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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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KARTHAGO.
nicht von den Galeeren kamen, vortrefflich eingeschult und
die Kapitäne gewandt und furchtlos. In dieser Beziehung war
Karthago entschieden den Römern überlegen, die mit den
wenigen Schiffen der verbündeten Griechen und den weni-
geren eigenen nicht im Stande waren sich in der offenen
See auch nur zu zeigen gegen die Flotte, die damals unbe-
stritten das westliche Meer beherrschte. -- Fassen wir schliess-
lich zusammen, was die Vergleichung der Mittel der beiden
grossen Mächte ergiebt, so rechtfertigt sich wohl das Urtheil
eines einsichtigen und unparteiischen Griechen, dass Karthago
und Rom, da der Kampf zwischen ihnen begann, im Allge-
meinen einander gewachsen waren; allein wir können nicht
unterlassen hinzuzufügen, dass Karthago wohl aufgeboten hatte,
was Geist und Reichthum vermochten, um statt der natür-
lichen Mittel zum Angriff und zur Vertheidigung andere zu
finden; aber dass es nicht im Stande gewesen war die Grund-
mängel eines eigenen Landheers und einer auf eigenen Füssen
stehenden Symmachie in irgend ausreichender Weise zu er-
setzen. Dass Rom nur in Italien, Karthago nur in Libyen
ernstlich angegriffen werden konnte, liess sich nicht verken-
nen; und ebenso wenig, dass Karthago auf die Dauer einem
solchen Angriff nicht entgehen konnte. Die Flotten waren in
jener Zeit der Kindheit der Schifffahrt noch nicht bleibendes
Erbgut der Nationen, sondern liessen sich herstellen, wo es
Bäume, Eisen und Wasser gab; dass selbst mächtige See-
staaten nicht im Stande waren den schwächeren Feinden die
Landung zu wehren, war einleuchtend und in Africa selbst
mehrfach erprobt. Seit Agathokles den Weg dorthin gezeigt
hatte, konnte auch ein römischer General ihn finden, und
während in Italien mit dem Einrücken einer punischen Inva-
sionsarmee der Krieg begann, war er in Libyen mit dem Ein-
rücken einer römischen zu Ende und verwandelte sich in eine
Belagerung, in der der hartnäckigste Heldenmuth, wenn nicht
besondere Zufälle eintraten, doch endlich unterliegen musste.


KARTHAGO.
nicht von den Galeeren kamen, vortrefflich eingeschult und
die Kapitäne gewandt und furchtlos. In dieser Beziehung war
Karthago entschieden den Römern überlegen, die mit den
wenigen Schiffen der verbündeten Griechen und den weni-
geren eigenen nicht im Stande waren sich in der offenen
See auch nur zu zeigen gegen die Flotte, die damals unbe-
stritten das westliche Meer beherrschte. — Fassen wir schlieſs-
lich zusammen, was die Vergleichung der Mittel der beiden
groſsen Mächte ergiebt, so rechtfertigt sich wohl das Urtheil
eines einsichtigen und unparteiischen Griechen, daſs Karthago
und Rom, da der Kampf zwischen ihnen begann, im Allge-
meinen einander gewachsen waren; allein wir können nicht
unterlassen hinzuzufügen, daſs Karthago wohl aufgeboten hatte,
was Geist und Reichthum vermochten, um statt der natür-
lichen Mittel zum Angriff und zur Vertheidigung andere zu
finden; aber daſs es nicht im Stande gewesen war die Grund-
mängel eines eigenen Landheers und einer auf eigenen Füſsen
stehenden Symmachie in irgend ausreichender Weise zu er-
setzen. Daſs Rom nur in Italien, Karthago nur in Libyen
ernstlich angegriffen werden konnte, lieſs sich nicht verken-
nen; und ebenso wenig, daſs Karthago auf die Dauer einem
solchen Angriff nicht entgehen konnte. Die Flotten waren in
jener Zeit der Kindheit der Schifffahrt noch nicht bleibendes
Erbgut der Nationen, sondern lieſsen sich herstellen, wo es
Bäume, Eisen und Wasser gab; daſs selbst mächtige See-
staaten nicht im Stande waren den schwächeren Feinden die
Landung zu wehren, war einleuchtend und in Africa selbst
mehrfach erprobt. Seit Agathokles den Weg dorthin gezeigt
hatte, konnte auch ein römischer General ihn finden, und
während in Italien mit dem Einrücken einer punischen Inva-
sionsarmee der Krieg begann, war er in Libyen mit dem Ein-
rücken einer römischen zu Ende und verwandelte sich in eine
Belagerung, in der der hartnäckigste Heldenmuth, wenn nicht
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[329/0343] KARTHAGO. nicht von den Galeeren kamen, vortrefflich eingeschult und die Kapitäne gewandt und furchtlos. In dieser Beziehung war Karthago entschieden den Römern überlegen, die mit den wenigen Schiffen der verbündeten Griechen und den weni- geren eigenen nicht im Stande waren sich in der offenen See auch nur zu zeigen gegen die Flotte, die damals unbe- stritten das westliche Meer beherrschte. — Fassen wir schlieſs- lich zusammen, was die Vergleichung der Mittel der beiden groſsen Mächte ergiebt, so rechtfertigt sich wohl das Urtheil eines einsichtigen und unparteiischen Griechen, daſs Karthago und Rom, da der Kampf zwischen ihnen begann, im Allge- meinen einander gewachsen waren; allein wir können nicht unterlassen hinzuzufügen, daſs Karthago wohl aufgeboten hatte, was Geist und Reichthum vermochten, um statt der natür- lichen Mittel zum Angriff und zur Vertheidigung andere zu finden; aber daſs es nicht im Stande gewesen war die Grund- mängel eines eigenen Landheers und einer auf eigenen Füſsen stehenden Symmachie in irgend ausreichender Weise zu er- setzen. Daſs Rom nur in Italien, Karthago nur in Libyen ernstlich angegriffen werden konnte, lieſs sich nicht verken- nen; und ebenso wenig, daſs Karthago auf die Dauer einem solchen Angriff nicht entgehen konnte. Die Flotten waren in jener Zeit der Kindheit der Schifffahrt noch nicht bleibendes Erbgut der Nationen, sondern lieſsen sich herstellen, wo es Bäume, Eisen und Wasser gab; daſs selbst mächtige See- staaten nicht im Stande waren den schwächeren Feinden die Landung zu wehren, war einleuchtend und in Africa selbst mehrfach erprobt. Seit Agathokles den Weg dorthin gezeigt hatte, konnte auch ein römischer General ihn finden, und während in Italien mit dem Einrücken einer punischen Inva- sionsarmee der Krieg begann, war er in Libyen mit dem Ein- rücken einer römischen zu Ende und verwandelte sich in eine Belagerung, in der der hartnäckigste Heldenmuth, wenn nicht besondere Zufälle eintraten, doch endlich unterliegen muſste.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/343>, abgerufen am 22.11.2024.