oft wiedergekehrt nach Latium; so im Jahre 387, wo Ca- millus sie bei Alba schlug -- der letzte Sieg des greisen Hel- den; der siebenmal consularischer Kriegstribun, fünfmal Dic- tator gewesen war; im Jahre 393, wo der Dictator Titus Quinctius Pennus ihnen gegenüber 3000 Schritte von der Stadt an der Aniobrücke lagerte, ehe es aber zum Kampf ge- kommen war, der gallische Schwarm nach Campanien abzog; im Jahre 394, wo der Dictator Quintus Servilius Ahala vor dem collinischen Thor mit den aus Campanien heimkehrenden Schaaren stritt; im Jahre 396, wo ihnen der Dictator Gaius Sulpicius Peticus eine nachdrückliche Niederlage beibrachte; im Jahre 404, wo sie sogar den Winter über auf dem Alba- nerberg campirten und sich mit den griechischen Piraten an der Küste um den Raub schlugen, bis Lucius Furius Camillus im folgenden Jahre sie vertrieb -- ein Ereigniss, von dem der Zeitgenosse Aristoteles (370-432) in Athen vernahm. Allein diese Raubzüge, so schreckhaft und beschwerlich sie waren, waren mehr Unglücksfälle als geschichtliche Ereignisse und das wesentlichste Resultat derselben war, dass die Römer sich selbst und dem Auslande in immer weiteren Kreisen als das Bollwerk der civilisirten Nationen gegen den Anstoss der ge- fürchteten Barbaren erschienen -- eine Auffassung, die ihre spätere Weltstellung mehr als man meint gefördert hat.
Die Tusker, die den gallischen Ueberfall genutzt hat- ten um Veii zu berennen, hatten nichts ausgerichtet, da sie mit ungenügenden Kräften erschienen waren; jetzt traf sie der schwere Arm Latiums. Nach wiederholten Niederlagen blieb das ganze südliche Etrurien bis zu den ciminischen Hügeln in den Händen der Römer, welche in den Gebieten von Veii, Capena und Falerii vier neue Bürgerbezirke einrich- teten (367) und die Nordgrenze sicherten durch die Anlage der Festungen Sutrium (371) und Nepete (381). Mit raschen Schritten ging dieser fruchtbare und mit römischen Colonisten bedeckte Landstrich der vollständigen Romanisirung entgegen. Um 396 versuchten die nächstliegenden etruskischen Städte Tarquinii, Caere, Falerii sich gegen die römischen Uebergriffe aufzulehnen. Wie tief die Erbitterung war, die dieselben in Etrurien erweckt hatten, zeigt die Niedermetzelung der sämmt- lichen römischen Gefangenen, dreihundert und sieben an der Zahl, auf dem Marktplatz von Tarquinii nach dem ersten Feldzug; allein es war die Erbitterung der Ohnmacht. Im Frieden (403) musste Caere, das als den Römern zunächst
ZWEITES BUCH. KAPITEL IV.
oft wiedergekehrt nach Latium; so im Jahre 387, wo Ca- millus sie bei Alba schlug — der letzte Sieg des greisen Hel- den; der siebenmal consularischer Kriegstribun, fünfmal Dic- tator gewesen war; im Jahre 393, wo der Dictator Titus Quinctius Pennus ihnen gegenüber 3000 Schritte von der Stadt an der Aniobrücke lagerte, ehe es aber zum Kampf ge- kommen war, der gallische Schwarm nach Campanien abzog; im Jahre 394, wo der Dictator Quintus Servilius Ahala vor dem collinischen Thor mit den aus Campanien heimkehrenden Schaaren stritt; im Jahre 396, wo ihnen der Dictator Gaius Sulpicius Peticus eine nachdrückliche Niederlage beibrachte; im Jahre 404, wo sie sogar den Winter über auf dem Alba- nerberg campirten und sich mit den griechischen Piraten an der Küste um den Raub schlugen, bis Lucius Furius Camillus im folgenden Jahre sie vertrieb — ein Ereigniſs, von dem der Zeitgenosse Aristoteles (370-432) in Athen vernahm. Allein diese Raubzüge, so schreckhaft und beschwerlich sie waren, waren mehr Unglücksfälle als geschichtliche Ereignisse und das wesentlichste Resultat derselben war, daſs die Römer sich selbst und dem Auslande in immer weiteren Kreisen als das Bollwerk der civilisirten Nationen gegen den Anstoſs der ge- fürchteten Barbaren erschienen — eine Auffassung, die ihre spätere Weltstellung mehr als man meint gefördert hat.
Die Tusker, die den gallischen Ueberfall genutzt hat- ten um Veii zu berennen, hatten nichts ausgerichtet, da sie mit ungenügenden Kräften erschienen waren; jetzt traf sie der schwere Arm Latiums. Nach wiederholten Niederlagen blieb das ganze südliche Etrurien bis zu den ciminischen Hügeln in den Händen der Römer, welche in den Gebieten von Veii, Capena und Falerii vier neue Bürgerbezirke einrich- teten (367) und die Nordgrenze sicherten durch die Anlage der Festungen Sutrium (371) und Nepete (381). Mit raschen Schritten ging dieser fruchtbare und mit römischen Colonisten bedeckte Landstrich der vollständigen Romanisirung entgegen. Um 396 versuchten die nächstliegenden etruskischen Städte Tarquinii, Caere, Falerii sich gegen die römischen Uebergriffe aufzulehnen. Wie tief die Erbitterung war, die dieselben in Etrurien erweckt hatten, zeigt die Niedermetzelung der sämmt- lichen römischen Gefangenen, dreihundert und sieben an der Zahl, auf dem Marktplatz von Tarquinii nach dem ersten Feldzug; allein es war die Erbitterung der Ohnmacht. Im Frieden (403) muſste Caere, das als den Römern zunächst
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0230"n="216"/><fwplace="top"type="header">ZWEITES BUCH. KAPITEL IV.</fw><lb/>
oft wiedergekehrt nach Latium; so im Jahre 387, wo Ca-<lb/>
millus sie bei Alba schlug — der letzte Sieg des greisen Hel-<lb/>
den; der siebenmal consularischer Kriegstribun, fünfmal Dic-<lb/>
tator gewesen war; im Jahre 393, wo der Dictator Titus<lb/>
Quinctius Pennus ihnen gegenüber 3000 Schritte von der<lb/>
Stadt an der Aniobrücke lagerte, ehe es aber zum Kampf ge-<lb/>
kommen war, der gallische Schwarm nach Campanien abzog;<lb/>
im Jahre 394, wo der Dictator Quintus Servilius Ahala vor<lb/>
dem collinischen Thor mit den aus Campanien heimkehrenden<lb/>
Schaaren stritt; im Jahre 396, wo ihnen der Dictator Gaius<lb/>
Sulpicius Peticus eine nachdrückliche Niederlage beibrachte;<lb/>
im Jahre 404, wo sie sogar den Winter über auf dem Alba-<lb/>
nerberg campirten und sich mit den griechischen Piraten an<lb/>
der Küste um den Raub schlugen, bis Lucius Furius Camillus<lb/>
im folgenden Jahre sie vertrieb — ein Ereigniſs, von dem der<lb/>
Zeitgenosse Aristoteles (370-432) in Athen vernahm. Allein<lb/>
diese Raubzüge, so schreckhaft und beschwerlich sie waren,<lb/>
waren mehr Unglücksfälle als geschichtliche Ereignisse und<lb/>
das wesentlichste Resultat derselben war, daſs die Römer sich<lb/>
selbst und dem Auslande in immer weiteren Kreisen als das<lb/>
Bollwerk der civilisirten Nationen gegen den Anstoſs der ge-<lb/>
fürchteten Barbaren erschienen — eine Auffassung, die ihre<lb/>
spätere Weltstellung mehr als man meint gefördert hat.</p><lb/><p>Die Tusker, die den gallischen Ueberfall genutzt hat-<lb/>
ten um Veii zu berennen, hatten nichts ausgerichtet, da sie<lb/>
mit ungenügenden Kräften erschienen waren; jetzt traf sie<lb/>
der schwere Arm Latiums. Nach wiederholten Niederlagen<lb/>
blieb das ganze südliche Etrurien bis zu den ciminischen<lb/>
Hügeln in den Händen der Römer, welche in den Gebieten<lb/>
von Veii, Capena und Falerii vier neue Bürgerbezirke einrich-<lb/>
teten (367) und die Nordgrenze sicherten durch die Anlage<lb/>
der Festungen Sutrium (371) und Nepete (381). Mit raschen<lb/>
Schritten ging dieser fruchtbare und mit römischen Colonisten<lb/>
bedeckte Landstrich der vollständigen Romanisirung entgegen.<lb/>
Um 396 versuchten die nächstliegenden etruskischen Städte<lb/>
Tarquinii, Caere, Falerii sich gegen die römischen Uebergriffe<lb/>
aufzulehnen. Wie tief die Erbitterung war, die dieselben in<lb/>
Etrurien erweckt hatten, zeigt die Niedermetzelung der sämmt-<lb/>
lichen römischen Gefangenen, dreihundert und sieben an der<lb/>
Zahl, auf dem Marktplatz von Tarquinii nach dem ersten<lb/>
Feldzug; allein es war die Erbitterung der Ohnmacht. Im<lb/>
Frieden (403) muſste Caere, das als den Römern zunächst<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[216/0230]
ZWEITES BUCH. KAPITEL IV.
oft wiedergekehrt nach Latium; so im Jahre 387, wo Ca-
millus sie bei Alba schlug — der letzte Sieg des greisen Hel-
den; der siebenmal consularischer Kriegstribun, fünfmal Dic-
tator gewesen war; im Jahre 393, wo der Dictator Titus
Quinctius Pennus ihnen gegenüber 3000 Schritte von der
Stadt an der Aniobrücke lagerte, ehe es aber zum Kampf ge-
kommen war, der gallische Schwarm nach Campanien abzog;
im Jahre 394, wo der Dictator Quintus Servilius Ahala vor
dem collinischen Thor mit den aus Campanien heimkehrenden
Schaaren stritt; im Jahre 396, wo ihnen der Dictator Gaius
Sulpicius Peticus eine nachdrückliche Niederlage beibrachte;
im Jahre 404, wo sie sogar den Winter über auf dem Alba-
nerberg campirten und sich mit den griechischen Piraten an
der Küste um den Raub schlugen, bis Lucius Furius Camillus
im folgenden Jahre sie vertrieb — ein Ereigniſs, von dem der
Zeitgenosse Aristoteles (370-432) in Athen vernahm. Allein
diese Raubzüge, so schreckhaft und beschwerlich sie waren,
waren mehr Unglücksfälle als geschichtliche Ereignisse und
das wesentlichste Resultat derselben war, daſs die Römer sich
selbst und dem Auslande in immer weiteren Kreisen als das
Bollwerk der civilisirten Nationen gegen den Anstoſs der ge-
fürchteten Barbaren erschienen — eine Auffassung, die ihre
spätere Weltstellung mehr als man meint gefördert hat.
Die Tusker, die den gallischen Ueberfall genutzt hat-
ten um Veii zu berennen, hatten nichts ausgerichtet, da sie
mit ungenügenden Kräften erschienen waren; jetzt traf sie
der schwere Arm Latiums. Nach wiederholten Niederlagen
blieb das ganze südliche Etrurien bis zu den ciminischen
Hügeln in den Händen der Römer, welche in den Gebieten
von Veii, Capena und Falerii vier neue Bürgerbezirke einrich-
teten (367) und die Nordgrenze sicherten durch die Anlage
der Festungen Sutrium (371) und Nepete (381). Mit raschen
Schritten ging dieser fruchtbare und mit römischen Colonisten
bedeckte Landstrich der vollständigen Romanisirung entgegen.
Um 396 versuchten die nächstliegenden etruskischen Städte
Tarquinii, Caere, Falerii sich gegen die römischen Uebergriffe
aufzulehnen. Wie tief die Erbitterung war, die dieselben in
Etrurien erweckt hatten, zeigt die Niedermetzelung der sämmt-
lichen römischen Gefangenen, dreihundert und sieben an der
Zahl, auf dem Marktplatz von Tarquinii nach dem ersten
Feldzug; allein es war die Erbitterung der Ohnmacht. Im
Frieden (403) muſste Caere, das als den Römern zunächst
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/230>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.