Gang der italischen Verhältnisse. In der That gewann er nicht bloss schnell zurück was von seinem Reiche war abge- rissen worden, sondern er griff noch einmal und nicht ohne Erfolg nach der makedonischen Krone. Allein an Antigonos Gonatas ruhiger und umsichtiger Politik und mehr noch an seinem eigenen Ungestüm und der Unfähigkeit den stolzen Sinn zu zähmen scheiterten seine letzten Pläne; er gewann noch Schlachten, aber keinen Erfolg mehr und verlor Herr- schaft und Leben in einem elenden Strassengefecht im pelo- ponnesischen Argos (482).
In Italien ist der Kampf zu Ende mit der Schlacht bei Benevent; langsam verenden die letzten Zuckungen der itali- schen Nationalpartei. Zwar so lange der Held, dessen mäch- tiger Arm es gewagt hatte dem Schicksal in die Zügel zu fallen, noch unter den Lebenden war, hielt er, wenn gleich abwesend, gegen Rom die feste Burg von Tarent. Mochte auch die tarentinische Friedenspartei nach des Königs Ent- fernung in der Stadt die Oberhand gewinnen, Milon, der für Pyrrhos darin den Befehl führte, wies ihre Anmuthungen ab und liess die römisch gesinnten Städter in dem Castell, das sie im Gebiet von Tarent sich errichtet hatten, auf ihre eigene Hand Frieden schliessen mit Rom, wie es ihnen beliebte, ohne darum seine Thore zu öffnen. Aber als Pyrrhos todt war und Milon die Bürgerschaft im Begriff sah die Stadt auszuliefern an die Karthager, die schon mit einer Flotte im Hafen lagen, zog er es vor dem römischen Consul Lucius Papirius die Burg zu übergeben (482) und damit für sich und die Seinigen freien Abzug zu erkaufen -- ein ungeheurer Glücksfall für die Römer, denn nach den Erfahrungen, die Philipp vor Pe- rinth und Byzanz, Demetrios vor Rhodos, Pyrrhos vor Lily- baeon gemacht hatten, liess sich bezweifeln, ob die damalige Strategik überhaupt im Stande war eine regelmässig befestigte und von der See her zugängliche Stadt zur Uebergabe zu zwingen; und was hätte kommen mögen, wenn die Punier in Tarent sich gegen die Römer hielten wie in Lilybaeon gegen die Griechen! Nachdem die Uebergabe geschehen war, fuhren die Karthager heim unter dem Vorgeben, dass sie den Römern hätten zur Hülfe kommen wollen; was sie nachher, als eine römische Gesandtschaft Beschwerde zu führen in Karthago erschien, mit feierlichen Eiden zu bekräftigen sich nicht scheuten. Die Tarentiner erhielten, vermuthlich durch Ver- mittelung ihrer Emigrirten, die Autonomie zurück; aber Waf-
KOENIG PYRRHOS.
Gang der italischen Verhältnisse. In der That gewann er nicht bloſs schnell zurück was von seinem Reiche war abge- rissen worden, sondern er griff noch einmal und nicht ohne Erfolg nach der makedonischen Krone. Allein an Antigonos Gonatas ruhiger und umsichtiger Politik und mehr noch an seinem eigenen Ungestüm und der Unfähigkeit den stolzen Sinn zu zähmen scheiterten seine letzten Pläne; er gewann noch Schlachten, aber keinen Erfolg mehr und verlor Herr- schaft und Leben in einem elenden Straſsengefecht im pelo- ponnesischen Argos (482).
In Italien ist der Kampf zu Ende mit der Schlacht bei Benevent; langsam verenden die letzten Zuckungen der itali- schen Nationalpartei. Zwar so lange der Held, dessen mäch- tiger Arm es gewagt hatte dem Schicksal in die Zügel zu fallen, noch unter den Lebenden war, hielt er, wenn gleich abwesend, gegen Rom die feste Burg von Tarent. Mochte auch die tarentinische Friedenspartei nach des Königs Ent- fernung in der Stadt die Oberhand gewinnen, Milon, der für Pyrrhos darin den Befehl führte, wies ihre Anmuthungen ab und lieſs die römisch gesinnten Städter in dem Castell, das sie im Gebiet von Tarent sich errichtet hatten, auf ihre eigene Hand Frieden schlieſsen mit Rom, wie es ihnen beliebte, ohne darum seine Thore zu öffnen. Aber als Pyrrhos todt war und Milon die Bürgerschaft im Begriff sah die Stadt auszuliefern an die Karthager, die schon mit einer Flotte im Hafen lagen, zog er es vor dem römischen Consul Lucius Papirius die Burg zu übergeben (482) und damit für sich und die Seinigen freien Abzug zu erkaufen — ein ungeheurer Glücksfall für die Römer, denn nach den Erfahrungen, die Philipp vor Pe- rinth und Byzanz, Demetrios vor Rhodos, Pyrrhos vor Lily- baeon gemacht hatten, lieſs sich bezweifeln, ob die damalige Strategik überhaupt im Stande war eine regelmäſsig befestigte und von der See her zugängliche Stadt zur Uebergabe zu zwingen; und was hätte kommen mögen, wenn die Punier in Tarent sich gegen die Römer hielten wie in Lilybaeon gegen die Griechen! Nachdem die Uebergabe geschehen war, fuhren die Karthager heim unter dem Vorgeben, daſs sie den Römern hätten zur Hülfe kommen wollen; was sie nachher, als eine römische Gesandtschaft Beschwerde zu führen in Karthago erschien, mit feierlichen Eiden zu bekräftigen sich nicht scheuten. Die Tarentiner erhielten, vermuthlich durch Ver- mittelung ihrer Emigrirten, die Autonomie zurück; aber Waf-
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KOENIG PYRRHOS.
Gang der italischen Verhältnisse. In der That gewann er
nicht bloſs schnell zurück was von seinem Reiche war abge-
rissen worden, sondern er griff noch einmal und nicht ohne
Erfolg nach der makedonischen Krone. Allein an Antigonos
Gonatas ruhiger und umsichtiger Politik und mehr noch an
seinem eigenen Ungestüm und der Unfähigkeit den stolzen
Sinn zu zähmen scheiterten seine letzten Pläne; er gewann
noch Schlachten, aber keinen Erfolg mehr und verlor Herr-
schaft und Leben in einem elenden Straſsengefecht im pelo-
ponnesischen Argos (482).
In Italien ist der Kampf zu Ende mit der Schlacht bei
Benevent; langsam verenden die letzten Zuckungen der itali-
schen Nationalpartei. Zwar so lange der Held, dessen mäch-
tiger Arm es gewagt hatte dem Schicksal in die Zügel zu
fallen, noch unter den Lebenden war, hielt er, wenn gleich
abwesend, gegen Rom die feste Burg von Tarent. Mochte
auch die tarentinische Friedenspartei nach des Königs Ent-
fernung in der Stadt die Oberhand gewinnen, Milon, der für
Pyrrhos darin den Befehl führte, wies ihre Anmuthungen ab
und lieſs die römisch gesinnten Städter in dem Castell, das
sie im Gebiet von Tarent sich errichtet hatten, auf ihre eigene
Hand Frieden schlieſsen mit Rom, wie es ihnen beliebte, ohne
darum seine Thore zu öffnen. Aber als Pyrrhos todt war und
Milon die Bürgerschaft im Begriff sah die Stadt auszuliefern
an die Karthager, die schon mit einer Flotte im Hafen lagen,
zog er es vor dem römischen Consul Lucius Papirius die Burg
zu übergeben (482) und damit für sich und die Seinigen
freien Abzug zu erkaufen — ein ungeheurer Glücksfall für
die Römer, denn nach den Erfahrungen, die Philipp vor Pe-
rinth und Byzanz, Demetrios vor Rhodos, Pyrrhos vor Lily-
baeon gemacht hatten, lieſs sich bezweifeln, ob die damalige
Strategik überhaupt im Stande war eine regelmäſsig befestigte
und von der See her zugängliche Stadt zur Uebergabe zu
zwingen; und was hätte kommen mögen, wenn die Punier in
Tarent sich gegen die Römer hielten wie in Lilybaeon gegen
die Griechen! Nachdem die Uebergabe geschehen war, fuhren
die Karthager heim unter dem Vorgeben, daſs sie den Römern
hätten zur Hülfe kommen wollen; was sie nachher, als eine
römische Gesandtschaft Beschwerde zu führen in Karthago
erschien, mit feierlichen Eiden zu bekräftigen sich nicht
scheuten. Die Tarentiner erhielten, vermuthlich durch Ver-
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/293>, abgerufen am 23.11.2024.
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