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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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und Oesterreich, hier das Jnteresse von ganz Deutschland
vertretend, wäre in dem Fall, den Bau auf einem Terrain
zu unternehmen, von dem eigentlich schwer zu sagen ist,
wem es gehört.

Jch hatte Muße genug, diesen Gedanken nachzuhän-
gen, als wir zwischen den niedrigen Schilfufern der Donau
hinaufbrauseten; der Anblick ist höchst eigenthümlich, denn
zehn Meilen weit fährt man in einem unabsehbaren grünen
Meer von wogendem Schilfe umher, aus welchem die Ma-
sten und Seegel von großen Schiffen hervorragen, welche
den Wendungen des Stroms bis Gallatz und Braila hin-
auf folgen. Nur ganz in der Ferne am südlichen Horizont
waren die Gebirge von Baba-Dagh und Besch-Tepe sichtbar,
und die Sonne sank rothglühend hinter schönen Weiden-
bäumen; ich glaubte eine Everdingsche Landschaft vor mir
zu sehen. Uebrigens fuhren wir an diesem Abend an mehr
als hundert Schiffen vorüber, die sämmtlich nach Gallatz
und Brailow hinauf gingen.

Die vielen Quadratmeilen Land, die hier mit Schilf
bedeckt sind, verstecken große Heerden von Büffeln und Och-
sen, unermeßliche Schwärme von Seevögeln, aber auch
Wölfe, und noch vor einigen Jahren hausten hier Schaa-
ren von Gesindel, welche die Schiffe des Nachts überfie-
len, wenn sie anlegten. Es ist wahrscheinlich, daß man
mit geringer Arbeit durch niedrige Deiche die Jnseln ge-
gen die jährliche Ueberschwemmung der Donau schützen,
und eine ungeheuere Fläche des fruchtbarsten Bodens ge-
winnen könnte.

Von Gallatz und Brailow bekamen wir nun die Qua-
rantainen zu sehen, und erwarteten während des 13. die
Galathea; Abends, als die Sonne untergegangen, sahen
wir zu unserer Freude die Rauchsäule aufsteigen.

und Oeſterreich, hier das Jntereſſe von ganz Deutſchland
vertretend, waͤre in dem Fall, den Bau auf einem Terrain
zu unternehmen, von dem eigentlich ſchwer zu ſagen iſt,
wem es gehoͤrt.

Jch hatte Muße genug, dieſen Gedanken nachzuhaͤn-
gen, als wir zwiſchen den niedrigen Schilfufern der Donau
hinaufbrauſeten; der Anblick iſt hoͤchſt eigenthuͤmlich, denn
zehn Meilen weit faͤhrt man in einem unabſehbaren gruͤnen
Meer von wogendem Schilfe umher, aus welchem die Ma-
ſten und Seegel von großen Schiffen hervorragen, welche
den Wendungen des Stroms bis Gallatz und Braila hin-
auf folgen. Nur ganz in der Ferne am ſuͤdlichen Horizont
waren die Gebirge von Baba-Dagh und Beſch-Tepe ſichtbar,
und die Sonne ſank rothgluͤhend hinter ſchoͤnen Weiden-
baͤumen; ich glaubte eine Everdingſche Landſchaft vor mir
zu ſehen. Uebrigens fuhren wir an dieſem Abend an mehr
als hundert Schiffen voruͤber, die ſaͤmmtlich nach Gallatz
und Brailow hinauf gingen.

Die vielen Quadratmeilen Land, die hier mit Schilf
bedeckt ſind, verſtecken große Heerden von Buͤffeln und Och-
ſen, unermeßliche Schwaͤrme von Seevoͤgeln, aber auch
Woͤlfe, und noch vor einigen Jahren hauſten hier Schaa-
ren von Geſindel, welche die Schiffe des Nachts uͤberfie-
len, wenn ſie anlegten. Es iſt wahrſcheinlich, daß man
mit geringer Arbeit durch niedrige Deiche die Jnſeln ge-
gen die jaͤhrliche Ueberſchwemmung der Donau ſchuͤtzen,
und eine ungeheuere Flaͤche des fruchtbarſten Bodens ge-
winnen koͤnnte.

Von Gallatz und Brailow bekamen wir nun die Qua-
rantainen zu ſehen, und erwarteten waͤhrend des 13. die
Galathea; Abends, als die Sonne untergegangen, ſahen
wir zu unſerer Freude die Rauchſaͤule aufſteigen.

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[424/0434] und Oeſterreich, hier das Jntereſſe von ganz Deutſchland vertretend, waͤre in dem Fall, den Bau auf einem Terrain zu unternehmen, von dem eigentlich ſchwer zu ſagen iſt, wem es gehoͤrt. Jch hatte Muße genug, dieſen Gedanken nachzuhaͤn- gen, als wir zwiſchen den niedrigen Schilfufern der Donau hinaufbrauſeten; der Anblick iſt hoͤchſt eigenthuͤmlich, denn zehn Meilen weit faͤhrt man in einem unabſehbaren gruͤnen Meer von wogendem Schilfe umher, aus welchem die Ma- ſten und Seegel von großen Schiffen hervorragen, welche den Wendungen des Stroms bis Gallatz und Braila hin- auf folgen. Nur ganz in der Ferne am ſuͤdlichen Horizont waren die Gebirge von Baba-Dagh und Beſch-Tepe ſichtbar, und die Sonne ſank rothgluͤhend hinter ſchoͤnen Weiden- baͤumen; ich glaubte eine Everdingſche Landſchaft vor mir zu ſehen. Uebrigens fuhren wir an dieſem Abend an mehr als hundert Schiffen voruͤber, die ſaͤmmtlich nach Gallatz und Brailow hinauf gingen. Die vielen Quadratmeilen Land, die hier mit Schilf bedeckt ſind, verſtecken große Heerden von Buͤffeln und Och- ſen, unermeßliche Schwaͤrme von Seevoͤgeln, aber auch Woͤlfe, und noch vor einigen Jahren hauſten hier Schaa- ren von Geſindel, welche die Schiffe des Nachts uͤberfie- len, wenn ſie anlegten. Es iſt wahrſcheinlich, daß man mit geringer Arbeit durch niedrige Deiche die Jnſeln ge- gen die jaͤhrliche Ueberſchwemmung der Donau ſchuͤtzen, und eine ungeheuere Flaͤche des fruchtbarſten Bodens ge- winnen koͤnnte. Von Gallatz und Brailow bekamen wir nun die Qua- rantainen zu ſehen, und erwarteten waͤhrend des 13. die Galathea; Abends, als die Sonne untergegangen, ſahen wir zu unſerer Freude die Rauchſaͤule aufſteigen.

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/434>, abgerufen am 26.11.2024.