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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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obern Meer die Massalioten, im unteren die Syrakusaner, und
namentlich die letzteren beschränkten mehr und mehr das
etruskische Corsarenwesen. Schon Hieron hatte nach dem Siege
bei Kyme die Insel Aenaria (Ischia) besetzt und damit die
Verbindung zwischen den campanischen und den nördlichen
Etruskern unterbrochen; um das Jahr 302 wurde von Syra-
kus, um der tuskischen Piraterie gründlich zu steuern, eine
eigene Expedition ausgesandt, die die Insel Corsica und die
etruskische Küste verheerte und die Insel Aethalia (Elba) be-
setzte. Ward man auch nicht völlig Herr über die etruskisch-
karthagische Piraterie -- wie wir denn namentlich wissen,
dass das Kaperwesen in Antium fortdauerte bis in den Anfang
des fünften Jahrhunderts der Stadt --, so war doch das
mächtige Syrakus ein starkes Bollwerk gegen die verbündeten
Tusker und Poener. Einen Augenblick schien es, als müsse
die syrakusische Macht gebrochen werden durch die attischen
Galeeren, deren Zug gegen Syrakus im Laufe des peloponne-
sischen Krieges (339-341) die Etrusker, die alten Handels-
freunde der Athener, mit drei Funfzigrudrern unterstützten.
Allein der Sieg blieb, wie bekannt, im Westen wie im Osten
den Dorern, und Syrakus ward nach dem schmählichen Schei-
tern der attischen Expedition unbestritten die erste griechische
Seemacht, so dass die Männer, die dort an der Spitze des
Staates standen, auf die Herrschaft über Sicilien und Unter-
italien und über beide Meere Italiens hinzustreben begannen;
wogegen andrerseits die Karthager, die ihre Herrschaft in
Sicilien ernstlicher als bisher bedroht sahen, auch auf ihrer
Seite die Ueberwältigung der Syrakusaner und die Unterwer-
fung der ganzen Insel zum Ziel ihrer Politik nehmen mussten
und nahmen. Der Verfall der sicilischen Mittelstaaten, die Stei-
gerung der karthagischen Macht auf der Insel, die ausserdem aus
diesen Kämpfen hervorgingen, können hier nicht erzählt werden;
was Etrurien anlangt, so trafen dies die empfindlichsten Schläge
von Dionysios, dem neuen Herrn von Syrakus. Er führte
zahlreiche Colonien in die adriatische See, wo er Ankon, Nu-
mana, Hatria an der italischen, die Inseln Lissos und Issa an
der illyrischen Küste besetzte (um 367), ja durch die Erstür-
mung und Plünderung der reichen caeritischen Hafenstadt
Pyrgi (369) griff er die etruskische Macht in ihrem innersten
Kern an. Sie hat sich nicht wieder erholt; und als nach
Dionysios Tode die inneren Unruhen in Syrakus den Kartha-
gern freiere Bahn machten und deren Flotte wieder im tyrrhe-

ZWEITES BUCH. KAPITEL IV.
obern Meer die Massalioten, im unteren die Syrakusaner, und
namentlich die letzteren beschränkten mehr und mehr das
etruskische Corsarenwesen. Schon Hieron hatte nach dem Siege
bei Kyme die Insel Aenaria (Ischia) besetzt und damit die
Verbindung zwischen den campanischen und den nördlichen
Etruskern unterbrochen; um das Jahr 302 wurde von Syra-
kus, um der tuskischen Piraterie gründlich zu steuern, eine
eigene Expedition ausgesandt, die die Insel Corsica und die
etruskische Küste verheerte und die Insel Aethalia (Elba) be-
setzte. Ward man auch nicht völlig Herr über die etruskisch-
karthagische Piraterie — wie wir denn namentlich wissen,
daſs das Kaperwesen in Antium fortdauerte bis in den Anfang
des fünften Jahrhunderts der Stadt —, so war doch das
mächtige Syrakus ein starkes Bollwerk gegen die verbündeten
Tusker und Poener. Einen Augenblick schien es, als müsse
die syrakusische Macht gebrochen werden durch die attischen
Galeeren, deren Zug gegen Syrakus im Laufe des peloponne-
sischen Krieges (339-341) die Etrusker, die alten Handels-
freunde der Athener, mit drei Funfzigrudrern unterstützten.
Allein der Sieg blieb, wie bekannt, im Westen wie im Osten
den Dorern, und Syrakus ward nach dem schmählichen Schei-
tern der attischen Expedition unbestritten die erste griechische
Seemacht, so daſs die Männer, die dort an der Spitze des
Staates standen, auf die Herrschaft über Sicilien und Unter-
italien und über beide Meere Italiens hinzustreben begannen;
wogegen andrerseits die Karthager, die ihre Herrschaft in
Sicilien ernstlicher als bisher bedroht sahen, auch auf ihrer
Seite die Ueberwältigung der Syrakusaner und die Unterwer-
fung der ganzen Insel zum Ziel ihrer Politik nehmen muſsten
und nahmen. Der Verfall der sicilischen Mittelstaaten, die Stei-
gerung der karthagischen Macht auf der Insel, die auſserdem aus
diesen Kämpfen hervorgingen, können hier nicht erzählt werden;
was Etrurien anlangt, so trafen dies die empfindlichsten Schläge
von Dionysios, dem neuen Herrn von Syrakus. Er führte
zahlreiche Colonien in die adriatische See, wo er Ankon, Nu-
mana, Hatria an der italischen, die Inseln Lissos und Issa an
der illyrischen Küste besetzte (um 367), ja durch die Erstür-
mung und Plünderung der reichen caeritischen Hafenstadt
Pyrgi (369) griff er die etruskische Macht in ihrem innersten
Kern an. Sie hat sich nicht wieder erholt; und als nach
Dionysios Tode die inneren Unruhen in Syrakus den Kartha-
gern freiere Bahn machten und deren Flotte wieder im tyrrhe-

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[206/0220] ZWEITES BUCH. KAPITEL IV. obern Meer die Massalioten, im unteren die Syrakusaner, und namentlich die letzteren beschränkten mehr und mehr das etruskische Corsarenwesen. Schon Hieron hatte nach dem Siege bei Kyme die Insel Aenaria (Ischia) besetzt und damit die Verbindung zwischen den campanischen und den nördlichen Etruskern unterbrochen; um das Jahr 302 wurde von Syra- kus, um der tuskischen Piraterie gründlich zu steuern, eine eigene Expedition ausgesandt, die die Insel Corsica und die etruskische Küste verheerte und die Insel Aethalia (Elba) be- setzte. Ward man auch nicht völlig Herr über die etruskisch- karthagische Piraterie — wie wir denn namentlich wissen, daſs das Kaperwesen in Antium fortdauerte bis in den Anfang des fünften Jahrhunderts der Stadt —, so war doch das mächtige Syrakus ein starkes Bollwerk gegen die verbündeten Tusker und Poener. Einen Augenblick schien es, als müsse die syrakusische Macht gebrochen werden durch die attischen Galeeren, deren Zug gegen Syrakus im Laufe des peloponne- sischen Krieges (339-341) die Etrusker, die alten Handels- freunde der Athener, mit drei Funfzigrudrern unterstützten. Allein der Sieg blieb, wie bekannt, im Westen wie im Osten den Dorern, und Syrakus ward nach dem schmählichen Schei- tern der attischen Expedition unbestritten die erste griechische Seemacht, so daſs die Männer, die dort an der Spitze des Staates standen, auf die Herrschaft über Sicilien und Unter- italien und über beide Meere Italiens hinzustreben begannen; wogegen andrerseits die Karthager, die ihre Herrschaft in Sicilien ernstlicher als bisher bedroht sahen, auch auf ihrer Seite die Ueberwältigung der Syrakusaner und die Unterwer- fung der ganzen Insel zum Ziel ihrer Politik nehmen muſsten und nahmen. Der Verfall der sicilischen Mittelstaaten, die Stei- gerung der karthagischen Macht auf der Insel, die auſserdem aus diesen Kämpfen hervorgingen, können hier nicht erzählt werden; was Etrurien anlangt, so trafen dies die empfindlichsten Schläge von Dionysios, dem neuen Herrn von Syrakus. Er führte zahlreiche Colonien in die adriatische See, wo er Ankon, Nu- mana, Hatria an der italischen, die Inseln Lissos und Issa an der illyrischen Küste besetzte (um 367), ja durch die Erstür- mung und Plünderung der reichen caeritischen Hafenstadt Pyrgi (369) griff er die etruskische Macht in ihrem innersten Kern an. Sie hat sich nicht wieder erholt; und als nach Dionysios Tode die inneren Unruhen in Syrakus den Kartha- gern freiere Bahn machten und deren Flotte wieder im tyrrhe-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/220>, abgerufen am 25.11.2024.