Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.ZWEITES BUCH. KAPITEL II. gewährt ward. Folgenreicher noch war es, dass den Tribuneneine berathende Stimme im Senat eingeräumt und, damit keine Unterschiebung oder Verfälschung von Senatsschlüssen statt- finde, den Aedilen deren Aufbewahrung überwiesen ward. Zwar in den Saal des Senats die Tribunen zuzulassen schien dem Senat unter seiner Würde; es wurde ihnen eine Bank an die Thüre gesetzt um von da aus den Verhandlungen zu folgen. Allein man konnte es nicht wehren, dass die Tribunen jetzt einschritten gegen einen ihnen missfälligen Senatsbeschluss und dass sich, wenn auch erst allmählich, der neue Grundsatz feststellte, dass jede Beschlussfassung des Senats oder der Volksversammlung durch Einschreiten eines Tribuns gehemmt ward. So endigte dieser Kampf, der begonnen war um die tribunicische Gewalt zu beseitigen, mit der definitiven Vollen- dung ihres Cassirungsrechts sowohl einzelner Administrations- acte auf Anrufen des Beschwerten als auch jeder Beschluss- nahme der constitutiven Staatsgewalten nach dem Ermessen des Tribuns. Mit den heiligsten Eiden und allem was die Religion Ehrfürchtiges darbot wurde sowohl die Person der Tribunen als die ununterbrochene Dauer und die Vollzählig- keit des Collegiums gesichert. Es ist seitdem nie wieder in Rom ein Versuch gemacht worden diese Magistratur aufzuheben. ZWEITES BUCH. KAPITEL II. gewährt ward. Folgenreicher noch war es, daſs den Tribuneneine berathende Stimme im Senat eingeräumt und, damit keine Unterschiebung oder Verfälschung von Senatsschlüssen statt- finde, den Aedilen deren Aufbewahrung überwiesen ward. Zwar in den Saal des Senats die Tribunen zuzulassen schien dem Senat unter seiner Würde; es wurde ihnen eine Bank an die Thüre gesetzt um von da aus den Verhandlungen zu folgen. Allein man konnte es nicht wehren, daſs die Tribunen jetzt einschritten gegen einen ihnen miſsfälligen Senatsbeschluſs und daſs sich, wenn auch erst allmählich, der neue Grundsatz feststellte, daſs jede Beschluſsfassung des Senats oder der Volksversammlung durch Einschreiten eines Tribuns gehemmt ward. So endigte dieser Kampf, der begonnen war um die tribunicische Gewalt zu beseitigen, mit der definitiven Vollen- dung ihres Cassirungsrechts sowohl einzelner Administrations- acte auf Anrufen des Beschwerten als auch jeder Beschluſs- nahme der constitutiven Staatsgewalten nach dem Ermessen des Tribuns. Mit den heiligsten Eiden und allem was die Religion Ehrfürchtiges darbot wurde sowohl die Person der Tribunen als die ununterbrochene Dauer und die Vollzählig- keit des Collegiums gesichert. Es ist seitdem nie wieder in Rom ein Versuch gemacht worden diese Magistratur aufzuheben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0200" n="186"/><fw place="top" type="header">ZWEITES BUCH. KAPITEL II.</fw><lb/> gewährt ward. Folgenreicher noch war es, daſs den Tribunen<lb/> eine berathende Stimme im Senat eingeräumt und, damit keine<lb/> Unterschiebung oder Verfälschung von Senatsschlüssen statt-<lb/> finde, den Aedilen deren Aufbewahrung überwiesen ward.<lb/> Zwar in den Saal des Senats die Tribunen zuzulassen schien<lb/> dem Senat unter seiner Würde; es wurde ihnen eine Bank<lb/> an die Thüre gesetzt um von da aus den Verhandlungen zu<lb/> folgen. Allein man konnte es nicht wehren, daſs die Tribunen<lb/> jetzt einschritten gegen einen ihnen miſsfälligen Senatsbeschluſs<lb/> und daſs sich, wenn auch erst allmählich, der neue Grundsatz<lb/> feststellte, daſs jede Beschluſsfassung des Senats oder der<lb/> Volksversammlung durch Einschreiten eines Tribuns gehemmt<lb/> ward. So endigte dieser Kampf, der begonnen war um die<lb/> tribunicische Gewalt zu beseitigen, mit der definitiven Vollen-<lb/> dung ihres Cassirungsrechts sowohl einzelner Administrations-<lb/> acte auf Anrufen des Beschwerten als auch jeder Beschluſs-<lb/> nahme der constitutiven Staatsgewalten nach dem Ermessen<lb/> des Tribuns. Mit den heiligsten Eiden und allem was die<lb/> Religion Ehrfürchtiges darbot wurde sowohl die Person der<lb/> Tribunen als die ununterbrochene Dauer und die Vollzählig-<lb/> keit des Collegiums gesichert. Es ist seitdem nie wieder in<lb/> Rom ein Versuch gemacht worden diese Magistratur aufzuheben.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [186/0200]
ZWEITES BUCH. KAPITEL II.
gewährt ward. Folgenreicher noch war es, daſs den Tribunen
eine berathende Stimme im Senat eingeräumt und, damit keine
Unterschiebung oder Verfälschung von Senatsschlüssen statt-
finde, den Aedilen deren Aufbewahrung überwiesen ward.
Zwar in den Saal des Senats die Tribunen zuzulassen schien
dem Senat unter seiner Würde; es wurde ihnen eine Bank
an die Thüre gesetzt um von da aus den Verhandlungen zu
folgen. Allein man konnte es nicht wehren, daſs die Tribunen
jetzt einschritten gegen einen ihnen miſsfälligen Senatsbeschluſs
und daſs sich, wenn auch erst allmählich, der neue Grundsatz
feststellte, daſs jede Beschluſsfassung des Senats oder der
Volksversammlung durch Einschreiten eines Tribuns gehemmt
ward. So endigte dieser Kampf, der begonnen war um die
tribunicische Gewalt zu beseitigen, mit der definitiven Vollen-
dung ihres Cassirungsrechts sowohl einzelner Administrations-
acte auf Anrufen des Beschwerten als auch jeder Beschluſs-
nahme der constitutiven Staatsgewalten nach dem Ermessen
des Tribuns. Mit den heiligsten Eiden und allem was die
Religion Ehrfürchtiges darbot wurde sowohl die Person der
Tribunen als die ununterbrochene Dauer und die Vollzählig-
keit des Collegiums gesichert. Es ist seitdem nie wieder in
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Zitationshilfe: | Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/200>, abgerufen am 16.02.2025. |