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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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ACKERBAU, GEWERBE UND HANDEL.
griechischen Polydeukes; der tuskische Utuze oder Uthuze ist
aus Odysseus gebildet, der römische Ulixes entspricht genau
der in Sicilien üblichen Namensform; ebenso der tuskische
Aivas der altgriechischen Form dieses Namens, der römische
Aiax einer wohl auch sikelischen Nebenform; der römische
Aperta, später Apollo, ist entstanden aus dem dorischen
Apellon, der tuskische Apulu aus Apollon. So deuten Sprache
und Schrift Latiums auf den Zug des latinischen Handels zu
den Kumanern und den Sikelioten; und eben dahin führt
jede andere Spur, die aus so ferner Zeit uns geblieben ist:
die in Latium gefundene Münze von Poseidonia; der Getreide-
kauf bei Missernten in Rom bei den Volskern, Kumanern und
Sikelioten, daneben freilich auch wie begreiflich bei den
Etruskern; vor allen Dingen aber das Verhältniss des latini-
schen Geld- und Creditwesens zu dem sicilischen. Wie die
locale dorisch-chalkidische Bezeichnung der Silbermünze no-
mos, das sicilische Mass emina waren in gleicher Bedeutung
nach Latium übergingen, so waren umgekehrt die italischen
Gewichtbezeichnungen libra, triens, quadrans, sextans, uncia,
die beim Gebrauch des Kupfers nach dem Gewicht an Geldes
Statt dienten, in den corrupten und hybriden Formen litra,
trias, tetras, exas, ougkia schon im dritten Jahrhundert der
Stadt in Sicilien in den gemeinen Sprachgebrauch eingedrungen.
Damit zu vergleichen ist das schon erwähnte Vorkommen
des römischen Handelsdarlehns, des mutuum in der sicili-
schen Landessprache. Ja es ist dieser Verkehr so bedeutend
gewesen, dass das sicilische Gewicht- und Geldsystem allein
unter allen griechischen zu dem italischen Kupfersystem in
ein festes Verhältniss gesetzt ward, indem man drei halbe
sicilische Minen gleich zwei römischen Pfunden setzte und
dann nach dem conventionellen Werthverhältniss des Kupfers
zum Silber von 125: 1, später von 250: 1 eine der halben
Mine Kupfer an Werth entsprechende Silberlitra schlug. Es
kann danach nicht bezweifelt werden, dass die italischen
Kupferbarren im sicilischen Verkehr zahlreich circulirten.
Während also alles sich vereinigt um den regen Handel der
Latiner mit den kumanischen und noch mehr mit den sici-
lischen Griechen zu documentiren, finden sich für den Ver-
kehr mit anderen Völkern so gut wie gar keine Beweise.
Der Vertrag mit Karthago beweist zwar, dass römische Schiffe
bis nach Africa und Sardinien kamen, allein dass er haupt-
sächlich der unter punischer Herrschaft stehenden Sikelioten

ACKERBAU, GEWERBE UND HANDEL.
griechischen Polydeukes; der tuskische Utuze oder Uthuze ist
aus Odysseus gebildet, der römische Ulixes entspricht genau
der in Sicilien üblichen Namensform; ebenso der tuskische
Aivas der altgriechischen Form dieses Namens, der römische
Aiax einer wohl auch sikelischen Nebenform; der römische
Aperta, später Apollo, ist entstanden aus dem dorischen
Apellon, der tuskische Apulu aus Apollon. So deuten Sprache
und Schrift Latiums auf den Zug des latinischen Handels zu
den Kumanern und den Sikelioten; und eben dahin führt
jede andere Spur, die aus so ferner Zeit uns geblieben ist:
die in Latium gefundene Münze von Poseidonia; der Getreide-
kauf bei Miſsernten in Rom bei den Volskern, Kumanern und
Sikelioten, daneben freilich auch wie begreiflich bei den
Etruskern; vor allen Dingen aber das Verhältniſs des latini-
schen Geld- und Creditwesens zu dem sicilischen. Wie die
locale dorisch-chalkidische Bezeichnung der Silbermünze νό-
μος, das sicilische Maſs ἡμίνα waren in gleicher Bedeutung
nach Latium übergingen, so waren umgekehrt die italischen
Gewichtbezeichnungen libra, triens, quadrans, sextans, uncia,
die beim Gebrauch des Kupfers nach dem Gewicht an Geldes
Statt dienten, in den corrupten und hybriden Formen λίτϱα,
τϱιᾶς, τετϱᾶς, ἑξᾶς, οὐγϰία schon im dritten Jahrhundert der
Stadt in Sicilien in den gemeinen Sprachgebrauch eingedrungen.
Damit zu vergleichen ist das schon erwähnte Vorkommen
des römischen Handelsdarlehns, des mutuum in der sicili-
schen Landessprache. Ja es ist dieser Verkehr so bedeutend
gewesen, daſs das sicilische Gewicht- und Geldsystem allein
unter allen griechischen zu dem italischen Kupfersystem in
ein festes Verhältniſs gesetzt ward, indem man drei halbe
sicilische Minen gleich zwei römischen Pfunden setzte und
dann nach dem conventionellen Werthverhältniſs des Kupfers
zum Silber von 125: 1, später von 250: 1 eine der halben
Mine Kupfer an Werth entsprechende Silberlitra schlug. Es
kann danach nicht bezweifelt werden, daſs die italischen
Kupferbarren im sicilischen Verkehr zahlreich circulirten.
Während also alles sich vereinigt um den regen Handel der
Latiner mit den kumanischen und noch mehr mit den sici-
lischen Griechen zu documentiren, finden sich für den Ver-
kehr mit anderen Völkern so gut wie gar keine Beweise.
Der Vertrag mit Karthago beweist zwar, daſs römische Schiffe
bis nach Africa und Sardinien kamen, allein daſs er haupt-
sächlich der unter punischer Herrschaft stehenden Sikelioten

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[133/0147] ACKERBAU, GEWERBE UND HANDEL. griechischen Polydeukes; der tuskische Utuze oder Uthuze ist aus Odysseus gebildet, der römische Ulixes entspricht genau der in Sicilien üblichen Namensform; ebenso der tuskische Aivas der altgriechischen Form dieses Namens, der römische Aiax einer wohl auch sikelischen Nebenform; der römische Aperta, später Apollo, ist entstanden aus dem dorischen Apellon, der tuskische Apulu aus Apollon. So deuten Sprache und Schrift Latiums auf den Zug des latinischen Handels zu den Kumanern und den Sikelioten; und eben dahin führt jede andere Spur, die aus so ferner Zeit uns geblieben ist: die in Latium gefundene Münze von Poseidonia; der Getreide- kauf bei Miſsernten in Rom bei den Volskern, Kumanern und Sikelioten, daneben freilich auch wie begreiflich bei den Etruskern; vor allen Dingen aber das Verhältniſs des latini- schen Geld- und Creditwesens zu dem sicilischen. Wie die locale dorisch-chalkidische Bezeichnung der Silbermünze νό- μος, das sicilische Maſs ἡμίνα waren in gleicher Bedeutung nach Latium übergingen, so waren umgekehrt die italischen Gewichtbezeichnungen libra, triens, quadrans, sextans, uncia, die beim Gebrauch des Kupfers nach dem Gewicht an Geldes Statt dienten, in den corrupten und hybriden Formen λίτϱα, τϱιᾶς, τετϱᾶς, ἑξᾶς, οὐγϰία schon im dritten Jahrhundert der Stadt in Sicilien in den gemeinen Sprachgebrauch eingedrungen. Damit zu vergleichen ist das schon erwähnte Vorkommen des römischen Handelsdarlehns, des mutuum in der sicili- schen Landessprache. Ja es ist dieser Verkehr so bedeutend gewesen, daſs das sicilische Gewicht- und Geldsystem allein unter allen griechischen zu dem italischen Kupfersystem in ein festes Verhältniſs gesetzt ward, indem man drei halbe sicilische Minen gleich zwei römischen Pfunden setzte und dann nach dem conventionellen Werthverhältniſs des Kupfers zum Silber von 125: 1, später von 250: 1 eine der halben Mine Kupfer an Werth entsprechende Silberlitra schlug. Es kann danach nicht bezweifelt werden, daſs die italischen Kupferbarren im sicilischen Verkehr zahlreich circulirten. Während also alles sich vereinigt um den regen Handel der Latiner mit den kumanischen und noch mehr mit den sici- lischen Griechen zu documentiren, finden sich für den Ver- kehr mit anderen Völkern so gut wie gar keine Beweise. Der Vertrag mit Karthago beweist zwar, daſs römische Schiffe bis nach Africa und Sardinien kamen, allein daſs er haupt- sächlich der unter punischer Herrschaft stehenden Sikelioten

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/147>, abgerufen am 22.11.2024.