mußten die Waffen der Ungläubigen den Padischah in seiner eigenen Residenz gegen ein muselmännisches Heer beschützen.
So viele und so große Hindernisse stellten sich dem Plane des Sultans entgegen, und leider ist der Ausspruch wahr: qu'en Turquie on a commence la reforme par la queue. Sie bestand meist in Aeußerlichkeiten, in Namen und Projekten. Die unglückliche Schöpfung war die eines Heeres nach europäischen Mustern mit russischen Jacken, französischem Reglement, belgischen Gewehren, türkischen Mützen, ungarischen Sätteln, englischen Säbeln, und Jn- structeurs aus allen Nationen; zusammengesetzt aus Lehns- truppen oder Timarioten, aus Linientruppen mit lebens- wieriger und Landwehren mit unbestimmter Dienstzeit, in welchem die Führer Rekruten, die Rekruten kaum besiegte Feinde waren. Jn der Civil-Verwaltung hatte man einen schwachen Versuch gemacht, die Steuern nicht mehr zu ver- pachten, sondern unmittelbar für den Staat zu erheben. Die Ausfälle in den Finanzen, welche hierdurch zu Anfang unausbleiblich entstehen mußten, und mehr noch der Man- gel an redlichen Beamten, hinderten die weitere Durchfüh- rung dieser wichtigsten aller Verbesserungen. Die Titel der Staatsämter wurden gewechselt, aber die Männer, welche sie bekleideten, blieben von derselben Untüchtigkeit. Oft auch, scheint es, trotzte der Großherr dem religiösen Vorurtheil ohne Noth; denn welchen Nutzen konnte es haben, daß er dem Scheih-ül-Jslam, dem Chef des Glaubens, sein durch den Glauben verbotenes Portrait überschickte.
Sultan Mahmud hinterließ seinem jungen Nachfolger das Land im traurigsten Zustande, denn abgesehen von der augenblicklichen Verwickelung ist das osmanische Reich mit Bezug auf die neuen Einrichtungen, die noch nicht Wurzel geschlagen, schwach wie ein Kind und hinfällig wie ein Greis, in den ältern Jnstitutionen, welche sich überlebt ha- ben. Die unpartheiische Beurtheilung wird Peter dem Gro- ßen einen sehr viel höhern Platz in der Geschichte anwei- sen, als Mahmud dem Zweiten; sie wird aber auch ein-
mußten die Waffen der Unglaͤubigen den Padiſchah in ſeiner eigenen Reſidenz gegen ein muſelmaͤnniſches Heer beſchuͤtzen.
So viele und ſo große Hinderniſſe ſtellten ſich dem Plane des Sultans entgegen, und leider iſt der Ausſpruch wahr: qu'en Turquie on a commencé la réforme par la queue. Sie beſtand meiſt in Aeußerlichkeiten, in Namen und Projekten. Die ungluͤckliche Schoͤpfung war die eines Heeres nach europaͤiſchen Muſtern mit ruſſiſchen Jacken, franzoͤſiſchem Reglement, belgiſchen Gewehren, tuͤrkiſchen Muͤtzen, ungariſchen Saͤtteln, engliſchen Saͤbeln, und Jn- ſtructeurs aus allen Nationen; zuſammengeſetzt aus Lehns- truppen oder Timarioten, aus Linientruppen mit lebens- wieriger und Landwehren mit unbeſtimmter Dienſtzeit, in welchem die Fuͤhrer Rekruten, die Rekruten kaum beſiegte Feinde waren. Jn der Civil-Verwaltung hatte man einen ſchwachen Verſuch gemacht, die Steuern nicht mehr zu ver- pachten, ſondern unmittelbar fuͤr den Staat zu erheben. Die Ausfaͤlle in den Finanzen, welche hierdurch zu Anfang unausbleiblich entſtehen mußten, und mehr noch der Man- gel an redlichen Beamten, hinderten die weitere Durchfuͤh- rung dieſer wichtigſten aller Verbeſſerungen. Die Titel der Staatsaͤmter wurden gewechſelt, aber die Maͤnner, welche ſie bekleideten, blieben von derſelben Untuͤchtigkeit. Oft auch, ſcheint es, trotzte der Großherr dem religioͤſen Vorurtheil ohne Noth; denn welchen Nutzen konnte es haben, daß er dem Scheih-uͤl-Jslam, dem Chef des Glaubens, ſein durch den Glauben verbotenes Portrait uͤberſchickte.
Sultan Mahmud hinterließ ſeinem jungen Nachfolger das Land im traurigſten Zuſtande, denn abgeſehen von der augenblicklichen Verwickelung iſt das osmaniſche Reich mit Bezug auf die neuen Einrichtungen, die noch nicht Wurzel geſchlagen, ſchwach wie ein Kind und hinfaͤllig wie ein Greis, in den aͤltern Jnſtitutionen, welche ſich uͤberlebt ha- ben. Die unpartheiiſche Beurtheilung wird Peter dem Gro- ßen einen ſehr viel hoͤhern Platz in der Geſchichte anwei- ſen, als Mahmud dem Zweiten; ſie wird aber auch ein-
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mußten die Waffen der Unglaͤubigen den Padiſchah in ſeiner
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So viele und ſo große Hinderniſſe ſtellten ſich dem
Plane des Sultans entgegen, und leider iſt der Ausſpruch
wahr: qu'en Turquie on a commencé la réforme par la
queue. Sie beſtand meiſt in Aeußerlichkeiten, in Namen
und Projekten. Die ungluͤckliche Schoͤpfung war die eines
Heeres nach europaͤiſchen Muſtern mit ruſſiſchen Jacken,
franzoͤſiſchem Reglement, belgiſchen Gewehren, tuͤrkiſchen
Muͤtzen, ungariſchen Saͤtteln, engliſchen Saͤbeln, und Jn-
ſtructeurs aus allen Nationen; zuſammengeſetzt aus Lehns-
truppen oder Timarioten, aus Linientruppen mit lebens-
wieriger und Landwehren mit unbeſtimmter Dienſtzeit, in
welchem die Fuͤhrer Rekruten, die Rekruten kaum beſiegte
Feinde waren. Jn der Civil-Verwaltung hatte man einen
ſchwachen Verſuch gemacht, die Steuern nicht mehr zu ver-
pachten, ſondern unmittelbar fuͤr den Staat zu erheben.
Die Ausfaͤlle in den Finanzen, welche hierdurch zu Anfang
unausbleiblich entſtehen mußten, und mehr noch der Man-
gel an redlichen Beamten, hinderten die weitere Durchfuͤh-
rung dieſer wichtigſten aller Verbeſſerungen. Die Titel der
Staatsaͤmter wurden gewechſelt, aber die Maͤnner, welche
ſie bekleideten, blieben von derſelben Untuͤchtigkeit. Oft auch,
ſcheint es, trotzte der Großherr dem religioͤſen Vorurtheil
ohne Noth; denn welchen Nutzen konnte es haben, daß er
dem Scheih-uͤl-Jslam, dem Chef des Glaubens, ſein durch
den Glauben verbotenes Portrait uͤberſchickte.
Sultan Mahmud hinterließ ſeinem jungen Nachfolger
das Land im traurigſten Zuſtande, denn abgeſehen von der
augenblicklichen Verwickelung iſt das osmaniſche Reich mit
Bezug auf die neuen Einrichtungen, die noch nicht Wurzel
geſchlagen, ſchwach wie ein Kind und hinfaͤllig wie ein
Greis, in den aͤltern Jnſtitutionen, welche ſich uͤberlebt ha-
ben. Die unpartheiiſche Beurtheilung wird Peter dem Gro-
ßen einen ſehr viel hoͤhern Platz in der Geſchichte anwei-
ſen, als Mahmud dem Zweiten; ſie wird aber auch ein-
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/429>, abgerufen am 25.11.2024.
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