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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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INNERE VERHAELTNISSE.
stück zugleich der gangbarsten griechischen Münzeinheit, der
attischen Drachme im gemeinen Verkehr gleichgesetzt wer-
den konnte, obwohl es um ein Geringes leichter war. Hielt
man daneben auch anfangs noch das Kupferstück in der Art
fest, dass es dem nominell entsprechenden Silberstück auch
reell im Metallwerth gleichkam, so erlangte doch factisch sehr
schnell das Silber die Oberhand in ganz Italien und nament-
lich in Latium, wo einzelne Städte wie zum Beispiel Signia
schon vor 485 einen Versuch gemacht hatten das Silbergeld
bei sich einzuführen. Die aus dem Lager des Pyrrhos, aus
Samnium und Tarent heimgebrachten Schätze, die reichen
Einnahmequellen, welche die Eroberung Italiens geschaffen
hatte, machten es möglich das neue Geldstück sofort in grossen
Massen zu schlagen; und wie der Sieg über Pyrrhos und
Tarent und die römische Gesandtschaft nach Alexandreia dem
griechischen Staatsmann dieser Zeit zu denken geben mochten,
so mochte auch der einsichtige griechische Kaufmann wohl
nachdenklich werden, wenn ihm diese neuen römischen Drach-
men in die Hände kamen, deren flaches, unkünstlerisches und
einförmiges Gepräge sie von den gleichzeitigen wunderschönen
Münzen des Pyrrhos und der Sikelioten nicht minder unter-
schied als ihre rechtliche, gleichmässige und gewissenhafte
Behandlung in Schrot und Korn.

Was den überseeischen Verkehr angelangt, so ist aller Grund
anzunehmen, dass die früher (S. 131) bezeichneten sicilisch-lati-
nischen, etruskisch-attischen und adriatisch-tarentinischen Han-
delsbeziehungen auch in dieser Epoche fortbestanden. Dass die
Einfuhr der Luxuswaaren zunahm, ist erklärlich; einigermassen
verfolgen können wir dies an der Einfuhr des gemalten Thon-
geschirrs, das vorzugsweise aus Attika, daneben aus Kerkyra
und Sicilien nach Italien kam und in den Gegenden der hel-
lenischen Halbcultur, namentlich in Lucanien, Campanien und
Etrurien mit barbarischer Verschwendung zur Ausschmückung
der Grabkammern verwandt wurde, während die strenge
römische Zucht wie das schlichte samnitische Wesen diesen
thörichten Luxus nicht bei sich aufkommen liessen. Die Ge-
fässe ältesten Stils, die in Italien sich gefunden haben, dürfen
in die zweite Hälfte des dritten Jahrhunderts der Stadt (Ol.
70-80) gesetzt werden, während die zahlreicheren des stren-
gen Stils der ersten, die des vollendet schönen Stils der zwei-
ten Hälfte des vierten angehören, und die an Zahl, Pracht
und Grösse immer zunehmende Masse der übrigen gewöhn-

INNERE VERHAELTNISSE.
stück zugleich der gangbarsten griechischen Münzeinheit, der
attischen Drachme im gemeinen Verkehr gleichgesetzt wer-
den konnte, obwohl es um ein Geringes leichter war. Hielt
man daneben auch anfangs noch das Kupferstück in der Art
fest, daſs es dem nominell entsprechenden Silberstück auch
reell im Metallwerth gleichkam, so erlangte doch factisch sehr
schnell das Silber die Oberhand in ganz Italien und nament-
lich in Latium, wo einzelne Städte wie zum Beispiel Signia
schon vor 485 einen Versuch gemacht hatten das Silbergeld
bei sich einzuführen. Die aus dem Lager des Pyrrhos, aus
Samnium und Tarent heimgebrachten Schätze, die reichen
Einnahmequellen, welche die Eroberung Italiens geschaffen
hatte, machten es möglich das neue Geldstück sofort in groſsen
Massen zu schlagen; und wie der Sieg über Pyrrhos und
Tarent und die römische Gesandtschaft nach Alexandreia dem
griechischen Staatsmann dieser Zeit zu denken geben mochten,
so mochte auch der einsichtige griechische Kaufmann wohl
nachdenklich werden, wenn ihm diese neuen römischen Drach-
men in die Hände kamen, deren flaches, unkünstlerisches und
einförmiges Gepräge sie von den gleichzeitigen wunderschönen
Münzen des Pyrrhos und der Sikelioten nicht minder unter-
schied als ihre rechtliche, gleichmäſsige und gewissenhafte
Behandlung in Schrot und Korn.

Was den überseeischen Verkehr angelangt, so ist aller Grund
anzunehmen, daſs die früher (S. 131) bezeichneten sicilisch-lati-
nischen, etruskisch-attischen und adriatisch-tarentinischen Han-
delsbeziehungen auch in dieser Epoche fortbestanden. Daſs die
Einfuhr der Luxuswaaren zunahm, ist erklärlich; einigermaſsen
verfolgen können wir dies an der Einfuhr des gemalten Thon-
geschirrs, das vorzugsweise aus Attika, daneben aus Kerkyra
und Sicilien nach Italien kam und in den Gegenden der hel-
lenischen Halbcultur, namentlich in Lucanien, Campanien und
Etrurien mit barbarischer Verschwendung zur Ausschmückung
der Grabkammern verwandt wurde, während die strenge
römische Zucht wie das schlichte samnitische Wesen diesen
thörichten Luxus nicht bei sich aufkommen lieſsen. Die Ge-
fäſse ältesten Stils, die in Italien sich gefunden haben, dürfen
in die zweite Hälfte des dritten Jahrhunderts der Stadt (Ol.
70-80) gesetzt werden, während die zahlreicheren des stren-
gen Stils der ersten, die des vollendet schönen Stils der zwei-
ten Hälfte des vierten angehören, und die an Zahl, Pracht
und Gröſse immer zunehmende Masse der übrigen gewöhn-

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[295/0309] INNERE VERHAELTNISSE. stück zugleich der gangbarsten griechischen Münzeinheit, der attischen Drachme im gemeinen Verkehr gleichgesetzt wer- den konnte, obwohl es um ein Geringes leichter war. Hielt man daneben auch anfangs noch das Kupferstück in der Art fest, daſs es dem nominell entsprechenden Silberstück auch reell im Metallwerth gleichkam, so erlangte doch factisch sehr schnell das Silber die Oberhand in ganz Italien und nament- lich in Latium, wo einzelne Städte wie zum Beispiel Signia schon vor 485 einen Versuch gemacht hatten das Silbergeld bei sich einzuführen. Die aus dem Lager des Pyrrhos, aus Samnium und Tarent heimgebrachten Schätze, die reichen Einnahmequellen, welche die Eroberung Italiens geschaffen hatte, machten es möglich das neue Geldstück sofort in groſsen Massen zu schlagen; und wie der Sieg über Pyrrhos und Tarent und die römische Gesandtschaft nach Alexandreia dem griechischen Staatsmann dieser Zeit zu denken geben mochten, so mochte auch der einsichtige griechische Kaufmann wohl nachdenklich werden, wenn ihm diese neuen römischen Drach- men in die Hände kamen, deren flaches, unkünstlerisches und einförmiges Gepräge sie von den gleichzeitigen wunderschönen Münzen des Pyrrhos und der Sikelioten nicht minder unter- schied als ihre rechtliche, gleichmäſsige und gewissenhafte Behandlung in Schrot und Korn. Was den überseeischen Verkehr angelangt, so ist aller Grund anzunehmen, daſs die früher (S. 131) bezeichneten sicilisch-lati- nischen, etruskisch-attischen und adriatisch-tarentinischen Han- delsbeziehungen auch in dieser Epoche fortbestanden. Daſs die Einfuhr der Luxuswaaren zunahm, ist erklärlich; einigermaſsen verfolgen können wir dies an der Einfuhr des gemalten Thon- geschirrs, das vorzugsweise aus Attika, daneben aus Kerkyra und Sicilien nach Italien kam und in den Gegenden der hel- lenischen Halbcultur, namentlich in Lucanien, Campanien und Etrurien mit barbarischer Verschwendung zur Ausschmückung der Grabkammern verwandt wurde, während die strenge römische Zucht wie das schlichte samnitische Wesen diesen thörichten Luxus nicht bei sich aufkommen lieſsen. Die Ge- fäſse ältesten Stils, die in Italien sich gefunden haben, dürfen in die zweite Hälfte des dritten Jahrhunderts der Stadt (Ol. 70-80) gesetzt werden, während die zahlreicheren des stren- gen Stils der ersten, die des vollendet schönen Stils der zwei- ten Hälfte des vierten angehören, und die an Zahl, Pracht und Gröſse immer zunehmende Masse der übrigen gewöhn-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/309>, abgerufen am 22.11.2024.