nannt werden wie die Plebejer und die Freigelassenen, oder nicht, wie die Latiner und die Italiker, politische Gleichheit entbehrten und forderten.
Ein dritter Gegensatz ist noch allgemeinerer Art: der der Vermögenden und der aus dem Besitz gedrängten oder verarmenden Besitzer. Die rechtlichen und politischen Verhält- nisse Roms veranlassten die Entstehung zahlreicher Bauer- wirthschaften theils kleiner Eigenthümer, die von der Gnade des Capital-, theils kleiner Zeitpächter, die von der Gnade des Grundherrn abhingen, und beraubten vielfach Einzelne wie ganze Gemeinden des Grundbesitzes, ohne die persönliche Freiheit anzugreifen. Dadurch ward das ackerbauende Prole- tariat schon früh so mächtig, dass es wesentlich in die Schick- sale der Gemeinde eingreifen konnte. Das städtische Prole- tariat gewann erst in weit späterer Zeit politische Bedeutung.
In diesen Gegensätzen bewegte sich die innere Geschichte Roms und vermuthlich nicht minder die uns gänzlich verlorene der übrigen italischen Gemeinden. Die politische Bewegung innerhalb der vollberechtigten Bürgerschaft, der Krieg der Ausgeschlossenen und der Ausschliessenden, die socialen Con- flicte der Besitzenden und der Besitzlosen, so mannichfaltig sie sich durchkreuzen und in einander schlingen und oft selt- same Allianzen herbeiführen, sind dennoch wesentlich und von Grund aus verschieden. Da die servianische Reform, welche den Insassen in militärischer Hinsicht dem Bürger gleichstellt, mehr als eine administrative Massregel erscheint denn als her- vorgegangen aus politischen Parteitendenzen, so darf als der erste dieser Gegensätze, der zu inneren Krisen und Verfas- sungsänderungen führte, derjenige betrachtet werden, der auf die Beschränkung der Magistratur hinarbeitet und dessen frühe- ster Erfolg besteht in der Abschaffung der Lebenslänglichkeit der Gemeindevorsteherschaft, das heisst in der Abschaffung des Königthums. Wie nothwendig diese durch die natürliche Entwicklung der Dinge gegeben war, dafür ist der schlagend- ste Beweis, dass dieselbe Verfassungsänderung, wie wir sie in Rom finden, in allen italischen, ja auch in den griechischen Staaten in analoger Weise vor sich gegangen ist. Dass die latinischen Städte, ehe sie in die römische Gemeinde auf- gingen, gleich dieser von zwei jährlich ernannten Vorstehern, Dictatoren oder Prätoren genannt, regiert wurden, beweist die spätere latinische Municipalverfassung; ja dass schon Alba bei seinem Fall unter jährigen Königen stand, behaupteten die
ZWEITES BUCH. KAPITEL I.
nannt werden wie die Plebejer und die Freigelassenen, oder nicht, wie die Latiner und die Italiker, politische Gleichheit entbehrten und forderten.
Ein dritter Gegensatz ist noch allgemeinerer Art: der der Vermögenden und der aus dem Besitz gedrängten oder verarmenden Besitzer. Die rechtlichen und politischen Verhält- nisse Roms veranlaſsten die Entstehung zahlreicher Bauer- wirthschaften theils kleiner Eigenthümer, die von der Gnade des Capital-, theils kleiner Zeitpächter, die von der Gnade des Grundherrn abhingen, und beraubten vielfach Einzelne wie ganze Gemeinden des Grundbesitzes, ohne die persönliche Freiheit anzugreifen. Dadurch ward das ackerbauende Prole- tariat schon früh so mächtig, daſs es wesentlich in die Schick- sale der Gemeinde eingreifen konnte. Das städtische Prole- tariat gewann erst in weit späterer Zeit politische Bedeutung.
In diesen Gegensätzen bewegte sich die innere Geschichte Roms und vermuthlich nicht minder die uns gänzlich verlorene der übrigen italischen Gemeinden. Die politische Bewegung innerhalb der vollberechtigten Bürgerschaft, der Krieg der Ausgeschlossenen und der Ausschlieſsenden, die socialen Con- flicte der Besitzenden und der Besitzlosen, so mannichfaltig sie sich durchkreuzen und in einander schlingen und oft selt- same Allianzen herbeiführen, sind dennoch wesentlich und von Grund aus verschieden. Da die servianische Reform, welche den Insassen in militärischer Hinsicht dem Bürger gleichstellt, mehr als eine administrative Maſsregel erscheint denn als her- vorgegangen aus politischen Parteitendenzen, so darf als der erste dieser Gegensätze, der zu inneren Krisen und Verfas- sungsänderungen führte, derjenige betrachtet werden, der auf die Beschränkung der Magistratur hinarbeitet und dessen frühe- ster Erfolg besteht in der Abschaffung der Lebenslänglichkeit der Gemeindevorsteherschaft, das heiſst in der Abschaffung des Königthums. Wie nothwendig diese durch die natürliche Entwicklung der Dinge gegeben war, dafür ist der schlagend- ste Beweis, daſs dieselbe Verfassungsänderung, wie wir sie in Rom finden, in allen italischen, ja auch in den griechischen Staaten in analoger Weise vor sich gegangen ist. Daſs die latinischen Städte, ehe sie in die römische Gemeinde auf- gingen, gleich dieser von zwei jährlich ernannten Vorstehern, Dictatoren oder Prätoren genannt, regiert wurden, beweist die spätere latinische Municipalverfassung; ja daſs schon Alba bei seinem Fall unter jährigen Königen stand, behaupteten die
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ZWEITES BUCH. KAPITEL I.
nannt werden wie die Plebejer und die Freigelassenen, oder
nicht, wie die Latiner und die Italiker, politische Gleichheit
entbehrten und forderten.
Ein dritter Gegensatz ist noch allgemeinerer Art: der
der Vermögenden und der aus dem Besitz gedrängten oder
verarmenden Besitzer. Die rechtlichen und politischen Verhält-
nisse Roms veranlaſsten die Entstehung zahlreicher Bauer-
wirthschaften theils kleiner Eigenthümer, die von der Gnade
des Capital-, theils kleiner Zeitpächter, die von der Gnade des
Grundherrn abhingen, und beraubten vielfach Einzelne wie
ganze Gemeinden des Grundbesitzes, ohne die persönliche
Freiheit anzugreifen. Dadurch ward das ackerbauende Prole-
tariat schon früh so mächtig, daſs es wesentlich in die Schick-
sale der Gemeinde eingreifen konnte. Das städtische Prole-
tariat gewann erst in weit späterer Zeit politische Bedeutung.
In diesen Gegensätzen bewegte sich die innere Geschichte
Roms und vermuthlich nicht minder die uns gänzlich verlorene
der übrigen italischen Gemeinden. Die politische Bewegung
innerhalb der vollberechtigten Bürgerschaft, der Krieg der
Ausgeschlossenen und der Ausschlieſsenden, die socialen Con-
flicte der Besitzenden und der Besitzlosen, so mannichfaltig
sie sich durchkreuzen und in einander schlingen und oft selt-
same Allianzen herbeiführen, sind dennoch wesentlich und von
Grund aus verschieden. Da die servianische Reform, welche
den Insassen in militärischer Hinsicht dem Bürger gleichstellt,
mehr als eine administrative Maſsregel erscheint denn als her-
vorgegangen aus politischen Parteitendenzen, so darf als der
erste dieser Gegensätze, der zu inneren Krisen und Verfas-
sungsänderungen führte, derjenige betrachtet werden, der auf
die Beschränkung der Magistratur hinarbeitet und dessen frühe-
ster Erfolg besteht in der Abschaffung der Lebenslänglichkeit
der Gemeindevorsteherschaft, das heiſst in der Abschaffung
des Königthums. Wie nothwendig diese durch die natürliche
Entwicklung der Dinge gegeben war, dafür ist der schlagend-
ste Beweis, daſs dieselbe Verfassungsänderung, wie wir sie in
Rom finden, in allen italischen, ja auch in den griechischen
Staaten in analoger Weise vor sich gegangen ist. Daſs die
latinischen Städte, ehe sie in die römische Gemeinde auf-
gingen, gleich dieser von zwei jährlich ernannten Vorstehern,
Dictatoren oder Prätoren genannt, regiert wurden, beweist die
spätere latinische Municipalverfassung; ja daſs schon Alba bei
seinem Fall unter jährigen Königen stand, behaupteten die
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/172>, abgerufen am 28.11.2024.
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