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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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ZWEITES BUCH. KAPITEL VII.
nicht mehr als Mittel zum Zwecke führt, sondern um im
wilden Würfelspiel sich zu betäuben und wo möglich im
Schlachtgetümmel einen Soldatentod zu finden. An der ita-
lischen Küste angelangt begann der König mit einem Versuch
sich Rhegions zu bemächtigen; aber die Campaner erwehrten
sich seiner mit Hülfe der Mamertiner und der König ward in
dem hitzigen Gefecht vor der Stadt selbst verwundet, indem
er einen feindlichen Offizier vom Pferde hieb. Dagegen über-
rumpelte er Lokri, dessen Einwohner die Niedermetzelung der
epeirotischen Besatzung schwer büssten, und plünderte den
reichen Schatz des Persephonetempels daselbst, um seine leere
Kasse zu füllen. So gelangte er nach Tarent, angeblich mit
20000 Mann zu Fuss und 3000 Reitern. Aber es waren nicht
mehr die erprobten Veteranen von vordem und nicht mehr be-
grüssten die Italiker in ihnen ihre Retter; das Vertrauen und die
Hoffnung, damit man den König fünf Jahre zuvor empfing, waren
gewichen, den Verbündeten Geld und Mannschaft ausgegangen.
Den schwer bedrängten Samniten, in deren Gebiet die Römer
478/9 überwintert hatten, zu Hülfe rückte der König im Frühjahr
479 ins Feld und zwang bei Benevent auf dem arusinischen
Felde den Consul Manius Curius zur Schlacht, bevor er sich
mit seinem von Lucanien heranrückenden Collegen vereinigen
konnte. Aber ein Versuch durch einen Nachtmarsch den
Römern ein Corps in die Flanke zu werfen schlug fehl, da
dasselbe sich in den Wäldern verirrte; und nach heftigem
Kampf in der Ebene entschieden auch hier wieder die Ele-
phanten die Schlacht, aber diesmal für die Römer, indem sie,
von den zur Bedeckung des Lagers aufgestellten Schützen in
Verwirrung gebracht, auf ihre eigenen Leute sich warfen. Die
Sieger besetzten das Lager; 1300 Gefangene fielen in ihre
Hände und vier Elephanten -- die ersten, die Rom sah,
ausserdem eine unermessliche Beute, aus deren Erlös später
in Rom eine gewaltige Wasserleitung gebaut ward. Ohne Geld
und ohne Truppen um das Feld zu halten sandte Pyrrhos an
seine Verbündeten, die ihm zur Ausrüstung nach Italien ge-
steuert hatten, die Könige von Makedonien und Asien; aber man
fürchtete ihn auch in der Heimath nicht mehr und schlug die
Bitte ab. Verzweifelnd an dem Erfolg gegen Rom und er-
bittert durch diese Weigerungen liess Pyrrhos Besatzung in
Tarent und ging selber noch im selben Jahre (479) heim
nach Griechenland, wo dem verzweifelten Spieler eher noch
sich eine Aussicht bot als bei dem stetigen und gemessenen

ZWEITES BUCH. KAPITEL VII.
nicht mehr als Mittel zum Zwecke führt, sondern um im
wilden Würfelspiel sich zu betäuben und wo möglich im
Schlachtgetümmel einen Soldatentod zu finden. An der ita-
lischen Küste angelangt begann der König mit einem Versuch
sich Rhegions zu bemächtigen; aber die Campaner erwehrten
sich seiner mit Hülfe der Mamertiner und der König ward in
dem hitzigen Gefecht vor der Stadt selbst verwundet, indem
er einen feindlichen Offizier vom Pferde hieb. Dagegen über-
rumpelte er Lokri, dessen Einwohner die Niedermetzelung der
epeirotischen Besatzung schwer büſsten, und plünderte den
reichen Schatz des Persephonetempels daselbst, um seine leere
Kasse zu füllen. So gelangte er nach Tarent, angeblich mit
20000 Mann zu Fuſs und 3000 Reitern. Aber es waren nicht
mehr die erprobten Veteranen von vordem und nicht mehr be-
grüſsten die Italiker in ihnen ihre Retter; das Vertrauen und die
Hoffnung, damit man den König fünf Jahre zuvor empfing, waren
gewichen, den Verbündeten Geld und Mannschaft ausgegangen.
Den schwer bedrängten Samniten, in deren Gebiet die Römer
478/9 überwintert hatten, zu Hülfe rückte der König im Frühjahr
479 ins Feld und zwang bei Benevent auf dem arusinischen
Felde den Consul Manius Curius zur Schlacht, bevor er sich
mit seinem von Lucanien heranrückenden Collegen vereinigen
konnte. Aber ein Versuch durch einen Nachtmarsch den
Römern ein Corps in die Flanke zu werfen schlug fehl, da
dasselbe sich in den Wäldern verirrte; und nach heftigem
Kampf in der Ebene entschieden auch hier wieder die Ele-
phanten die Schlacht, aber diesmal für die Römer, indem sie,
von den zur Bedeckung des Lagers aufgestellten Schützen in
Verwirrung gebracht, auf ihre eigenen Leute sich warfen. Die
Sieger besetzten das Lager; 1300 Gefangene fielen in ihre
Hände und vier Elephanten — die ersten, die Rom sah,
auſserdem eine unermeſsliche Beute, aus deren Erlös später
in Rom eine gewaltige Wasserleitung gebaut ward. Ohne Geld
und ohne Truppen um das Feld zu halten sandte Pyrrhos an
seine Verbündeten, die ihm zur Ausrüstung nach Italien ge-
steuert hatten, die Könige von Makedonien und Asien; aber man
fürchtete ihn auch in der Heimath nicht mehr und schlug die
Bitte ab. Verzweifelnd an dem Erfolg gegen Rom und er-
bittert durch diese Weigerungen lieſs Pyrrhos Besatzung in
Tarent und ging selber noch im selben Jahre (479) heim
nach Griechenland, wo dem verzweifelten Spieler eher noch
sich eine Aussicht bot als bei dem stetigen und gemessenen

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[278/0292] ZWEITES BUCH. KAPITEL VII. nicht mehr als Mittel zum Zwecke führt, sondern um im wilden Würfelspiel sich zu betäuben und wo möglich im Schlachtgetümmel einen Soldatentod zu finden. An der ita- lischen Küste angelangt begann der König mit einem Versuch sich Rhegions zu bemächtigen; aber die Campaner erwehrten sich seiner mit Hülfe der Mamertiner und der König ward in dem hitzigen Gefecht vor der Stadt selbst verwundet, indem er einen feindlichen Offizier vom Pferde hieb. Dagegen über- rumpelte er Lokri, dessen Einwohner die Niedermetzelung der epeirotischen Besatzung schwer büſsten, und plünderte den reichen Schatz des Persephonetempels daselbst, um seine leere Kasse zu füllen. So gelangte er nach Tarent, angeblich mit 20000 Mann zu Fuſs und 3000 Reitern. Aber es waren nicht mehr die erprobten Veteranen von vordem und nicht mehr be- grüſsten die Italiker in ihnen ihre Retter; das Vertrauen und die Hoffnung, damit man den König fünf Jahre zuvor empfing, waren gewichen, den Verbündeten Geld und Mannschaft ausgegangen. Den schwer bedrängten Samniten, in deren Gebiet die Römer 478/9 überwintert hatten, zu Hülfe rückte der König im Frühjahr 479 ins Feld und zwang bei Benevent auf dem arusinischen Felde den Consul Manius Curius zur Schlacht, bevor er sich mit seinem von Lucanien heranrückenden Collegen vereinigen konnte. Aber ein Versuch durch einen Nachtmarsch den Römern ein Corps in die Flanke zu werfen schlug fehl, da dasselbe sich in den Wäldern verirrte; und nach heftigem Kampf in der Ebene entschieden auch hier wieder die Ele- phanten die Schlacht, aber diesmal für die Römer, indem sie, von den zur Bedeckung des Lagers aufgestellten Schützen in Verwirrung gebracht, auf ihre eigenen Leute sich warfen. Die Sieger besetzten das Lager; 1300 Gefangene fielen in ihre Hände und vier Elephanten — die ersten, die Rom sah, auſserdem eine unermeſsliche Beute, aus deren Erlös später in Rom eine gewaltige Wasserleitung gebaut ward. Ohne Geld und ohne Truppen um das Feld zu halten sandte Pyrrhos an seine Verbündeten, die ihm zur Ausrüstung nach Italien ge- steuert hatten, die Könige von Makedonien und Asien; aber man fürchtete ihn auch in der Heimath nicht mehr und schlug die Bitte ab. Verzweifelnd an dem Erfolg gegen Rom und er- bittert durch diese Weigerungen lieſs Pyrrhos Besatzung in Tarent und ging selber noch im selben Jahre (479) heim nach Griechenland, wo dem verzweifelten Spieler eher noch sich eine Aussicht bot als bei dem stetigen und gemessenen

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/292>, abgerufen am 25.11.2024.