Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.ERSTER PUNISCHER KRIEG. Bunde mit den Römern, die eben um diese Zeit gegen dieBundes-, Stamm- und Frevelgenossen der Mamertiner, die Campaner in Rhegion ihre Legionen schickten (483), wandte Hieron sich gegen Messana. Durch einen grossen Sieg, nach welchem Hieron zum König der Sikelioten ausgerufen ward (484), gelang es die Mamertiner in ihre Stadt einzuschliessen und nachdem die Belagerung einige Jahre gewährt hatte, sahen die Mamertiner sich aufs Aeusserste gebracht und un- fähig die Stadt gegen Hieron länger mit eigenen Kräften zu behaupten. Dass eine Uebergabe auf Bedingungen nicht mög- lich war und das Henkerbeil, das die rheginischen Campaner in Rom getroffen hatte, eben so sicher in Syrakus der mes- sanischen wartete, leuchtete ein; die einzige Rettung war die Auslieferung der Stadt an die Karthager oder an die Römer, denen beiden hinreichend gelegen sein musste an der Erobe- rung des wichtigen Platzes, um über alle anderen Bedenken hinwegzusehen. Ob es vortheilhafter sei den Puniern oder den Herren Italiens sich zu ergeben, war zweifelhaft; nach langem Schwanken entschied sich endlich die Majorität der campanischen Bürgerschaft, den Besitz der meerbeherrschen- den Festung den Römern anzutragen. Es war ein weltgeschichtlicher Moment von der tiefsten ERSTER PUNISCHER KRIEG. Bunde mit den Römern, die eben um diese Zeit gegen dieBundes-, Stamm- und Frevelgenossen der Mamertiner, die Campaner in Rhegion ihre Legionen schickten (483), wandte Hieron sich gegen Messana. Durch einen groſsen Sieg, nach welchem Hieron zum König der Sikelioten ausgerufen ward (484), gelang es die Mamertiner in ihre Stadt einzuschlieſsen und nachdem die Belagerung einige Jahre gewährt hatte, sahen die Mamertiner sich aufs Aeuſserste gebracht und un- fähig die Stadt gegen Hieron länger mit eigenen Kräften zu behaupten. Daſs eine Uebergabe auf Bedingungen nicht mög- lich war und das Henkerbeil, das die rheginischen Campaner in Rom getroffen hatte, eben so sicher in Syrakus der mes- sanischen wartete, leuchtete ein; die einzige Rettung war die Auslieferung der Stadt an die Karthager oder an die Römer, denen beiden hinreichend gelegen sein muſste an der Erobe- rung des wichtigen Platzes, um über alle anderen Bedenken hinwegzusehen. Ob es vortheilhafter sei den Puniern oder den Herren Italiens sich zu ergeben, war zweifelhaft; nach langem Schwanken entschied sich endlich die Majorität der campanischen Bürgerschaft, den Besitz der meerbeherrschen- den Festung den Römern anzutragen. Es war ein weltgeschichtlicher Moment von der tiefsten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0347" n="333"/><fw place="top" type="header">ERSTER PUNISCHER KRIEG.</fw><lb/> Bunde mit den Römern, die eben um diese Zeit gegen die<lb/> Bundes-, Stamm- und Frevelgenossen der Mamertiner, die<lb/> Campaner in Rhegion ihre Legionen schickten (483), wandte<lb/> Hieron sich gegen Messana. Durch einen groſsen Sieg, nach<lb/> welchem Hieron zum König der Sikelioten ausgerufen ward<lb/> (484), gelang es die Mamertiner in ihre Stadt einzuschlieſsen<lb/> und nachdem die Belagerung einige Jahre gewährt hatte,<lb/> sahen die Mamertiner sich aufs Aeuſserste gebracht und un-<lb/> fähig die Stadt gegen Hieron länger mit eigenen Kräften zu<lb/> behaupten. Daſs eine Uebergabe auf Bedingungen nicht mög-<lb/> lich war und das Henkerbeil, das die rheginischen Campaner<lb/> in Rom getroffen hatte, eben so sicher in Syrakus der mes-<lb/> sanischen wartete, leuchtete ein; die einzige Rettung war die<lb/> Auslieferung der Stadt an die Karthager oder an die Römer,<lb/> denen beiden hinreichend gelegen sein muſste an der Erobe-<lb/> rung des wichtigen Platzes, um über alle anderen Bedenken<lb/> hinwegzusehen. Ob es vortheilhafter sei den Puniern oder<lb/> den Herren Italiens sich zu ergeben, war zweifelhaft; nach<lb/> langem Schwanken entschied sich endlich die Majorität der<lb/> campanischen Bürgerschaft, den Besitz der meerbeherrschen-<lb/> den Festung den Römern anzutragen.</p><lb/> <p>Es war ein weltgeschichtlicher Moment von der tiefsten<lb/> Bedeutung, als die Boten der Mamertiner im römischen Senat<lb/> erschienen. Zwar was alles an dem Ueberschreiten des schma-<lb/> len Meerarmes hing, konnte damals Niemand ahnen; aber<lb/> jedem der rathschlagenden Väter der Stadt muſste das offen-<lb/> bar sein, daſs an diese Entscheidung, wie sie immer ausfiel,<lb/> ganz andere und wichtigere Folgen sich knüpfen muſsten als<lb/> an irgend einen der bisher vom Senat gefaſsten Beschlüsse.<lb/> Strenge und rechtliche Männer freilich mochten fragen, wie<lb/> es möglich sei überhaupt zu schwanken über das, was zu<lb/> thun sei, und also nicht bloſs das Bündniſs mit Hieron zu<lb/> brechen, sondern nachdem eben erst die rheginischen Cam-<lb/> paner mit gerechter Härte von den Römern bestraft worden<lb/> waren, jetzt ihre nicht weniger schuldigen sicilischen Helfers-<lb/> helfer zum Bündniſs und zur Freundschaft von Staatswegen<lb/> zuzulassen und sie der verdienten Strafe zu entziehen. Man<lb/> gab damit ein Aergerniſs, das nicht bloſs den Gegnern Stoff<lb/> zu Declamationen liefern, sondern auch sittliche Gemüther<lb/> ernstlich empören muſste. Allein wohl mochte auch der<lb/> Staatsmann, dem die politische Moral keineswegs bloſs eine<lb/> Phrase war, zurückfragen, wie man römische Bürger, die den<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [333/0347]
ERSTER PUNISCHER KRIEG.
Bunde mit den Römern, die eben um diese Zeit gegen die
Bundes-, Stamm- und Frevelgenossen der Mamertiner, die
Campaner in Rhegion ihre Legionen schickten (483), wandte
Hieron sich gegen Messana. Durch einen groſsen Sieg, nach
welchem Hieron zum König der Sikelioten ausgerufen ward
(484), gelang es die Mamertiner in ihre Stadt einzuschlieſsen
und nachdem die Belagerung einige Jahre gewährt hatte,
sahen die Mamertiner sich aufs Aeuſserste gebracht und un-
fähig die Stadt gegen Hieron länger mit eigenen Kräften zu
behaupten. Daſs eine Uebergabe auf Bedingungen nicht mög-
lich war und das Henkerbeil, das die rheginischen Campaner
in Rom getroffen hatte, eben so sicher in Syrakus der mes-
sanischen wartete, leuchtete ein; die einzige Rettung war die
Auslieferung der Stadt an die Karthager oder an die Römer,
denen beiden hinreichend gelegen sein muſste an der Erobe-
rung des wichtigen Platzes, um über alle anderen Bedenken
hinwegzusehen. Ob es vortheilhafter sei den Puniern oder
den Herren Italiens sich zu ergeben, war zweifelhaft; nach
langem Schwanken entschied sich endlich die Majorität der
campanischen Bürgerschaft, den Besitz der meerbeherrschen-
den Festung den Römern anzutragen.
Es war ein weltgeschichtlicher Moment von der tiefsten
Bedeutung, als die Boten der Mamertiner im römischen Senat
erschienen. Zwar was alles an dem Ueberschreiten des schma-
len Meerarmes hing, konnte damals Niemand ahnen; aber
jedem der rathschlagenden Väter der Stadt muſste das offen-
bar sein, daſs an diese Entscheidung, wie sie immer ausfiel,
ganz andere und wichtigere Folgen sich knüpfen muſsten als
an irgend einen der bisher vom Senat gefaſsten Beschlüsse.
Strenge und rechtliche Männer freilich mochten fragen, wie
es möglich sei überhaupt zu schwanken über das, was zu
thun sei, und also nicht bloſs das Bündniſs mit Hieron zu
brechen, sondern nachdem eben erst die rheginischen Cam-
paner mit gerechter Härte von den Römern bestraft worden
waren, jetzt ihre nicht weniger schuldigen sicilischen Helfers-
helfer zum Bündniſs und zur Freundschaft von Staatswegen
zuzulassen und sie der verdienten Strafe zu entziehen. Man
gab damit ein Aergerniſs, das nicht bloſs den Gegnern Stoff
zu Declamationen liefern, sondern auch sittliche Gemüther
ernstlich empören muſste. Allein wohl mochte auch der
Staatsmann, dem die politische Moral keineswegs bloſs eine
Phrase war, zurückfragen, wie man römische Bürger, die den
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |