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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DIE KUNST.
von den tuskischen Histrionen und Subulonen zur Profession
gemacht und bald ein in jeder Beziehung gemeines Gewerbe
wurde, das um geringen Lohn und keine Ehre auch in Rom
schon früh mit seinen Vorstellungen auftrat. Auch mag in
Etrurien schon in alter Zeit der Grund gelegt sein zu der
geistlosen Ansammlung gelehrten, namentlich theologischen und
astrologischen Plunders, durch den die Tusker in einer späteren
gesunkenen Epoche, wo der allgemeine Verfall die Zopfgelehr-
samkeit zur Blüthe brachte, mit den Juden und Chaldäern die
Ehre theilten als Urquell göttlicher Weisheit angestaunt zu
werden.

Die hellenische Mittheilung beschränkte auf diesem Ge-
biet sich vermuthlich darauf aus dem reichen griechischen
Sagenschatz den Fremden zu erzählen -- wie denn in der
That die altrömischen Corruptionen des Kyklops (Cocles), Lao-
medon (Alumentus), Ganymedes (Catamitus), Neilos (Melus)
von dem Eindruck solcher Erzählungen zeugen und ohne sie
die bereitwillige Aufnahme der griechischen Bildwerke mit
ihren auf dem poetischen Schatz ruhenden Darstellungen nicht
begreiflich sein würde.

Mächtiger trat der griechische Einfluss auf in der Bau- und
Bildkunst. So wenig zu bezweifeln steht, dass schon vor der
hellenischen Einwanderung in Italien gebaut und Mauern ge-
fügt wurden, so hat es doch grosse Wahrscheinlichkeit, dass
die älteren Bauten regelmässig Holz- oder Erdwälle waren und
dass die Steinconstruction erst in Aufnahme kam durch das
Beispiel und die besseren Werkzeuge der Griechen, von denen
die Italiker wohl sicher erst den Gebrauch des Eisens lernten
und jedenfalls das Richtmass (groma aus gnomon gnoma)
erhielten. Alle ältesten italischen Steinbauten zeigen die auf-
fallendste Aehnlichkeit mit den ältesten griechischen. Die
uralten Gräber von Caere und Alsion, die vor Erfindung des
Bogens gebaut sind, ersetzen denselben durch über einander
geschobene allmählich einspringende und mit einem grossen
Deckstein geschlossene Steinlagen, ganz wie in den Thesauren
von Orchomenos. Der Emissar des Albanersees hat die grösste
Aehnlichkeit mit dem des kopaischen. Die kyklopischen Ring-
mauern, die bald ganz roh aus grossen unbearbeiteten Stein-
blöcken mit dazwischen eingeschobenen kleineren Steinen,
bald polygon aus in einander greifenden vieleckig zugehaue-
nen Steinblöcken, bald quadratisch in horizontalen Lagen
geschichtet sind und sich in Italien, vorzugsweise in Etrurien,

DIE KUNST.
von den tuskischen Histrionen und Subulonen zur Profession
gemacht und bald ein in jeder Beziehung gemeines Gewerbe
wurde, das um geringen Lohn und keine Ehre auch in Rom
schon früh mit seinen Vorstellungen auftrat. Auch mag in
Etrurien schon in alter Zeit der Grund gelegt sein zu der
geistlosen Ansammlung gelehrten, namentlich theologischen und
astrologischen Plunders, durch den die Tusker in einer späteren
gesunkenen Epoche, wo der allgemeine Verfall die Zopfgelehr-
samkeit zur Blüthe brachte, mit den Juden und Chaldäern die
Ehre theilten als Urquell göttlicher Weisheit angestaunt zu
werden.

Die hellenische Mittheilung beschränkte auf diesem Ge-
biet sich vermuthlich darauf aus dem reichen griechischen
Sagenschatz den Fremden zu erzählen — wie denn in der
That die altrömischen Corruptionen des Kyklops (Cocles), Lao-
medon (Alumentus), Ganymedes (Catamitus), Neilos (Melus)
von dem Eindruck solcher Erzählungen zeugen und ohne sie
die bereitwillige Aufnahme der griechischen Bildwerke mit
ihren auf dem poetischen Schatz ruhenden Darstellungen nicht
begreiflich sein würde.

Mächtiger trat der griechische Einfluſs auf in der Bau- und
Bildkunst. So wenig zu bezweifeln steht, daſs schon vor der
hellenischen Einwanderung in Italien gebaut und Mauern ge-
fügt wurden, so hat es doch groſse Wahrscheinlichkeit, daſs
die älteren Bauten regelmäſsig Holz- oder Erdwälle waren und
daſs die Steinconstruction erst in Aufnahme kam durch das
Beispiel und die besseren Werkzeuge der Griechen, von denen
die Italiker wohl sicher erst den Gebrauch des Eisens lernten
und jedenfalls das Richtmaſs (groma aus γνώμων γνῶμα)
erhielten. Alle ältesten italischen Steinbauten zeigen die auf-
fallendste Aehnlichkeit mit den ältesten griechischen. Die
uralten Gräber von Caere und Alsion, die vor Erfindung des
Bogens gebaut sind, ersetzen denselben durch über einander
geschobene allmählich einspringende und mit einem groſsen
Deckstein geschlossene Steinlagen, ganz wie in den Thesauren
von Orchomenos. Der Emissar des Albanersees hat die gröſste
Aehnlichkeit mit dem des kopaischen. Die kyklopischen Ring-
mauern, die bald ganz roh aus groſsen unbearbeiteten Stein-
blöcken mit dazwischen eingeschobenen kleineren Steinen,
bald polygon aus in einander greifenden vieleckig zugehaue-
nen Steinblöcken, bald quadratisch in horizontalen Lagen
geschichtet sind und sich in Italien, vorzugsweise in Etrurien,

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[149/0163] DIE KUNST. von den tuskischen Histrionen und Subulonen zur Profession gemacht und bald ein in jeder Beziehung gemeines Gewerbe wurde, das um geringen Lohn und keine Ehre auch in Rom schon früh mit seinen Vorstellungen auftrat. Auch mag in Etrurien schon in alter Zeit der Grund gelegt sein zu der geistlosen Ansammlung gelehrten, namentlich theologischen und astrologischen Plunders, durch den die Tusker in einer späteren gesunkenen Epoche, wo der allgemeine Verfall die Zopfgelehr- samkeit zur Blüthe brachte, mit den Juden und Chaldäern die Ehre theilten als Urquell göttlicher Weisheit angestaunt zu werden. Die hellenische Mittheilung beschränkte auf diesem Ge- biet sich vermuthlich darauf aus dem reichen griechischen Sagenschatz den Fremden zu erzählen — wie denn in der That die altrömischen Corruptionen des Kyklops (Cocles), Lao- medon (Alumentus), Ganymedes (Catamitus), Neilos (Melus) von dem Eindruck solcher Erzählungen zeugen und ohne sie die bereitwillige Aufnahme der griechischen Bildwerke mit ihren auf dem poetischen Schatz ruhenden Darstellungen nicht begreiflich sein würde. Mächtiger trat der griechische Einfluſs auf in der Bau- und Bildkunst. So wenig zu bezweifeln steht, daſs schon vor der hellenischen Einwanderung in Italien gebaut und Mauern ge- fügt wurden, so hat es doch groſse Wahrscheinlichkeit, daſs die älteren Bauten regelmäſsig Holz- oder Erdwälle waren und daſs die Steinconstruction erst in Aufnahme kam durch das Beispiel und die besseren Werkzeuge der Griechen, von denen die Italiker wohl sicher erst den Gebrauch des Eisens lernten und jedenfalls das Richtmaſs (groma aus γνώμων γνῶμα) erhielten. Alle ältesten italischen Steinbauten zeigen die auf- fallendste Aehnlichkeit mit den ältesten griechischen. Die uralten Gräber von Caere und Alsion, die vor Erfindung des Bogens gebaut sind, ersetzen denselben durch über einander geschobene allmählich einspringende und mit einem groſsen Deckstein geschlossene Steinlagen, ganz wie in den Thesauren von Orchomenos. Der Emissar des Albanersees hat die gröſste Aehnlichkeit mit dem des kopaischen. Die kyklopischen Ring- mauern, die bald ganz roh aus groſsen unbearbeiteten Stein- blöcken mit dazwischen eingeschobenen kleineren Steinen, bald polygon aus in einander greifenden vieleckig zugehaue- nen Steinblöcken, bald quadratisch in horizontalen Lagen geschichtet sind und sich in Italien, vorzugsweise in Etrurien,

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/163>, abgerufen am 25.11.2024.