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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DIE ITALIKER GEGEN ROM.
Volke das Zeugniss nicht versagen, dass es seine Pflicht be-
griffen und gethan hat.

Mehrere Jahre schon währte der Hader zwischen Rom
und Samnium in Folge der beständigen Uebergriffe, die die
Römer sich am Liris erlaubten und unter denen die Grün-
dung von Fregellae 426 der letzte und wichtigste war. Zum
Ausbruch des Kampfes aber gaben die Veranlassung die cam-
panischen Griechen. Die Zwillingsstädte Palaeo- und Neopolis,
die eine politische Einheit gebildet und auch die griechischen
Inseln im Golf beherrscht zu haben scheinen, waren inner-
halb des römischen Gebiets die einzigen noch nicht unter-
worfenen Gemeinden. Die Tarentiner und Samniten, unter-
richtet von dem Plane der Römer sich dieser Städte zu
bemächtigen, beschlossen ihnen zuvorzukommen. Allein die
Tarentiner waren nicht so wohl zu fern als zu schlaff um
diesen Plan auszuführen; wogegen die Samniten in der That
eine starke Besatzung nach Palaeopolis hineinwarfen. Sofort
erklärten die Römer dem Namen nach den Palaeopolitanern,
in der That den Samniten den Krieg (427). Nachdem die
Belagerung eine Weile gewährt hatte, wurden Unterhandlun-
gen angeknüpft zwischen den Römern und den campanischen
Griechen, die des gestörten Handels und der fremden Be-
satzung müde waren. Die Römer, deren ganzes Bestreben
darauf gerichtet war die Staaten zweiten und dritten Ranges
durch Sonderverträge von der Coalition, deren Bildung bevor-
stand, fernzuhalten und die überhaupt durch ihre Diplomatie
eben so sehr wie durch ihre Legionen ihre Absichten durch-
zusetzen gewohnt waren, beeilten sich den Griechen die gün-
stigsten Bedingungen zu bieten: volle Rechtsgleichheit und
Befreiung vom Militärdienst, gleiches Bündniss und ewigen
Frieden. Darauf hin ward, nachdem die Palaeopolitaner sich
der Besatzung durch List entledigt hatten, der Vertrag abge-
schlossen (428). Die sabellischen Städte südlich vom Vol-
turnus, Nola, Nuceria, Herculaneum, Pompeii, hielten zwar
wenigstens im Anfang des Krieges mit Samnium; allein theils
ihre sehr ausgesetzte Lage, theils die Machinationen der Rö-
mer, welche die optimatische Partei in diesen Städten durch
alle Hebel der List und des Eigennutzes auf ihre Seite zu
ziehen versuchten und die an Capuas Vorgang einen mäch-
tigen Fürsprecher fanden, bewirkten, dass diese Städte nach
dem Fall von Palaeopolis sich entweder für Rom erklärten
oder doch neutral blieben. Ein wichtigerer Erfolg gelang den

DIE ITALIKER GEGEN ROM.
Volke das Zeugniſs nicht versagen, daſs es seine Pflicht be-
griffen und gethan hat.

Mehrere Jahre schon währte der Hader zwischen Rom
und Samnium in Folge der beständigen Uebergriffe, die die
Römer sich am Liris erlaubten und unter denen die Grün-
dung von Fregellae 426 der letzte und wichtigste war. Zum
Ausbruch des Kampfes aber gaben die Veranlassung die cam-
panischen Griechen. Die Zwillingsstädte Palaeo- und Neopolis,
die eine politische Einheit gebildet und auch die griechischen
Inseln im Golf beherrscht zu haben scheinen, waren inner-
halb des römischen Gebiets die einzigen noch nicht unter-
worfenen Gemeinden. Die Tarentiner und Samniten, unter-
richtet von dem Plane der Römer sich dieser Städte zu
bemächtigen, beschlossen ihnen zuvorzukommen. Allein die
Tarentiner waren nicht so wohl zu fern als zu schlaff um
diesen Plan auszuführen; wogegen die Samniten in der That
eine starke Besatzung nach Palaeopolis hineinwarfen. Sofort
erklärten die Römer dem Namen nach den Palaeopolitanern,
in der That den Samniten den Krieg (427). Nachdem die
Belagerung eine Weile gewährt hatte, wurden Unterhandlun-
gen angeknüpft zwischen den Römern und den campanischen
Griechen, die des gestörten Handels und der fremden Be-
satzung müde waren. Die Römer, deren ganzes Bestreben
darauf gerichtet war die Staaten zweiten und dritten Ranges
durch Sonderverträge von der Coalition, deren Bildung bevor-
stand, fernzuhalten und die überhaupt durch ihre Diplomatie
eben so sehr wie durch ihre Legionen ihre Absichten durch-
zusetzen gewohnt waren, beeilten sich den Griechen die gün-
stigsten Bedingungen zu bieten: volle Rechtsgleichheit und
Befreiung vom Militärdienst, gleiches Bündniſs und ewigen
Frieden. Darauf hin ward, nachdem die Palaeopolitaner sich
der Besatzung durch List entledigt hatten, der Vertrag abge-
schlossen (428). Die sabellischen Städte südlich vom Vol-
turnus, Nola, Nuceria, Herculaneum, Pompeii, hielten zwar
wenigstens im Anfang des Krieges mit Samnium; allein theils
ihre sehr ausgesetzte Lage, theils die Machinationen der Rö-
mer, welche die optimatische Partei in diesen Städten durch
alle Hebel der List und des Eigennutzes auf ihre Seite zu
ziehen versuchten und die an Capuas Vorgang einen mäch-
tigen Fürsprecher fanden, bewirkten, daſs diese Städte nach
dem Fall von Palaeopolis sich entweder für Rom erklärten
oder doch neutral blieben. Ein wichtigerer Erfolg gelang den

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[235/0249] DIE ITALIKER GEGEN ROM. Volke das Zeugniſs nicht versagen, daſs es seine Pflicht be- griffen und gethan hat. Mehrere Jahre schon währte der Hader zwischen Rom und Samnium in Folge der beständigen Uebergriffe, die die Römer sich am Liris erlaubten und unter denen die Grün- dung von Fregellae 426 der letzte und wichtigste war. Zum Ausbruch des Kampfes aber gaben die Veranlassung die cam- panischen Griechen. Die Zwillingsstädte Palaeo- und Neopolis, die eine politische Einheit gebildet und auch die griechischen Inseln im Golf beherrscht zu haben scheinen, waren inner- halb des römischen Gebiets die einzigen noch nicht unter- worfenen Gemeinden. Die Tarentiner und Samniten, unter- richtet von dem Plane der Römer sich dieser Städte zu bemächtigen, beschlossen ihnen zuvorzukommen. Allein die Tarentiner waren nicht so wohl zu fern als zu schlaff um diesen Plan auszuführen; wogegen die Samniten in der That eine starke Besatzung nach Palaeopolis hineinwarfen. Sofort erklärten die Römer dem Namen nach den Palaeopolitanern, in der That den Samniten den Krieg (427). Nachdem die Belagerung eine Weile gewährt hatte, wurden Unterhandlun- gen angeknüpft zwischen den Römern und den campanischen Griechen, die des gestörten Handels und der fremden Be- satzung müde waren. Die Römer, deren ganzes Bestreben darauf gerichtet war die Staaten zweiten und dritten Ranges durch Sonderverträge von der Coalition, deren Bildung bevor- stand, fernzuhalten und die überhaupt durch ihre Diplomatie eben so sehr wie durch ihre Legionen ihre Absichten durch- zusetzen gewohnt waren, beeilten sich den Griechen die gün- stigsten Bedingungen zu bieten: volle Rechtsgleichheit und Befreiung vom Militärdienst, gleiches Bündniſs und ewigen Frieden. Darauf hin ward, nachdem die Palaeopolitaner sich der Besatzung durch List entledigt hatten, der Vertrag abge- schlossen (428). Die sabellischen Städte südlich vom Vol- turnus, Nola, Nuceria, Herculaneum, Pompeii, hielten zwar wenigstens im Anfang des Krieges mit Samnium; allein theils ihre sehr ausgesetzte Lage, theils die Machinationen der Rö- mer, welche die optimatische Partei in diesen Städten durch alle Hebel der List und des Eigennutzes auf ihre Seite zu ziehen versuchten und die an Capuas Vorgang einen mäch- tigen Fürsprecher fanden, bewirkten, daſs diese Städte nach dem Fall von Palaeopolis sich entweder für Rom erklärten oder doch neutral blieben. Ein wichtigerer Erfolg gelang den

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/249>, abgerufen am 24.11.2024.