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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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Ortschaften sind indessen äußerst selten, und es fehlt dem
Bilde daher an Leben; nur wenige steinige Pfade ziehen
sich durch die Ebene und an den Bergen hinauf, und durch
die tiefe Einsamkeit hört man nur das Geläute der schwer-
beladenen Kameele, die in langen Reihen, eins hinter dem
andern, wandeln, mit schwankendem langsamen Schritt
ihrem Führer folgend, der auf einem kleinen Esel an der
Spitze reitet.

Jn dem Dorfe Bunarbaschi, d. h. Quellenhaupt, fand
ich unter einer mächtigen Platane an einem kleinen Wasser-
behälter eine solche Caravane in Ruhe. Die Kameele schlie-
fen auf den Knieen liegend, die Perser mit ihren weißen
Turbanen und schwarzen Bärten labten sich aus dem fri-
schen Quell und aßen Gurken, Oliven und Käse. Weiter
aber im Thal fanden wir bei einer turkomanischen Noma-
denhorde gastliche Aufnahme; man bot uns Käse und Eier
an, und war sehr betrübt, daß wir nicht verweilen wollten.
Wir kehrten nun nach Bunarbad, dem Sommeraufenthalt
der Franken, zurück, wo unser Consul uns ein vortreffliches
Diner gab. Gegen Abend ritten wir nach der Stadt zu-
rück. Der Sonnenuntergang ist in dieser Gegend außer-
ordenlich schön, die Dämmerung aber sehr kurz; fast senk-
recht gleitet die helle Scheibe an dem gelben, leuchtenden
Himmel hinter das Felsvorgebirge von Karaburun (schwarze
Spitze) hinab, und dann tritt ein seltsamer Zustand von
Blendung der Augen ein, so daß man fast gar nicht sieht.
Eine Stunde später erhebt sich der Jmbad oder Landwind,
welcher des Nachts oft sehr heftig weht; des Tages sen-
det die See frische, kühle Luft. Das Meerleuchten ist hier
eine gewöhnliche Erscheinung; helle Funken klebten an den
Rudern und wirbelten an dem Steuer, als ich an Bord zu-
rückkehrte. Ganz eigen ist es, wenn man beim Meerleuch-
ten sich badet; man ist wie in Licht und Feuer eingewickelt.

Nach achttägigem Aufenthalt lichteten wir die Anker,
um zurück zu reisen. Die Abenteuer, welche wir auf der
Heimfahrt erlebt, werden Dir einen Begriff von der türki-

Ortſchaften ſind indeſſen aͤußerſt ſelten, und es fehlt dem
Bilde daher an Leben; nur wenige ſteinige Pfade ziehen
ſich durch die Ebene und an den Bergen hinauf, und durch
die tiefe Einſamkeit hoͤrt man nur das Gelaͤute der ſchwer-
beladenen Kameele, die in langen Reihen, eins hinter dem
andern, wandeln, mit ſchwankendem langſamen Schritt
ihrem Fuͤhrer folgend, der auf einem kleinen Eſel an der
Spitze reitet.

Jn dem Dorfe Bunarbaſchi, d. h. Quellenhaupt, fand
ich unter einer maͤchtigen Platane an einem kleinen Waſſer-
behaͤlter eine ſolche Caravane in Ruhe. Die Kameele ſchlie-
fen auf den Knieen liegend, die Perſer mit ihren weißen
Turbanen und ſchwarzen Baͤrten labten ſich aus dem fri-
ſchen Quell und aßen Gurken, Oliven und Kaͤſe. Weiter
aber im Thal fanden wir bei einer turkomaniſchen Noma-
denhorde gaſtliche Aufnahme; man bot uns Kaͤſe und Eier
an, und war ſehr betruͤbt, daß wir nicht verweilen wollten.
Wir kehrten nun nach Bunarbad, dem Sommeraufenthalt
der Franken, zuruͤck, wo unſer Conſul uns ein vortreffliches
Diner gab. Gegen Abend ritten wir nach der Stadt zu-
ruͤck. Der Sonnenuntergang iſt in dieſer Gegend außer-
ordenlich ſchoͤn, die Daͤmmerung aber ſehr kurz; faſt ſenk-
recht gleitet die helle Scheibe an dem gelben, leuchtenden
Himmel hinter das Felsvorgebirge von Karaburun (ſchwarze
Spitze) hinab, und dann tritt ein ſeltſamer Zuſtand von
Blendung der Augen ein, ſo daß man faſt gar nicht ſieht.
Eine Stunde ſpaͤter erhebt ſich der Jmbad oder Landwind,
welcher des Nachts oft ſehr heftig weht; des Tages ſen-
det die See friſche, kuͤhle Luft. Das Meerleuchten iſt hier
eine gewoͤhnliche Erſcheinung; helle Funken klebten an den
Rudern und wirbelten an dem Steuer, als ich an Bord zu-
ruͤckkehrte. Ganz eigen iſt es, wenn man beim Meerleuch-
ten ſich badet; man iſt wie in Licht und Feuer eingewickelt.

Nach achttaͤgigem Aufenthalt lichteten wir die Anker,
um zuruͤck zu reiſen. Die Abenteuer, welche wir auf der
Heimfahrt erlebt, werden Dir einen Begriff von der tuͤrki-

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[73/0083] Ortſchaften ſind indeſſen aͤußerſt ſelten, und es fehlt dem Bilde daher an Leben; nur wenige ſteinige Pfade ziehen ſich durch die Ebene und an den Bergen hinauf, und durch die tiefe Einſamkeit hoͤrt man nur das Gelaͤute der ſchwer- beladenen Kameele, die in langen Reihen, eins hinter dem andern, wandeln, mit ſchwankendem langſamen Schritt ihrem Fuͤhrer folgend, der auf einem kleinen Eſel an der Spitze reitet. Jn dem Dorfe Bunarbaſchi, d. h. Quellenhaupt, fand ich unter einer maͤchtigen Platane an einem kleinen Waſſer- behaͤlter eine ſolche Caravane in Ruhe. Die Kameele ſchlie- fen auf den Knieen liegend, die Perſer mit ihren weißen Turbanen und ſchwarzen Baͤrten labten ſich aus dem fri- ſchen Quell und aßen Gurken, Oliven und Kaͤſe. Weiter aber im Thal fanden wir bei einer turkomaniſchen Noma- denhorde gaſtliche Aufnahme; man bot uns Kaͤſe und Eier an, und war ſehr betruͤbt, daß wir nicht verweilen wollten. Wir kehrten nun nach Bunarbad, dem Sommeraufenthalt der Franken, zuruͤck, wo unſer Conſul uns ein vortreffliches Diner gab. Gegen Abend ritten wir nach der Stadt zu- ruͤck. Der Sonnenuntergang iſt in dieſer Gegend außer- ordenlich ſchoͤn, die Daͤmmerung aber ſehr kurz; faſt ſenk- recht gleitet die helle Scheibe an dem gelben, leuchtenden Himmel hinter das Felsvorgebirge von Karaburun (ſchwarze Spitze) hinab, und dann tritt ein ſeltſamer Zuſtand von Blendung der Augen ein, ſo daß man faſt gar nicht ſieht. Eine Stunde ſpaͤter erhebt ſich der Jmbad oder Landwind, welcher des Nachts oft ſehr heftig weht; des Tages ſen- det die See friſche, kuͤhle Luft. Das Meerleuchten iſt hier eine gewoͤhnliche Erſcheinung; helle Funken klebten an den Rudern und wirbelten an dem Steuer, als ich an Bord zu- ruͤckkehrte. Ganz eigen iſt es, wenn man beim Meerleuch- ten ſich badet; man iſt wie in Licht und Feuer eingewickelt. Nach achttaͤgigem Aufenthalt lichteten wir die Anker, um zuruͤck zu reiſen. Die Abenteuer, welche wir auf der Heimfahrt erlebt, werden Dir einen Begriff von der tuͤrki-

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/83>, abgerufen am 24.11.2024.