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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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KOENIG PYRRHOS.
und zu energischen Anstrengungen aufrufen konnte. Lucanien
war für die Römer verloren; Laevinus zog die dort stehenden
Truppen an sich und ging nach Apulien. Die Brettier, Lu-
caner, Samniten vereinigten sich ungehindert mit Pyrrhos.
Mit Ausnahme von Rhegion, das unter dem Druck der campa-
nischen Meuterer schmachtete, fielen die Griechenstädte sämmt-
lich dem König zu, ja Lokri lieferte ihm freiwillig die römische
Besatzung aus; von ihm waren sie überzeugt, und mit Recht,
dass er sie den Italikern nicht preisgeben werde. So war
bald ganz Unteritalien mit Ausnahme von Venusia den Rö-
mern verloren; aber weiter wirkte der Sieg nicht. Den am
Siris Gefangenen, deren tapfere Haltung der ritterliche Kö-
nig durch die ehrenvollste Behandlung vergalt, bot er nach
griechischer Sitte an in sein Heer einzutreten; allein er er-
fuhr, dass er nicht mit Söldnern focht, sondern mit einem
Volke. Nicht einer, weder Römer noch Bundesgenosse, nahm
bei ihm Dienste.

Pyrrhos bot den Römern Frieden an. Er traute seinem
Siege nicht und hoffte durchsetzen zu können, dass die grie-
chischen Städte in Italien frei würden und zwischen ihnen
und Rom eine Reihe Staaten zweiten und dritten Ranges sich
bilde als abhängige Verbündete der neuen griechischen Macht;
denn darauf gingen seine Forderungen: Entlassung aller griechi-
schen Städte -- also namentlich der campanischen und lucani-
schen -- aus der römischen Botmässigkeit und Rückgabe des
den Samniten, Dauniern, Lucanern, Brettiern abgenommenen
Gebiets, das heisst namentlich Aufgabe von Luceria und Venusia.
Konnte ein weiterer Kampf mit Rom auch schwerlich vermieden
werden, so war es doch wünschenswerth diesen erst zu begin-
nen, wenn die westlichen Hellenen unter einem Herrn vereinigt,
Sicilien gewonnen, vielleicht Africa erobert war. -- Mit solchen
Instructionen begab sich Pyrrhos vertrauter Minister, der
Thessalier Kineas nach Rom. Der gewandte Unterhändler,
den seine Zeitgenossen dem Demosthenes verglichen, so weit
sich dem Staatsmann der Rhetor, dem Volksführer der Her-
rendiener vergleichen lässt, hatte Auftrag die Achtung, die der
Sieger von Herakleia für seine Besiegten in der That empfand,
auf alle Weise zur Schau zu tragen, den Wunsch des Königs
selber nach Rom zu kommen zu erkennen zu geben, durch die
im Munde des Feindes so wohlklingende Lob- und durch ernste
Schmeichelrede, gelegentlich auch durch wohlangebrachte Ge-
schenke die Gemüther zu des Königs Gunsten zu stimmen,

KOENIG PYRRHOS.
und zu energischen Anstrengungen aufrufen konnte. Lucanien
war für die Römer verloren; Laevinus zog die dort stehenden
Truppen an sich und ging nach Apulien. Die Brettier, Lu-
caner, Samniten vereinigten sich ungehindert mit Pyrrhos.
Mit Ausnahme von Rhegion, das unter dem Druck der campa-
nischen Meuterer schmachtete, fielen die Griechenstädte sämmt-
lich dem König zu, ja Lokri lieferte ihm freiwillig die römische
Besatzung aus; von ihm waren sie überzeugt, und mit Recht,
daſs er sie den Italikern nicht preisgeben werde. So war
bald ganz Unteritalien mit Ausnahme von Venusia den Rö-
mern verloren; aber weiter wirkte der Sieg nicht. Den am
Siris Gefangenen, deren tapfere Haltung der ritterliche Kö-
nig durch die ehrenvollste Behandlung vergalt, bot er nach
griechischer Sitte an in sein Heer einzutreten; allein er er-
fuhr, daſs er nicht mit Söldnern focht, sondern mit einem
Volke. Nicht einer, weder Römer noch Bundesgenosse, nahm
bei ihm Dienste.

Pyrrhos bot den Römern Frieden an. Er traute seinem
Siege nicht und hoffte durchsetzen zu können, daſs die grie-
chischen Städte in Italien frei würden und zwischen ihnen
und Rom eine Reihe Staaten zweiten und dritten Ranges sich
bilde als abhängige Verbündete der neuen griechischen Macht;
denn darauf gingen seine Forderungen: Entlassung aller griechi-
schen Städte — also namentlich der campanischen und lucani-
schen — aus der römischen Botmäſsigkeit und Rückgabe des
den Samniten, Dauniern, Lucanern, Brettiern abgenommenen
Gebiets, das heiſst namentlich Aufgabe von Luceria und Venusia.
Konnte ein weiterer Kampf mit Rom auch schwerlich vermieden
werden, so war es doch wünschenswerth diesen erst zu begin-
nen, wenn die westlichen Hellenen unter einem Herrn vereinigt,
Sicilien gewonnen, vielleicht Africa erobert war. — Mit solchen
Instructionen begab sich Pyrrhos vertrauter Minister, der
Thessalier Kineas nach Rom. Der gewandte Unterhändler,
den seine Zeitgenossen dem Demosthenes verglichen, so weit
sich dem Staatsmann der Rhetor, dem Volksführer der Her-
rendiener vergleichen läſst, hatte Auftrag die Achtung, die der
Sieger von Herakleia für seine Besiegten in der That empfand,
auf alle Weise zur Schau zu tragen, den Wunsch des Königs
selber nach Rom zu kommen zu erkennen zu geben, durch die
im Munde des Feindes so wohlklingende Lob- und durch ernste
Schmeichelrede, gelegentlich auch durch wohlangebrachte Ge-
schenke die Gemüther zu des Königs Gunsten zu stimmen,

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[267/0281] KOENIG PYRRHOS. und zu energischen Anstrengungen aufrufen konnte. Lucanien war für die Römer verloren; Laevinus zog die dort stehenden Truppen an sich und ging nach Apulien. Die Brettier, Lu- caner, Samniten vereinigten sich ungehindert mit Pyrrhos. Mit Ausnahme von Rhegion, das unter dem Druck der campa- nischen Meuterer schmachtete, fielen die Griechenstädte sämmt- lich dem König zu, ja Lokri lieferte ihm freiwillig die römische Besatzung aus; von ihm waren sie überzeugt, und mit Recht, daſs er sie den Italikern nicht preisgeben werde. So war bald ganz Unteritalien mit Ausnahme von Venusia den Rö- mern verloren; aber weiter wirkte der Sieg nicht. Den am Siris Gefangenen, deren tapfere Haltung der ritterliche Kö- nig durch die ehrenvollste Behandlung vergalt, bot er nach griechischer Sitte an in sein Heer einzutreten; allein er er- fuhr, daſs er nicht mit Söldnern focht, sondern mit einem Volke. Nicht einer, weder Römer noch Bundesgenosse, nahm bei ihm Dienste. Pyrrhos bot den Römern Frieden an. Er traute seinem Siege nicht und hoffte durchsetzen zu können, daſs die grie- chischen Städte in Italien frei würden und zwischen ihnen und Rom eine Reihe Staaten zweiten und dritten Ranges sich bilde als abhängige Verbündete der neuen griechischen Macht; denn darauf gingen seine Forderungen: Entlassung aller griechi- schen Städte — also namentlich der campanischen und lucani- schen — aus der römischen Botmäſsigkeit und Rückgabe des den Samniten, Dauniern, Lucanern, Brettiern abgenommenen Gebiets, das heiſst namentlich Aufgabe von Luceria und Venusia. Konnte ein weiterer Kampf mit Rom auch schwerlich vermieden werden, so war es doch wünschenswerth diesen erst zu begin- nen, wenn die westlichen Hellenen unter einem Herrn vereinigt, Sicilien gewonnen, vielleicht Africa erobert war. — Mit solchen Instructionen begab sich Pyrrhos vertrauter Minister, der Thessalier Kineas nach Rom. Der gewandte Unterhändler, den seine Zeitgenossen dem Demosthenes verglichen, so weit sich dem Staatsmann der Rhetor, dem Volksführer der Her- rendiener vergleichen läſst, hatte Auftrag die Achtung, die der Sieger von Herakleia für seine Besiegten in der That empfand, auf alle Weise zur Schau zu tragen, den Wunsch des Königs selber nach Rom zu kommen zu erkennen zu geben, durch die im Munde des Feindes so wohlklingende Lob- und durch ernste Schmeichelrede, gelegentlich auch durch wohlangebrachte Ge- schenke die Gemüther zu des Königs Gunsten zu stimmen,

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/281>, abgerufen am 22.11.2024.