliche Rückgabe der<lb/> römischen Gefangenen und die Zahlung einer Kriegscontribu-<lb/> tion von selbst; dagegen die Forderungen des Catulus, daſs<lb/> Hamilkar die Waffen und die römischen Ueberläufer ausliefern<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [357/0371]
ERSTER PUNISCHER KRIEG.
forderlichen Truppen an Bord nehmen zu können — es war
mehr eine Transport- als eine Kriegsflotte. Allein die römi-
sche verlegte ihr den Weg und zwang sie, da sie von der
heiligen Insel (jetzt Maritima) nach Drepana segeln wollte,
bei der kleinen Insel Aegusa (Favignano) die Schlacht anzu-
nehmen (10. März 513). Der Ausgang war keinen Augenblick
zweifelhaft; die römische Flotte gut gebaut und bemannt und
von dem tapfern Catulus trotz seiner vor Drepana erhaltenen
Wunde vortrefflich geführt, warf im ersten Anlauf die schwer-
beladenen schlecht und schwach bemannten Schiffe der Feinde;
funfzig wurden versenkt, mit siebzig eroberten fuhr der sieg-
reiche Consul ein in den Hafen von Lilybaeon. Die letzte
groſse Anstrengung der römischen Patrioten hatte Frucht ge-
tragen; sie gab den Sieg und mit ihm den Frieden. — Die
Karthager kreuzigten zunächst den unglücklichen Admiral, was
die Sache nicht anders machte, und schickten alsdann dem
sicilischen Feldherrn unbeschränkte Vollmacht den Frieden zu
schlieſsen. Hamilkar, der seine achtjährige Heldenarbeit
durch fremde Fehler vernichtet sah, war hochherzig genug
weder seine Soldatenehre noch sein Volk noch seine Entwürfe
aufzugeben. Sicilien freilich war nicht zu halten, seit die
Römer die See beherrschten; und daſs die Karthager, die
ihre leere Kasse vergeblich durch ein Staatsanlehen in Aegyp-
ten zu füllen versucht hatten, auch nur einen Versuch noch
machen würden, die römische Flotte zu überwältigen, lieſs
sich nicht erwarten. Er gab also Sicilien auf. Dagegen ward
die Selbstständigkeit und Integrität des karthagischen Staats
und Gebiets ausdrücklich anerkannt in der üblichen Form,
daſs weder Rom mit der karthagischen noch Karthago mit
der römischen Symmachie, das heiſst mit den unterthänigen
und abhängigen Gemeinden in Sonderbündniſs treten oder Krieg
beginnen noch in diesem Gebiet Hoheitsrechte ausüben oder
Werbungen vornehmen dürfe *. Was die Nebenbedingungen
anlangt, so verstand sich die unentgeltliche Rückgabe der
römischen Gefangenen und die Zahlung einer Kriegscontribu-
tion von selbst; dagegen die Forderungen des Catulus, daſs
Hamilkar die Waffen und die römischen Ueberläufer ausliefern
* Daſs die Karthager versprechen muſsten keine Kriegsschiffe in das
Gebiet der römischen Symmachie — also auch nicht nach Syrakus, viel-
leicht selbst nicht nach Massalia — zu senden (Zon. 8, 17), klingt glaub-
lich genug; allein der Text des Vertrages schweigt davon (Polyb. 3, 27).
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