namentlich bei Bibnitsche Stellen, die mir weit schwieriger als das eiserne Thor selbst scheinen; sie sind zu beiden Sei- ten von hohen Felswänden eingeschlossen, so daß ein Kanal weder auf dem türkischen noch auf dem österreichischen Ufer geführt werden kann. Dagegen wäre durch einzelne Spren- gungen das Strombette aufzuräumen, wobei aber immer noch zu bedenken ist, daß durch eine ausgedehnte Correctur leicht der Wasserstand der Donau oberhalb wesentlich ge- ändert werden dürfte.
Die Römer hatten ihre Schiffe mittelst des Kanals durch das eiserne Thor geschafft, von dort sie aber längs des rechten Donauufers gezogen, und für diesen Zweck einen Leinpfad angelegt, von dem sich noch heute die deutlichsten Spuren finden. Er fängt eine Meile oberhalb Orsowa, dem Dorf Jeschelnitza gegenüber, an, wo sich am serbischen Ufer eine Jnschrift an der Felswand befindet, die von dem Feuer der Hirten zwar ganz mit Ruß überzogen ist, aber gewiß noch zu entziffern wäre, wenn jemand die Ausbeute mit einer zehntägigen Quarantaine bezahlen wollte. Die Stromufer stürzen von hier an, hoch und schroff, oft senk- recht, zum Fluß ab, und ein schmaler Gang ist dicht über dem Niveau des höchsten Wasserstandes in den Fels ge- meißelt. An einigen Stellen aber, wo die Arbeit zu bedeu- tend gewesen wäre, sieht man ganz deutlich die viereckigen Löcher, in welche einst die Balken eingetrieben wurden, welche eine Laufbrücke längs des Stroms getragen haben. Dieser Weg ist nun an vielen Stellen sehr ungangbar ge- worden, obgleich die Bewohner der nahe liegenden Ortschaf- ten sich seiner immer noch bedienen. Da ohnehin das rechte Ufer als "compromittirt" für den Verkehr geschlossen ist, so hat der um sein Vaterland so hochverdiente Graf Se- czeny eine neue Straße von Ogradina bis Kasann auf dem linken Ufer geführt. Die Kasann-Straße ist ein küh- ner Bau, oft zieht sie durch senkrechte Felswände in breite hohe Gallerien, welche nur nach dem Strome zu offen sind, und die vielen Wendungen, welche sie macht, stellen
namentlich bei Bibnitſche Stellen, die mir weit ſchwieriger als das eiſerne Thor ſelbſt ſcheinen; ſie ſind zu beiden Sei- ten von hohen Felswaͤnden eingeſchloſſen, ſo daß ein Kanal weder auf dem tuͤrkiſchen noch auf dem oͤſterreichiſchen Ufer gefuͤhrt werden kann. Dagegen waͤre durch einzelne Spren- gungen das Strombette aufzuraͤumen, wobei aber immer noch zu bedenken iſt, daß durch eine ausgedehnte Correctur leicht der Waſſerſtand der Donau oberhalb weſentlich ge- aͤndert werden duͤrfte.
Die Roͤmer hatten ihre Schiffe mittelſt des Kanals durch das eiſerne Thor geſchafft, von dort ſie aber laͤngs des rechten Donauufers gezogen, und fuͤr dieſen Zweck einen Leinpfad angelegt, von dem ſich noch heute die deutlichſten Spuren finden. Er faͤngt eine Meile oberhalb Orſowa, dem Dorf Jeſchelnitza gegenuͤber, an, wo ſich am ſerbiſchen Ufer eine Jnſchrift an der Felswand befindet, die von dem Feuer der Hirten zwar ganz mit Ruß uͤberzogen iſt, aber gewiß noch zu entziffern waͤre, wenn jemand die Ausbeute mit einer zehntaͤgigen Quarantaine bezahlen wollte. Die Stromufer ſtuͤrzen von hier an, hoch und ſchroff, oft ſenk- recht, zum Fluß ab, und ein ſchmaler Gang iſt dicht uͤber dem Niveau des hoͤchſten Waſſerſtandes in den Fels ge- meißelt. An einigen Stellen aber, wo die Arbeit zu bedeu- tend geweſen waͤre, ſieht man ganz deutlich die viereckigen Loͤcher, in welche einſt die Balken eingetrieben wurden, welche eine Laufbruͤcke laͤngs des Stroms getragen haben. Dieſer Weg iſt nun an vielen Stellen ſehr ungangbar ge- worden, obgleich die Bewohner der nahe liegenden Ortſchaf- ten ſich ſeiner immer noch bedienen. Da ohnehin das rechte Ufer als „compromittirt“ fuͤr den Verkehr geſchloſſen iſt, ſo hat der um ſein Vaterland ſo hochverdiente Graf Se- czeny eine neue Straße von Ogradina bis Kaſann auf dem linken Ufer gefuͤhrt. Die Kaſann-Straße iſt ein kuͤh- ner Bau, oft zieht ſie durch ſenkrechte Felswaͤnde in breite hohe Gallerien, welche nur nach dem Strome zu offen ſind, und die vielen Wendungen, welche ſie macht, ſtellen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0440"n="430"/>
namentlich bei Bibnitſche Stellen, die mir weit ſchwieriger<lb/>
als das eiſerne Thor ſelbſt ſcheinen; ſie ſind zu beiden Sei-<lb/>
ten von hohen Felswaͤnden eingeſchloſſen, ſo daß ein Kanal<lb/>
weder auf dem tuͤrkiſchen noch auf dem oͤſterreichiſchen Ufer<lb/>
gefuͤhrt werden kann. Dagegen waͤre durch einzelne Spren-<lb/>
gungen das Strombette aufzuraͤumen, wobei aber immer<lb/>
noch zu bedenken iſt, daß durch eine ausgedehnte Correctur<lb/>
leicht der Waſſerſtand der Donau oberhalb weſentlich ge-<lb/>
aͤndert werden duͤrfte.</p><lb/><p>Die Roͤmer hatten ihre Schiffe mittelſt des Kanals<lb/>
durch das eiſerne Thor geſchafft, von dort ſie aber laͤngs<lb/>
des rechten Donauufers gezogen, und fuͤr dieſen Zweck einen<lb/>
Leinpfad angelegt, von dem ſich noch heute die deutlichſten<lb/>
Spuren finden. Er faͤngt eine Meile oberhalb Orſowa, dem<lb/>
Dorf Jeſchelnitza gegenuͤber, an, wo ſich am ſerbiſchen<lb/>
Ufer eine Jnſchrift an der Felswand befindet, die von dem<lb/>
Feuer der Hirten zwar ganz mit Ruß uͤberzogen iſt, aber<lb/>
gewiß noch zu entziffern waͤre, wenn jemand die Ausbeute<lb/>
mit einer zehntaͤgigen Quarantaine bezahlen wollte. Die<lb/>
Stromufer ſtuͤrzen von hier an, hoch und ſchroff, oft ſenk-<lb/>
recht, zum Fluß ab, und ein ſchmaler Gang iſt dicht uͤber<lb/>
dem Niveau des hoͤchſten Waſſerſtandes in den Fels ge-<lb/>
meißelt. An einigen Stellen aber, wo die Arbeit zu bedeu-<lb/>
tend geweſen waͤre, ſieht man ganz deutlich die viereckigen<lb/>
Loͤcher, in welche einſt die Balken eingetrieben wurden,<lb/>
welche eine Laufbruͤcke laͤngs des Stroms getragen haben.<lb/>
Dieſer Weg iſt nun an vielen Stellen ſehr ungangbar ge-<lb/>
worden, obgleich die Bewohner der nahe liegenden Ortſchaf-<lb/>
ten ſich ſeiner immer noch bedienen. Da ohnehin das rechte<lb/>
Ufer als „compromittirt“ fuͤr den Verkehr geſchloſſen iſt,<lb/>ſo hat der um ſein Vaterland ſo hochverdiente Graf <hirendition="#g">Se-<lb/>
czeny</hi> eine neue Straße von Ogradina bis Kaſann auf<lb/>
dem linken Ufer gefuͤhrt. Die Kaſann-Straße iſt ein kuͤh-<lb/>
ner Bau, oft zieht ſie durch ſenkrechte Felswaͤnde in breite<lb/>
hohe Gallerien, welche nur nach dem Strome zu offen<lb/>ſind, und die vielen Wendungen, welche ſie macht, ſtellen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[430/0440]
namentlich bei Bibnitſche Stellen, die mir weit ſchwieriger
als das eiſerne Thor ſelbſt ſcheinen; ſie ſind zu beiden Sei-
ten von hohen Felswaͤnden eingeſchloſſen, ſo daß ein Kanal
weder auf dem tuͤrkiſchen noch auf dem oͤſterreichiſchen Ufer
gefuͤhrt werden kann. Dagegen waͤre durch einzelne Spren-
gungen das Strombette aufzuraͤumen, wobei aber immer
noch zu bedenken iſt, daß durch eine ausgedehnte Correctur
leicht der Waſſerſtand der Donau oberhalb weſentlich ge-
aͤndert werden duͤrfte.
Die Roͤmer hatten ihre Schiffe mittelſt des Kanals
durch das eiſerne Thor geſchafft, von dort ſie aber laͤngs
des rechten Donauufers gezogen, und fuͤr dieſen Zweck einen
Leinpfad angelegt, von dem ſich noch heute die deutlichſten
Spuren finden. Er faͤngt eine Meile oberhalb Orſowa, dem
Dorf Jeſchelnitza gegenuͤber, an, wo ſich am ſerbiſchen
Ufer eine Jnſchrift an der Felswand befindet, die von dem
Feuer der Hirten zwar ganz mit Ruß uͤberzogen iſt, aber
gewiß noch zu entziffern waͤre, wenn jemand die Ausbeute
mit einer zehntaͤgigen Quarantaine bezahlen wollte. Die
Stromufer ſtuͤrzen von hier an, hoch und ſchroff, oft ſenk-
recht, zum Fluß ab, und ein ſchmaler Gang iſt dicht uͤber
dem Niveau des hoͤchſten Waſſerſtandes in den Fels ge-
meißelt. An einigen Stellen aber, wo die Arbeit zu bedeu-
tend geweſen waͤre, ſieht man ganz deutlich die viereckigen
Loͤcher, in welche einſt die Balken eingetrieben wurden,
welche eine Laufbruͤcke laͤngs des Stroms getragen haben.
Dieſer Weg iſt nun an vielen Stellen ſehr ungangbar ge-
worden, obgleich die Bewohner der nahe liegenden Ortſchaf-
ten ſich ſeiner immer noch bedienen. Da ohnehin das rechte
Ufer als „compromittirt“ fuͤr den Verkehr geſchloſſen iſt,
ſo hat der um ſein Vaterland ſo hochverdiente Graf Se-
czeny eine neue Straße von Ogradina bis Kaſann auf
dem linken Ufer gefuͤhrt. Die Kaſann-Straße iſt ein kuͤh-
ner Bau, oft zieht ſie durch ſenkrechte Felswaͤnde in breite
hohe Gallerien, welche nur nach dem Strome zu offen
ſind, und die vielen Wendungen, welche ſie macht, ſtellen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/440>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.