Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.DRITTES BUCH. KAPITEL II. messen können mit dem Legionar. Immer verwegener zeigtensich die Kaper Hamilkars an der italischen Küste -- schon hatte gegen eine dort gelandete karthagische Streifpartei ein Praetor ausrücken müssen. Noch einige Jahre, so that Ha- milkar von Sicilien aus mit der Flotte, was später auf dem Landweg von Spanien aus sein Sohn unternahm. -- Indess der römische Senat verharrte in seiner Unthätigkeit; die Par- tei der Kleinmüthigen hatte einmal in ihm die Mehrzahl. Da entschlossen sich eine Anzahl einsichtiger und hochherziger Männer den Staat auch ohne Regierungsbeschluss zu retten und dem heillosen sicilischen Krieg ein Ende zu machen. Die glücklichen Corsarenfahrten hatten wenn nicht den Muth der Nation gehoben, doch in engeren Kreisen die Energie und die Hoffnung geweckt; man hatte sich schon in die Ge- schwader zusammengethan, Hippo an der africanischen Küste niedergebrannt, den Karthagern vor Panormos ein glückliches Seegefecht geliefert. Durch Privatunterzeichnung, wie sie auch wohl in Athen, aber nie in so grossartiger Weise vorgekom- men ist, stellten die vermögenden und patriotisch gesinnten Römer eine Kriegsflotte her, deren Kern die für den Kaper- dienst gebauten Schiffe und die darin geübten Mannschaften abgaben und die überhaupt weit sorgfältiger hergestellt wurde als dies bisher bei dem Staatsbau geschehen war. Diese unge- heure Anstrengung, dass eine Anzahl Bürger im zweiundzwan- zigsten Jahre eines schweren Krieges zweihundert Linienschiffe mit einer Bemannung von 60000 Matrosen freiwillig dem Staate darboten, steht vielleicht ohne Beispiel da in den Anna- len der Geschichte. Der Consul Gaius Lutatius Catulus, dem die Ehre zu Theil ward diese Flotte in die sicilische See zu führen, fand fast keinen Gegner; die paar karthagischen Schiffe, mit denen Hamilkar seine Corsarenzüge gemacht, verschwan- den vor der Uebermacht und fast ohne Widerstand besetzten die Römer die Häfen von Lilybaeon und Drepana, dessen Be- lagerung zu Wasser und zu Lande jetzt energisch begonnen ward. Karthago war vollständig überrumpelt; selbst die bei- den Festungen, schwach verproviantirt, schwebten in grosser Gefahr. Man rüstete in Karthago eine Flotte, aber so eilig man that, ging doch das Jahr zu Ende, ohne dass in Sicilien karthagische Segel sich gezeigt hätten. Als endlich im Früh- jahr 513 die zusammengerafften Schiffe auf der Höhe von Drepana erschienen, geschah es in der Hoffnung ungestört lan- den, die Vorräthe ausschiffen und die für ein Seegefecht er- DRITTES BUCH. KAPITEL II. messen können mit dem Legionar. Immer verwegener zeigtensich die Kaper Hamilkars an der italischen Küste — schon hatte gegen eine dort gelandete karthagische Streifpartei ein Praetor ausrücken müssen. Noch einige Jahre, so that Ha- milkar von Sicilien aus mit der Flotte, was später auf dem Landweg von Spanien aus sein Sohn unternahm. — Indeſs der römische Senat verharrte in seiner Unthätigkeit; die Par- tei der Kleinmüthigen hatte einmal in ihm die Mehrzahl. Da entschlossen sich eine Anzahl einsichtiger und hochherziger Männer den Staat auch ohne Regierungsbeschluſs zu retten und dem heillosen sicilischen Krieg ein Ende zu machen. Die glücklichen Corsarenfahrten hatten wenn nicht den Muth der Nation gehoben, doch in engeren Kreisen die Energie und die Hoffnung geweckt; man hatte sich schon in die Ge- schwader zusammengethan, Hippo an der africanischen Küste niedergebrannt, den Karthagern vor Panormos ein glückliches Seegefecht geliefert. Durch Privatunterzeichnung, wie sie auch wohl in Athen, aber nie in so groſsartiger Weise vorgekom- men ist, stellten die vermögenden und patriotisch gesinnten Römer eine Kriegsflotte her, deren Kern die für den Kaper- dienst gebauten Schiffe und die darin geübten Mannschaften abgaben und die überhaupt weit sorgfältiger hergestellt wurde als dies bisher bei dem Staatsbau geschehen war. Diese unge- heure Anstrengung, daſs eine Anzahl Bürger im zweiundzwan- zigsten Jahre eines schweren Krieges zweihundert Linienschiffe mit einer Bemannung von 60000 Matrosen freiwillig dem Staate darboten, steht vielleicht ohne Beispiel da in den Anna- len der Geschichte. Der Consul Gaius Lutatius Catulus, dem die Ehre zu Theil ward diese Flotte in die sicilische See zu führen, fand fast keinen Gegner; die paar karthagischen Schiffe, mit denen Hamilkar seine Corsarenzüge gemacht, verschwan- den vor der Uebermacht und fast ohne Widerstand besetzten die Römer die Häfen von Lilybaeon und Drepana, dessen Be- lagerung zu Wasser und zu Lande jetzt energisch begonnen ward. Karthago war vollständig überrumpelt; selbst die bei- den Festungen, schwach verproviantirt, schwebten in groſser Gefahr. Man rüstete in Karthago eine Flotte, aber so eilig man that, ging doch das Jahr zu Ende, ohne daſs in Sicilien karthagische Segel sich gezeigt hätten. Als endlich im Früh- jahr 513 die zusammengerafften Schiffe auf der Höhe von Drepana erschienen, geschah es in der Hoffnung ungestört lan- den, die Vorräthe ausschiffen und die für ein Seegefecht er- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0370" n="356"/><fw place="top" type="header">DRITTES BUCH. 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DRITTES BUCH. KAPITEL II.
messen können mit dem Legionar. Immer verwegener zeigten
sich die Kaper Hamilkars an der italischen Küste — schon
hatte gegen eine dort gelandete karthagische Streifpartei ein
Praetor ausrücken müssen. Noch einige Jahre, so that Ha-
milkar von Sicilien aus mit der Flotte, was später auf dem
Landweg von Spanien aus sein Sohn unternahm. — Indeſs
der römische Senat verharrte in seiner Unthätigkeit; die Par-
tei der Kleinmüthigen hatte einmal in ihm die Mehrzahl. Da
entschlossen sich eine Anzahl einsichtiger und hochherziger
Männer den Staat auch ohne Regierungsbeschluſs zu retten
und dem heillosen sicilischen Krieg ein Ende zu machen.
Die glücklichen Corsarenfahrten hatten wenn nicht den Muth
der Nation gehoben, doch in engeren Kreisen die Energie
und die Hoffnung geweckt; man hatte sich schon in die Ge-
schwader zusammengethan, Hippo an der africanischen Küste
niedergebrannt, den Karthagern vor Panormos ein glückliches
Seegefecht geliefert. Durch Privatunterzeichnung, wie sie auch
wohl in Athen, aber nie in so groſsartiger Weise vorgekom-
men ist, stellten die vermögenden und patriotisch gesinnten
Römer eine Kriegsflotte her, deren Kern die für den Kaper-
dienst gebauten Schiffe und die darin geübten Mannschaften
abgaben und die überhaupt weit sorgfältiger hergestellt wurde
als dies bisher bei dem Staatsbau geschehen war. Diese unge-
heure Anstrengung, daſs eine Anzahl Bürger im zweiundzwan-
zigsten Jahre eines schweren Krieges zweihundert Linienschiffe
mit einer Bemannung von 60000 Matrosen freiwillig dem
Staate darboten, steht vielleicht ohne Beispiel da in den Anna-
len der Geschichte. Der Consul Gaius Lutatius Catulus, dem
die Ehre zu Theil ward diese Flotte in die sicilische See zu
führen, fand fast keinen Gegner; die paar karthagischen Schiffe,
mit denen Hamilkar seine Corsarenzüge gemacht, verschwan-
den vor der Uebermacht und fast ohne Widerstand besetzten
die Römer die Häfen von Lilybaeon und Drepana, dessen Be-
lagerung zu Wasser und zu Lande jetzt energisch begonnen
ward. Karthago war vollständig überrumpelt; selbst die bei-
den Festungen, schwach verproviantirt, schwebten in groſser
Gefahr. Man rüstete in Karthago eine Flotte, aber so eilig
man that, ging doch das Jahr zu Ende, ohne daſs in Sicilien
karthagische Segel sich gezeigt hätten. Als endlich im Früh-
jahr 513 die zusammengerafften Schiffe auf der Höhe von
Drepana erschienen, geschah es in der Hoffnung ungestört lan-
den, die Vorräthe ausschiffen und die für ein Seegefecht er-
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