Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.INNERE VERHAELTNISSE. dass die südlichen sabellischen Stämme, obwohl sie im Vereinmit den syrakusanischen Tyrannen zunächst das hellenische Wesen in Grossgriechenland verdarben und knickten, doch zugleich durch die Berührung und Mischung mit den Griechen theils griechische Sprache neben der einheimischen annahmen, wie die Brettier und Nolaner, theils wenigstens griechische Schrift und griechische Sitte, wie die Lucaner und ein Theil der Campaner. Sogar das entfernte Etrurien zeigt die Ansätze einer verwandten Entwicklung in den bemerkenswerthen dieser Epoche angehörenden Vasenfunden (S. 131), in denen es mit Campanien und Lucanien rivalisirt; und wenn auch Latium und Samnium dem Hellenismus ferner geblieben sind, so fehlt es doch auch hier nicht an Spuren des beginnenden und immer steigenden Einflusses griechischer Bildung. In allen Zweigen der römischen Entwicklung dieser Epoche, in Gesetzgebung und Münzwesen, in der Religion, ja in der Bildung der Stamm- sage begegnen wir griechischen Spuren; namentlich seit dem Anfang des fünften Jahrhunderts aber, das heisst seit der Eroberung Campaniens scheint der griechische Einfluss sich in weiteren Kreisen geltend gemacht zu haben. In diese Zeit fällt die Einrichtung der auch sprachlich merkwürdigen Graeco- stasis, einer Tribüne auf dem römischen Markt für die vor- nehmen griechischen Fremden, zunächst die Massalioten (S. 293). Die Jahrbücher weisen schon als Beinamen vornehmer Römer die griechischen Namen Philippos oder römisch Pili- pus, Philo, Sophos, Hypsaeos. Griechische Sitten dringen ein; so der nicht italische Gebrauch Inschriften zur Ehre des Todten auf dem Grabmal anzubringen, wovon die Grabschrift des Lucius Scipio Consul 456 das älteste uns bekannte Bei- spiel ist; so die gleichfalls den Italikern fremde Weise ohne Staatsbeschluss an öffentlichen Orten Ehrendenkmäler den Vor- fahren zu errichten, womit der grosse Neuerer Appius Claudius den Anfang machte, als er in dem neuen Tempel der Bellona Erzschilder mit den Bildern und den Elogien seiner Vorfah- ren aufhängte (442); so das Darbringen der Palmzweige bei dem Triumph, das zuerst 461 vorkam. Charakteristisch ist die Errichtung der Bildsäulen des tapfersten und des weisesten Griechen auf dem römischen Markt, die während der sam- nitischen Kriege auf Geheiss des pythischen Apollon stattfand; man wählte den Pythagoras und den Alkibiades, jener der Heiland, dieser der Hannibal der Westhellenen. Wie verbrei- tet die Kenntniss des Griechischen schon im fünften Jahr- INNERE VERHAELTNISSE. daſs die südlichen sabellischen Stämme, obwohl sie im Vereinmit den syrakusanischen Tyrannen zunächst das hellenische Wesen in Groſsgriechenland verdarben und knickten, doch zugleich durch die Berührung und Mischung mit den Griechen theils griechische Sprache neben der einheimischen annahmen, wie die Brettier und Nolaner, theils wenigstens griechische Schrift und griechische Sitte, wie die Lucaner und ein Theil der Campaner. Sogar das entfernte Etrurien zeigt die Ansätze einer verwandten Entwicklung in den bemerkenswerthen dieser Epoche angehörenden Vasenfunden (S. 131), in denen es mit Campanien und Lucanien rivalisirt; und wenn auch Latium und Samnium dem Hellenismus ferner geblieben sind, so fehlt es doch auch hier nicht an Spuren des beginnenden und immer steigenden Einflusses griechischer Bildung. In allen Zweigen der römischen Entwicklung dieser Epoche, in Gesetzgebung und Münzwesen, in der Religion, ja in der Bildung der Stamm- sage begegnen wir griechischen Spuren; namentlich seit dem Anfang des fünften Jahrhunderts aber, das heiſst seit der Eroberung Campaniens scheint der griechische Einfluſs sich in weiteren Kreisen geltend gemacht zu haben. In diese Zeit fällt die Einrichtung der auch sprachlich merkwürdigen Graeco- stasis, einer Tribüne auf dem römischen Markt für die vor- nehmen griechischen Fremden, zunächst die Massalioten (S. 293). Die Jahrbücher weisen schon als Beinamen vornehmer Römer die griechischen Namen Philippos oder römisch Pili- pus, Philo, Sophos, Hypsaeos. Griechische Sitten dringen ein; so der nicht italische Gebrauch Inschriften zur Ehre des Todten auf dem Grabmal anzubringen, wovon die Grabschrift des Lucius Scipio Consul 456 das älteste uns bekannte Bei- spiel ist; so die gleichfalls den Italikern fremde Weise ohne Staatsbeschluſs an öffentlichen Orten Ehrendenkmäler den Vor- fahren zu errichten, womit der groſse Neuerer Appius Claudius den Anfang machte, als er in dem neuen Tempel der Bellona Erzschilder mit den Bildern und den Elogien seiner Vorfah- ren aufhängte (442); so das Darbringen der Palmzweige bei dem Triumph, das zuerst 461 vorkam. Charakteristisch ist die Errichtung der Bildsäulen des tapfersten und des weisesten Griechen auf dem römischen Markt, die während der sam- nitischen Kriege auf Geheiſs des pythischen Apollon stattfand; man wählte den Pythagoras und den Alkibiades, jener der Heiland, dieser der Hannibal der Westhellenen. 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INNERE VERHAELTNISSE.
daſs die südlichen sabellischen Stämme, obwohl sie im Verein
mit den syrakusanischen Tyrannen zunächst das hellenische
Wesen in Groſsgriechenland verdarben und knickten, doch
zugleich durch die Berührung und Mischung mit den Griechen
theils griechische Sprache neben der einheimischen annahmen,
wie die Brettier und Nolaner, theils wenigstens griechische
Schrift und griechische Sitte, wie die Lucaner und ein Theil
der Campaner. Sogar das entfernte Etrurien zeigt die Ansätze
einer verwandten Entwicklung in den bemerkenswerthen dieser
Epoche angehörenden Vasenfunden (S. 131), in denen es mit
Campanien und Lucanien rivalisirt; und wenn auch Latium
und Samnium dem Hellenismus ferner geblieben sind, so fehlt
es doch auch hier nicht an Spuren des beginnenden und immer
steigenden Einflusses griechischer Bildung. In allen Zweigen
der römischen Entwicklung dieser Epoche, in Gesetzgebung
und Münzwesen, in der Religion, ja in der Bildung der Stamm-
sage begegnen wir griechischen Spuren; namentlich seit dem
Anfang des fünften Jahrhunderts aber, das heiſst seit der
Eroberung Campaniens scheint der griechische Einfluſs sich
in weiteren Kreisen geltend gemacht zu haben. In diese Zeit
fällt die Einrichtung der auch sprachlich merkwürdigen Graeco-
stasis, einer Tribüne auf dem römischen Markt für die vor-
nehmen griechischen Fremden, zunächst die Massalioten (S.
293). Die Jahrbücher weisen schon als Beinamen vornehmer
Römer die griechischen Namen Philippos oder römisch Pili-
pus, Philo, Sophos, Hypsaeos. Griechische Sitten dringen
ein; so der nicht italische Gebrauch Inschriften zur Ehre des
Todten auf dem Grabmal anzubringen, wovon die Grabschrift
des Lucius Scipio Consul 456 das älteste uns bekannte Bei-
spiel ist; so die gleichfalls den Italikern fremde Weise ohne
Staatsbeschluſs an öffentlichen Orten Ehrendenkmäler den Vor-
fahren zu errichten, womit der groſse Neuerer Appius Claudius
den Anfang machte, als er in dem neuen Tempel der Bellona
Erzschilder mit den Bildern und den Elogien seiner Vorfah-
ren aufhängte (442); so das Darbringen der Palmzweige bei
dem Triumph, das zuerst 461 vorkam. Charakteristisch ist
die Errichtung der Bildsäulen des tapfersten und des weisesten
Griechen auf dem römischen Markt, die während der sam-
nitischen Kriege auf Geheiſs des pythischen Apollon stattfand;
man wählte den Pythagoras und den Alkibiades, jener der
Heiland, dieser der Hannibal der Westhellenen. Wie verbrei-
tet die Kenntniſs des Griechischen schon im fünften Jahr-
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