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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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ZWEITES BUCH. KAPITEL VI.
den König Pyrrhos im Besitz der Insel gegen Demetrios schützen
halfen, und ebenso hörte Agathokles nicht auf durch seine itali-
sche Politik den Tarentinern Sorge zu machen. Als er starb (465)
und mit ihm die Macht der Syrakusaner in Italien zu Grunde
ging, war es zu spät; Samnium, des siebenunddreissigjährigen
Kampfes müde, hatte das Jahr vorher (464) mit dem römi-
schen Consul Manius Curius Dentatus Friede geschlossen und
der Form nach den Bund mit Rom erneuert. Auch diesmal
wurden wie im Frieden von 450 keine schimpflichen Bedin-
gungen gestellt und Samnium seiner äusseren Unabhängigkeit
nicht beraubt; nicht einmal Gebietsabtretungen scheinen statt-
gefunden zu haben. Die römische Staatsklugheit zog es vor
auf dem bisher eingehaltenen Wege fortzuschreiten und, ehe
man ging an die unmittelbare Eroberung des Binnenlandes,
zunächst das campanische und adriatische Littoral fest an
Rom zu knüpfen. Campanien zwar war längst unterthänig;
allein die weitblickende römische Politik fand es nöthig zur
Sicherung der campanischen Küste dort zwei Strandfestungen
anzulegen, Minturnae und Sinuessa (459), deren neue Bürger-
schaften nach dem feststehenden Grundsatz in das volle römi-
sche Bürgerrecht eintraten und kein auch nur der Form nach
selbstständiges Gemeinwesen bilden durften. Energischer noch
ward die Ausdehnung der römischen Herrschaft in Mittelita-
lien betrieben. Hier wurde den sämmtlichen Sabinern nach
kurzer und ohnmächtiger Gegenwehr das römische Untertha-
nenrecht aufgenöthigt (464) und in den Abruzzen nicht weit
von der Küste die starke Festung Hatria angelegt (465), wo-
durch die über Carsioli und Alba gezogene militärische Linie
bis nah an das adriatische Meer geführt war. Aber die wich-
tigste Gründung von allen war die von Venusia (463), wohin
die unerhörte Zahl von 20000 Colonisten geführt ward; die
Stadt, in einer ungemein festen Stellung an der Markscheide
von Samnium, Apulien und Lucanien, auf der grossen Strasse
zwischen Tarent und Samnium gegründet, war bestimmt als
Zwingburg für die umwohnenden Völkerschaften und vor allen
Dingen zur Unterbrechung der Verbindung zwischen den bei-
den mächtigsten Feinden Roms im südlichen Italien. So er-
streckte sich, als die samnitischen Kriege zu Ende gingen,
das geschlossene römische Gebiet nordwärts bis zum cimini-
schen Walde, östlich bis an die Abruzzen, südlich bis nach
Capua, während die beiden vorgeschobenen Posten, Luceria
und Venusia, gegen Osten und Süden auf den Verbindungs-

ZWEITES BUCH. KAPITEL VI.
den König Pyrrhos im Besitz der Insel gegen Demetrios schützen
halfen, und ebenso hörte Agathokles nicht auf durch seine itali-
sche Politik den Tarentinern Sorge zu machen. Als er starb (465)
und mit ihm die Macht der Syrakusaner in Italien zu Grunde
ging, war es zu spät; Samnium, des siebenunddreiſsigjährigen
Kampfes müde, hatte das Jahr vorher (464) mit dem römi-
schen Consul Manius Curius Dentatus Friede geschlossen und
der Form nach den Bund mit Rom erneuert. Auch diesmal
wurden wie im Frieden von 450 keine schimpflichen Bedin-
gungen gestellt und Samnium seiner äuſseren Unabhängigkeit
nicht beraubt; nicht einmal Gebietsabtretungen scheinen statt-
gefunden zu haben. Die römische Staatsklugheit zog es vor
auf dem bisher eingehaltenen Wege fortzuschreiten und, ehe
man ging an die unmittelbare Eroberung des Binnenlandes,
zunächst das campanische und adriatische Littoral fest an
Rom zu knüpfen. Campanien zwar war längst unterthänig;
allein die weitblickende römische Politik fand es nöthig zur
Sicherung der campanischen Küste dort zwei Strandfestungen
anzulegen, Minturnae und Sinuessa (459), deren neue Bürger-
schaften nach dem feststehenden Grundsatz in das volle römi-
sche Bürgerrecht eintraten und kein auch nur der Form nach
selbstständiges Gemeinwesen bilden durften. Energischer noch
ward die Ausdehnung der römischen Herrschaft in Mittelita-
lien betrieben. Hier wurde den sämmtlichen Sabinern nach
kurzer und ohnmächtiger Gegenwehr das römische Untertha-
nenrecht aufgenöthigt (464) und in den Abruzzen nicht weit
von der Küste die starke Festung Hatria angelegt (465), wo-
durch die über Carsioli und Alba gezogene militärische Linie
bis nah an das adriatische Meer geführt war. Aber die wich-
tigste Gründung von allen war die von Venusia (463), wohin
die unerhörte Zahl von 20000 Colonisten geführt ward; die
Stadt, in einer ungemein festen Stellung an der Markscheide
von Samnium, Apulien und Lucanien, auf der groſsen Straſse
zwischen Tarent und Samnium gegründet, war bestimmt als
Zwingburg für die umwohnenden Völkerschaften und vor allen
Dingen zur Unterbrechung der Verbindung zwischen den bei-
den mächtigsten Feinden Roms im südlichen Italien. So er-
streckte sich, als die samnitischen Kriege zu Ende gingen,
das geschlossene römische Gebiet nordwärts bis zum cimini-
schen Walde, östlich bis an die Abruzzen, südlich bis nach
Capua, während die beiden vorgeschobenen Posten, Luceria
und Venusia, gegen Osten und Süden auf den Verbindungs-

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[250/0264] ZWEITES BUCH. KAPITEL VI. den König Pyrrhos im Besitz der Insel gegen Demetrios schützen halfen, und ebenso hörte Agathokles nicht auf durch seine itali- sche Politik den Tarentinern Sorge zu machen. Als er starb (465) und mit ihm die Macht der Syrakusaner in Italien zu Grunde ging, war es zu spät; Samnium, des siebenunddreiſsigjährigen Kampfes müde, hatte das Jahr vorher (464) mit dem römi- schen Consul Manius Curius Dentatus Friede geschlossen und der Form nach den Bund mit Rom erneuert. Auch diesmal wurden wie im Frieden von 450 keine schimpflichen Bedin- gungen gestellt und Samnium seiner äuſseren Unabhängigkeit nicht beraubt; nicht einmal Gebietsabtretungen scheinen statt- gefunden zu haben. Die römische Staatsklugheit zog es vor auf dem bisher eingehaltenen Wege fortzuschreiten und, ehe man ging an die unmittelbare Eroberung des Binnenlandes, zunächst das campanische und adriatische Littoral fest an Rom zu knüpfen. Campanien zwar war längst unterthänig; allein die weitblickende römische Politik fand es nöthig zur Sicherung der campanischen Küste dort zwei Strandfestungen anzulegen, Minturnae und Sinuessa (459), deren neue Bürger- schaften nach dem feststehenden Grundsatz in das volle römi- sche Bürgerrecht eintraten und kein auch nur der Form nach selbstständiges Gemeinwesen bilden durften. Energischer noch ward die Ausdehnung der römischen Herrschaft in Mittelita- lien betrieben. Hier wurde den sämmtlichen Sabinern nach kurzer und ohnmächtiger Gegenwehr das römische Untertha- nenrecht aufgenöthigt (464) und in den Abruzzen nicht weit von der Küste die starke Festung Hatria angelegt (465), wo- durch die über Carsioli und Alba gezogene militärische Linie bis nah an das adriatische Meer geführt war. Aber die wich- tigste Gründung von allen war die von Venusia (463), wohin die unerhörte Zahl von 20000 Colonisten geführt ward; die Stadt, in einer ungemein festen Stellung an der Markscheide von Samnium, Apulien und Lucanien, auf der groſsen Straſse zwischen Tarent und Samnium gegründet, war bestimmt als Zwingburg für die umwohnenden Völkerschaften und vor allen Dingen zur Unterbrechung der Verbindung zwischen den bei- den mächtigsten Feinden Roms im südlichen Italien. So er- streckte sich, als die samnitischen Kriege zu Ende gingen, das geschlossene römische Gebiet nordwärts bis zum cimini- schen Walde, östlich bis an die Abruzzen, südlich bis nach Capua, während die beiden vorgeschobenen Posten, Luceria und Venusia, gegen Osten und Süden auf den Verbindungs-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/264>, abgerufen am 22.11.2024.