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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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UNTERWERFUNG DER LATINER UND CAMPANER.
machte mit der latinischen Eidgenossenschaft, dass nicht minder
die Volsker einen letzten Versuch machten sich bei diesem An-
lass der römischen Herrschaft zu entziehen, ist begreiflich. Die
Lage der Römer war bedenklich; die Legionen, die über den
Liris gegangen waren und Campanien besetzt hatten, waren
durch den Aufstand der Latiner und Volsker von der Hei-
math abgeschnitten und nur ein entscheidender Sieg konnte
sie retten. Bei Trifanum (zwischen Minturnae, Suessa und
Sinuessa) lieferte der Consul Titus Manlius Imperiosus
Torquatus die entscheidende Schlacht gegen die vereinigten
Latiner und Campaner; sie ward vollständig gewonnen (414),
worauf in den beiden folgenden Jahren die einzelnen Städte
der Latiner und Volsker, die noch Widerstand leisteten, durch
Capitulation oder Sturm bezwungen und die ganze Landschaft
zur Unterwerfung gebracht ward. -- Der Sieg war vollständig;
er ward benutzt zur Auflösung des latinischen Bundes. Ein
Theil der latinischen Städte: Lanuvium, Aricia, Nomentum,
Pedum verloren ihre Selbstständigkeit und traten gleich Tus-
culum und Satricum in den römischen Bürgerverband, womit

zug der Latiner gegen die Paeligner im schneidenden Widerspruch zu den
Bestimmungen der Verträge zwischen Rom und Latium; der unerhörte
Marsch des römischen Heeres durch das marsische und samnitische Gebiet
nach Capua, während ganz Latium gegen Rom in Waffen stand; um nicht
zu reden von dem eben so verwirrten wie sentimentalen Bericht über den
Militäraufstand 412 und den Geschichtchen von dem gezwungenen An-
führer desselben, dem lahmen Titus Quinctius, dem römischen Götz von
Berlichingen. Vielleicht noch bedenklicher sind die Wiederholungen: so
ist die Erzählung von dem Kriegstribun Publius Decius nachgebildet der
muthigen That des Marcus Calpurnius Flamma oder wie er sonst hiess im
ersten punischen Kriege; so kehrt die Eroberung Privernums durch Gaius
Plautius wieder im Jahre 425; so der Opfertod des Publius Decius bekannt-
lich bei dem Sohne desselben 459. Ueberhaupt verräth in diesem Abschnitt
die ganze Darstellung eine andere Zeit und eine andere Hand als die
sonstigen glaubwürdigen annalistischen Berichte; die Erzählung ist voll von
ausgeführten Schlachtgemälden; von eingewebten Anekdoten, wie zum Bei-
spiel die von dem setinischen Prätor, der auf den Stufen des Rathhauses
den Hals bricht weil er dreist genug gewesen war das Consulat zu begehren,
und die aus dem Beinamen des Titus Manlius herausgesponnenen mancherlei
Geschichtchen; von ausführlichen und zum Theil bedenklichen archäologi-
schen Digressionen, wohin zum Beispiel die Geschichte der Legion, die
Devotionsformulare, das laurentische Bündniss gehören. Unter solchen Um-
ständen erscheint es von grossem Gewicht, dass Diodoros, der andern und
oft älteren Berichten folgt, von all diesen Ereignissen schlechterdings nichts
kennt als die letzte Schlacht bei Trifanum; welche auch in der That schlecht
passt zu der übrigen Erzählung, die nach poetischer Gerechtigkeit schliessen
sollte mit dem Tode des Decius.

UNTERWERFUNG DER LATINER UND CAMPANER.
machte mit der latinischen Eidgenossenschaft, daſs nicht minder
die Volsker einen letzten Versuch machten sich bei diesem An-
laſs der römischen Herrschaft zu entziehen, ist begreiflich. Die
Lage der Römer war bedenklich; die Legionen, die über den
Liris gegangen waren und Campanien besetzt hatten, waren
durch den Aufstand der Latiner und Volsker von der Hei-
math abgeschnitten und nur ein entscheidender Sieg konnte
sie retten. Bei Trifanum (zwischen Minturnae, Suessa und
Sinuessa) lieferte der Consul Titus Manlius Imperiosus
Torquatus die entscheidende Schlacht gegen die vereinigten
Latiner und Campaner; sie ward vollständig gewonnen (414),
worauf in den beiden folgenden Jahren die einzelnen Städte
der Latiner und Volsker, die noch Widerstand leisteten, durch
Capitulation oder Sturm bezwungen und die ganze Landschaft
zur Unterwerfung gebracht ward. — Der Sieg war vollständig;
er ward benutzt zur Auflösung des latinischen Bundes. Ein
Theil der latinischen Städte: Lanuvium, Aricia, Nomentum,
Pedum verloren ihre Selbstständigkeit und traten gleich Tus-
culum und Satricum in den römischen Bürgerverband, womit

zug der Latiner gegen die Paeligner im schneidenden Widerspruch zu den
Bestimmungen der Verträge zwischen Rom und Latium; der unerhörte
Marsch des römischen Heeres durch das marsische und samnitische Gebiet
nach Capua, während ganz Latium gegen Rom in Waffen stand; um nicht
zu reden von dem eben so verwirrten wie sentimentalen Bericht über den
Militäraufstand 412 und den Geschichtchen von dem gezwungenen An-
führer desselben, dem lahmen Titus Quinctius, dem römischen Götz von
Berlichingen. Vielleicht noch bedenklicher sind die Wiederholungen: so
ist die Erzählung von dem Kriegstribun Publius Decius nachgebildet der
muthigen That des Marcus Calpurnius Flamma oder wie er sonst hieſs im
ersten punischen Kriege; so kehrt die Eroberung Privernums durch Gaius
Plautius wieder im Jahre 425; so der Opfertod des Publius Decius bekannt-
lich bei dem Sohne desselben 459. Ueberhaupt verräth in diesem Abschnitt
die ganze Darstellung eine andere Zeit und eine andere Hand als die
sonstigen glaubwürdigen annalistischen Berichte; die Erzählung ist voll von
ausgeführten Schlachtgemälden; von eingewebten Anekdoten, wie zum Bei-
spiel die von dem setinischen Prätor, der auf den Stufen des Rathhauses
den Hals bricht weil er dreist genug gewesen war das Consulat zu begehren,
und die aus dem Beinamen des Titus Manlius herausgesponnenen mancherlei
Geschichtchen; von ausführlichen und zum Theil bedenklichen archäologi-
schen Digressionen, wohin zum Beispiel die Geschichte der Legion, die
Devotionsformulare, das laurentische Bündniſs gehören. Unter solchen Um-
ständen erscheint es von groſsem Gewicht, daſs Diodoros, der andern und
oft älteren Berichten folgt, von all diesen Ereignissen schlechterdings nichts
kennt als die letzte Schlacht bei Trifanum; welche auch in der That schlecht
paſst zu der übrigen Erzählung, die nach poetischer Gerechtigkeit schlieſsen
sollte mit dem Tode des Decius.
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[229/0243] UNTERWERFUNG DER LATINER UND CAMPANER. machte mit der latinischen Eidgenossenschaft, daſs nicht minder die Volsker einen letzten Versuch machten sich bei diesem An- laſs der römischen Herrschaft zu entziehen, ist begreiflich. Die Lage der Römer war bedenklich; die Legionen, die über den Liris gegangen waren und Campanien besetzt hatten, waren durch den Aufstand der Latiner und Volsker von der Hei- math abgeschnitten und nur ein entscheidender Sieg konnte sie retten. Bei Trifanum (zwischen Minturnae, Suessa und Sinuessa) lieferte der Consul Titus Manlius Imperiosus Torquatus die entscheidende Schlacht gegen die vereinigten Latiner und Campaner; sie ward vollständig gewonnen (414), worauf in den beiden folgenden Jahren die einzelnen Städte der Latiner und Volsker, die noch Widerstand leisteten, durch Capitulation oder Sturm bezwungen und die ganze Landschaft zur Unterwerfung gebracht ward. — Der Sieg war vollständig; er ward benutzt zur Auflösung des latinischen Bundes. Ein Theil der latinischen Städte: Lanuvium, Aricia, Nomentum, Pedum verloren ihre Selbstständigkeit und traten gleich Tus- culum und Satricum in den römischen Bürgerverband, womit * * zug der Latiner gegen die Paeligner im schneidenden Widerspruch zu den Bestimmungen der Verträge zwischen Rom und Latium; der unerhörte Marsch des römischen Heeres durch das marsische und samnitische Gebiet nach Capua, während ganz Latium gegen Rom in Waffen stand; um nicht zu reden von dem eben so verwirrten wie sentimentalen Bericht über den Militäraufstand 412 und den Geschichtchen von dem gezwungenen An- führer desselben, dem lahmen Titus Quinctius, dem römischen Götz von Berlichingen. Vielleicht noch bedenklicher sind die Wiederholungen: so ist die Erzählung von dem Kriegstribun Publius Decius nachgebildet der muthigen That des Marcus Calpurnius Flamma oder wie er sonst hieſs im ersten punischen Kriege; so kehrt die Eroberung Privernums durch Gaius Plautius wieder im Jahre 425; so der Opfertod des Publius Decius bekannt- lich bei dem Sohne desselben 459. Ueberhaupt verräth in diesem Abschnitt die ganze Darstellung eine andere Zeit und eine andere Hand als die sonstigen glaubwürdigen annalistischen Berichte; die Erzählung ist voll von ausgeführten Schlachtgemälden; von eingewebten Anekdoten, wie zum Bei- spiel die von dem setinischen Prätor, der auf den Stufen des Rathhauses den Hals bricht weil er dreist genug gewesen war das Consulat zu begehren, und die aus dem Beinamen des Titus Manlius herausgesponnenen mancherlei Geschichtchen; von ausführlichen und zum Theil bedenklichen archäologi- schen Digressionen, wohin zum Beispiel die Geschichte der Legion, die Devotionsformulare, das laurentische Bündniſs gehören. Unter solchen Um- ständen erscheint es von groſsem Gewicht, daſs Diodoros, der andern und oft älteren Berichten folgt, von all diesen Ereignissen schlechterdings nichts kennt als die letzte Schlacht bei Trifanum; welche auch in der That schlecht paſst zu der übrigen Erzählung, die nach poetischer Gerechtigkeit schlieſsen sollte mit dem Tode des Decius.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/243>, abgerufen am 24.11.2024.