vom Pallast des Großherrn zu Beschicktasch bis über die Brücke fahren, aber von dort ging es nicht weiter, und Mehmet Chosref Pascha befahl mir, die zweckmäßigste Richtung einer Straße zu ermitteln, welche von der Brücke nach dem Seraskeriat in den fahrbaren Divan jolu führen sollte. Die Aufgabe war leicht, denn Läden, Gartenmauern, Häuser und Kaffee's, welche im Wege standen, wurden ohne Weiteres niedergerissen, und Sultan Mahmud war der Erste, welcher vorgestern in einem Wagen von Galata nach der Moschee Bajasids fuhr. Die Brücke wurde vorher mit einer religiösen Weihe eröffnet; der Padischah vollzog den Kurban oder das Opfer, indem er das Messer berührte, mit welchem dreizehn Widder an der Landschwelle der Brücke geschlachtet wurden. Dem Capudan-Pascha schenkte er einen prachtvollen Säbel mit Brillanten.
Für die Bewohner von Konstantinopel und Pera (mit Ausnahme der Kaiktschi oder Ruderer) ist diese Brücke ein wahres Geschenk.
Der Großherr hat eine Liebhaberei für Bauten. Er hat zu Tschiragan am Bosphor einen neuen Pallast bauen lassen, welcher wirklich einen schönen Eindruck in der reizen- den Umgebung macht, wo er sich befindet, obschon er we- der im europäischen noch im asiatischen Styl gehalten ist; eine Reihe schöner Säulen trägt das obere Stockwerk, und breite Marmorstufen führen bis an die klare Flut des Bos- phorus hinab; der Rest des Gebäudes aber ist von Holz, und nur das flache Dach, von wo man eine köstliche Aus- sicht hat, ist wieder mit Marmorplatten belegt, welche eine enorme Last für den Bau sein müssen. Besonders schön ist der große Saal im Harem, welcher durch zwei Stock- werke reicht und sein Licht von oben erhält; zu beiden Sei- ten befinden sich die Gemächer der Frauen. Auch der ovale Divan- oder Raths-Saal ist prachtvoll.
Der Großherr hatte befohlen, daß ich mir das Palais ansehen solle, und wollte von mir wissen, wo man an die- sem Gebäude einen Thurm bauen könne; ich erklärte erst-
vom Pallaſt des Großherrn zu Beſchicktaſch bis uͤber die Bruͤcke fahren, aber von dort ging es nicht weiter, und Mehmet Chosref Paſcha befahl mir, die zweckmaͤßigſte Richtung einer Straße zu ermitteln, welche von der Bruͤcke nach dem Seraskeriat in den fahrbaren Divan jolu fuͤhren ſollte. Die Aufgabe war leicht, denn Laͤden, Gartenmauern, Haͤuſer und Kaffee's, welche im Wege ſtanden, wurden ohne Weiteres niedergeriſſen, und Sultan Mahmud war der Erſte, welcher vorgeſtern in einem Wagen von Galata nach der Moſchee Bajaſids fuhr. Die Bruͤcke wurde vorher mit einer religioͤſen Weihe eroͤffnet; der Padiſchah vollzog den Kurban oder das Opfer, indem er das Meſſer beruͤhrte, mit welchem dreizehn Widder an der Landſchwelle der Bruͤcke geſchlachtet wurden. Dem Capudan-Paſcha ſchenkte er einen prachtvollen Saͤbel mit Brillanten.
Fuͤr die Bewohner von Konſtantinopel und Pera (mit Ausnahme der Kaiktſchi oder Ruderer) iſt dieſe Bruͤcke ein wahres Geſchenk.
Der Großherr hat eine Liebhaberei fuͤr Bauten. Er hat zu Tſchiragan am Bosphor einen neuen Pallaſt bauen laſſen, welcher wirklich einen ſchoͤnen Eindruck in der reizen- den Umgebung macht, wo er ſich befindet, obſchon er we- der im europaͤiſchen noch im aſiatiſchen Styl gehalten iſt; eine Reihe ſchoͤner Saͤulen traͤgt das obere Stockwerk, und breite Marmorſtufen fuͤhren bis an die klare Flut des Bos- phorus hinab; der Reſt des Gebaͤudes aber iſt von Holz, und nur das flache Dach, von wo man eine koͤſtliche Aus- ſicht hat, iſt wieder mit Marmorplatten belegt, welche eine enorme Laſt fuͤr den Bau ſein muͤſſen. Beſonders ſchoͤn iſt der große Saal im Harem, welcher durch zwei Stock- werke reicht und ſein Licht von oben erhaͤlt; zu beiden Sei- ten befinden ſich die Gemaͤcher der Frauen. Auch der ovale Divan- oder Raths-Saal iſt prachtvoll.
Der Großherr hatte befohlen, daß ich mir das Palais anſehen ſolle, und wollte von mir wiſſen, wo man an die- ſem Gebaͤude einen Thurm bauen koͤnne; ich erklaͤrte erſt-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0088"n="78"/>
vom Pallaſt des Großherrn zu Beſchicktaſch bis uͤber die<lb/>
Bruͤcke fahren, aber von dort ging es nicht weiter, und<lb/><hirendition="#g">Mehmet Chosref Paſcha</hi> befahl mir, die zweckmaͤßigſte<lb/>
Richtung einer Straße zu ermitteln, welche von der Bruͤcke<lb/>
nach dem Seraskeriat in den fahrbaren Divan jolu fuͤhren<lb/>ſollte. Die Aufgabe war leicht, denn Laͤden, Gartenmauern,<lb/>
Haͤuſer und Kaffee's, welche im Wege ſtanden, wurden ohne<lb/>
Weiteres niedergeriſſen, und Sultan <hirendition="#g">Mahmud</hi> war der<lb/>
Erſte, welcher vorgeſtern in einem Wagen von Galata nach<lb/>
der Moſchee Bajaſids fuhr. Die Bruͤcke wurde vorher mit<lb/>
einer religioͤſen Weihe eroͤffnet; der Padiſchah vollzog den<lb/>
Kurban oder das Opfer, indem er das Meſſer beruͤhrte,<lb/>
mit welchem dreizehn Widder an der Landſchwelle der Bruͤcke<lb/>
geſchlachtet wurden. Dem Capudan-Paſcha ſchenkte er einen<lb/>
prachtvollen Saͤbel mit Brillanten.</p><lb/><p>Fuͤr die Bewohner von Konſtantinopel und Pera (mit<lb/>
Ausnahme der Kaiktſchi oder Ruderer) iſt dieſe Bruͤcke ein<lb/>
wahres Geſchenk.</p><lb/><p>Der Großherr hat eine Liebhaberei fuͤr Bauten. Er<lb/>
hat zu Tſchiragan am Bosphor einen neuen Pallaſt bauen<lb/>
laſſen, welcher wirklich einen ſchoͤnen Eindruck in der reizen-<lb/>
den Umgebung macht, wo er ſich befindet, obſchon er we-<lb/>
der im europaͤiſchen noch im aſiatiſchen Styl gehalten iſt;<lb/>
eine Reihe ſchoͤner Saͤulen traͤgt das obere Stockwerk, und<lb/>
breite Marmorſtufen fuͤhren bis an die klare Flut des Bos-<lb/>
phorus hinab; der Reſt des Gebaͤudes aber iſt von Holz,<lb/>
und nur das flache Dach, von wo man eine koͤſtliche Aus-<lb/>ſicht hat, iſt wieder mit Marmorplatten belegt, welche eine<lb/>
enorme Laſt fuͤr den Bau ſein muͤſſen. Beſonders ſchoͤn<lb/>
iſt der große Saal im Harem, welcher durch zwei Stock-<lb/>
werke reicht und ſein Licht von oben erhaͤlt; zu beiden Sei-<lb/>
ten befinden ſich die Gemaͤcher der Frauen. Auch der ovale<lb/>
Divan- oder Raths-Saal iſt prachtvoll.</p><lb/><p>Der Großherr hatte befohlen, daß ich mir das Palais<lb/>
anſehen ſolle, und wollte von mir wiſſen, wo man an die-<lb/>ſem Gebaͤude einen Thurm bauen koͤnne; ich erklaͤrte erſt-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[78/0088]
vom Pallaſt des Großherrn zu Beſchicktaſch bis uͤber die
Bruͤcke fahren, aber von dort ging es nicht weiter, und
Mehmet Chosref Paſcha befahl mir, die zweckmaͤßigſte
Richtung einer Straße zu ermitteln, welche von der Bruͤcke
nach dem Seraskeriat in den fahrbaren Divan jolu fuͤhren
ſollte. Die Aufgabe war leicht, denn Laͤden, Gartenmauern,
Haͤuſer und Kaffee's, welche im Wege ſtanden, wurden ohne
Weiteres niedergeriſſen, und Sultan Mahmud war der
Erſte, welcher vorgeſtern in einem Wagen von Galata nach
der Moſchee Bajaſids fuhr. Die Bruͤcke wurde vorher mit
einer religioͤſen Weihe eroͤffnet; der Padiſchah vollzog den
Kurban oder das Opfer, indem er das Meſſer beruͤhrte,
mit welchem dreizehn Widder an der Landſchwelle der Bruͤcke
geſchlachtet wurden. Dem Capudan-Paſcha ſchenkte er einen
prachtvollen Saͤbel mit Brillanten.
Fuͤr die Bewohner von Konſtantinopel und Pera (mit
Ausnahme der Kaiktſchi oder Ruderer) iſt dieſe Bruͤcke ein
wahres Geſchenk.
Der Großherr hat eine Liebhaberei fuͤr Bauten. Er
hat zu Tſchiragan am Bosphor einen neuen Pallaſt bauen
laſſen, welcher wirklich einen ſchoͤnen Eindruck in der reizen-
den Umgebung macht, wo er ſich befindet, obſchon er we-
der im europaͤiſchen noch im aſiatiſchen Styl gehalten iſt;
eine Reihe ſchoͤner Saͤulen traͤgt das obere Stockwerk, und
breite Marmorſtufen fuͤhren bis an die klare Flut des Bos-
phorus hinab; der Reſt des Gebaͤudes aber iſt von Holz,
und nur das flache Dach, von wo man eine koͤſtliche Aus-
ſicht hat, iſt wieder mit Marmorplatten belegt, welche eine
enorme Laſt fuͤr den Bau ſein muͤſſen. Beſonders ſchoͤn
iſt der große Saal im Harem, welcher durch zwei Stock-
werke reicht und ſein Licht von oben erhaͤlt; zu beiden Sei-
ten befinden ſich die Gemaͤcher der Frauen. Auch der ovale
Divan- oder Raths-Saal iſt prachtvoll.
Der Großherr hatte befohlen, daß ich mir das Palais
anſehen ſolle, und wollte von mir wiſſen, wo man an die-
ſem Gebaͤude einen Thurm bauen koͤnne; ich erklaͤrte erſt-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/88>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.