gewesen, welche die Pforte jemals aufgestellt hat. Jch be- ruhigte den Vesier über die Besorgniß, daß Hafiß-Pascha wie Achmet (sein Freund) Parthei für Mehmet-Aly er- greifen könne, und stellte ihm vor, daß der Augenblick, wo ganze Corps ihre Waffen weggeworfen und die Flotte über- gegangen, nicht der passende sei, um strenge gegen einen General zu verfahren, der unglücklich, aber persönlich brav gegen einen überlegenen Feind gefochten hatte. Jch bat einige der einflußreichsten Diplomaten, sich für Hafiß- Pascha zu verwenden, welcher auch bald darauf begnadigt und mit dem Paschalik von Erzerum belehnt wurde.
Je unglücklicher der kriegerische Akt ausgefallen, in welchem wir mitgehandelt, je mehr mußten wir darauf drin- gen, durch eine öffentliche Anerkennung bestätigt zu sehen, daß wir keinen Theil an den Ursachen des übeln Erfolges gehabt hätten. Unterdeß war der Sultan gestorben, die Gesandten hatten ihre neuen Creditive noch nicht erhalten und keiner war bis jetzt dem neuen Herrn vorgestellt; ein Schreiben des mächtigen Vesiers verschaffte uns aber so- gleich eine Audienz, in welcher wir von Sr. Hoheit huld- reich empfangen, beschenkt und entlassen wurden. Der Se- raskier äußerte, daß es ihm sehr lieb sein würde, wenn wir wieder nach Konstantinopel zurückkehren mögten, sobald die jetzige Verwickelung gelöset sein werde, um so mehr, als wir ihre Sprache und Sitte jetzt kennten; und er hoffe, daß wir mit ihnen so zufrieden sein würden, als sie es mit uns gewesen.
Wir trafen den Sultan zu Beglerbeg in denselben Sälen, in welchen sein Vater uns vor zwei Jahren so gnä- dig und freundlich empfangen, und der Anblick des jungen Monarchen erinnerte mich lebhaft an den Hingeschiedenen. Abdul-Medschid ist ein junger Mann von gutem Aus- sehen; obwohl er erst 17 Jahre alt sein kann, ziert doch schon ein stattlicher schwarzer Bart das feine, etwas blasse Antlitz; der Großherr scheint weniger von kränklicher als zarter Constitution zu sein; er trägt ganz die Tracht seines
geweſen, welche die Pforte jemals aufgeſtellt hat. Jch be- ruhigte den Veſier uͤber die Beſorgniß, daß Hafiß-Paſcha wie Achmet (ſein Freund) Parthei fuͤr Mehmet-Aly er- greifen koͤnne, und ſtellte ihm vor, daß der Augenblick, wo ganze Corps ihre Waffen weggeworfen und die Flotte uͤber- gegangen, nicht der paſſende ſei, um ſtrenge gegen einen General zu verfahren, der ungluͤcklich, aber perſoͤnlich brav gegen einen uͤberlegenen Feind gefochten hatte. Jch bat einige der einflußreichſten Diplomaten, ſich fuͤr Hafiß- Paſcha zu verwenden, welcher auch bald darauf begnadigt und mit dem Paſchalik von Erzerum belehnt wurde.
Je ungluͤcklicher der kriegeriſche Akt ausgefallen, in welchem wir mitgehandelt, je mehr mußten wir darauf drin- gen, durch eine oͤffentliche Anerkennung beſtaͤtigt zu ſehen, daß wir keinen Theil an den Urſachen des uͤbeln Erfolges gehabt haͤtten. Unterdeß war der Sultan geſtorben, die Geſandten hatten ihre neuen Creditive noch nicht erhalten und keiner war bis jetzt dem neuen Herrn vorgeſtellt; ein Schreiben des maͤchtigen Veſiers verſchaffte uns aber ſo- gleich eine Audienz, in welcher wir von Sr. Hoheit huld- reich empfangen, beſchenkt und entlaſſen wurden. Der Se- raskier aͤußerte, daß es ihm ſehr lieb ſein wuͤrde, wenn wir wieder nach Konſtantinopel zuruͤckkehren moͤgten, ſobald die jetzige Verwickelung geloͤſet ſein werde, um ſo mehr, als wir ihre Sprache und Sitte jetzt kennten; und er hoffe, daß wir mit ihnen ſo zufrieden ſein wuͤrden, als ſie es mit uns geweſen.
Wir trafen den Sultan zu Beglerbeg in denſelben Saͤlen, in welchen ſein Vater uns vor zwei Jahren ſo gnaͤ- dig und freundlich empfangen, und der Anblick des jungen Monarchen erinnerte mich lebhaft an den Hingeſchiedenen. Abdul-Medſchid iſt ein junger Mann von gutem Aus- ſehen; obwohl er erſt 17 Jahre alt ſein kann, ziert doch ſchon ein ſtattlicher ſchwarzer Bart das feine, etwas blaſſe Antlitz; der Großherr ſcheint weniger von kraͤnklicher als zarter Conſtitution zu ſein; er traͤgt ganz die Tracht ſeines
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geweſen, welche die Pforte jemals aufgeſtellt hat. Jch be-
ruhigte den Veſier uͤber die Beſorgniß, daß Hafiß-Paſcha
wie Achmet (ſein Freund) Parthei fuͤr Mehmet-Aly er-
greifen koͤnne, und ſtellte ihm vor, daß der Augenblick, wo
ganze Corps ihre Waffen weggeworfen und die Flotte uͤber-
gegangen, nicht der paſſende ſei, um ſtrenge gegen einen
General zu verfahren, der ungluͤcklich, aber perſoͤnlich brav
gegen einen uͤberlegenen Feind gefochten hatte. Jch bat
einige der einflußreichſten Diplomaten, ſich fuͤr Hafiß-
Paſcha zu verwenden, welcher auch bald darauf begnadigt
und mit dem Paſchalik von Erzerum belehnt wurde.
Je ungluͤcklicher der kriegeriſche Akt ausgefallen, in
welchem wir mitgehandelt, je mehr mußten wir darauf drin-
gen, durch eine oͤffentliche Anerkennung beſtaͤtigt zu ſehen,
daß wir keinen Theil an den Urſachen des uͤbeln Erfolges
gehabt haͤtten. Unterdeß war der Sultan geſtorben, die
Geſandten hatten ihre neuen Creditive noch nicht erhalten
und keiner war bis jetzt dem neuen Herrn vorgeſtellt; ein
Schreiben des maͤchtigen Veſiers verſchaffte uns aber ſo-
gleich eine Audienz, in welcher wir von Sr. Hoheit huld-
reich empfangen, beſchenkt und entlaſſen wurden. Der Se-
raskier aͤußerte, daß es ihm ſehr lieb ſein wuͤrde, wenn
wir wieder nach Konſtantinopel zuruͤckkehren moͤgten, ſobald
die jetzige Verwickelung geloͤſet ſein werde, um ſo mehr,
als wir ihre Sprache und Sitte jetzt kennten; und er
hoffe, daß wir mit ihnen ſo zufrieden ſein wuͤrden, als ſie
es mit uns geweſen.
Wir trafen den Sultan zu Beglerbeg in denſelben
Saͤlen, in welchen ſein Vater uns vor zwei Jahren ſo gnaͤ-
dig und freundlich empfangen, und der Anblick des jungen
Monarchen erinnerte mich lebhaft an den Hingeſchiedenen.
Abdul-Medſchid iſt ein junger Mann von gutem Aus-
ſehen; obwohl er erſt 17 Jahre alt ſein kann, ziert doch
ſchon ein ſtattlicher ſchwarzer Bart das feine, etwas blaſſe
Antlitz; der Großherr ſcheint weniger von kraͤnklicher als
zarter Conſtitution zu ſein; er traͤgt ganz die Tracht ſeines
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/416>, abgerufen am 28.11.2024.
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