Gestern frühstückte ich beim Seraskier, als man Ach- met Pascha anmeldete. Der alte Chosref stieg sogleich auf den Sopha und schaute mit unendlicher Aufmerksamkeit aus dem Fenster auf die Straße, den Rücken nach der Thür gewendet, wo der Muschir der Garden harrend stehen blieb, während Verdruß und Aerger über diesen Empfang in seinem Jnnern kochten. "Effendim!" fing er ein paar- mal an, aber der Alte hörte nicht. Die Scene dauerte wohl fünf Minuten, als Chosref glauben mochte, den stolzen Muschir in Gegenwart eines Ungläubigen genug ge- demüthigt zu haben. Er drehte sich ganz unbefangen um: Maschallah Achmet Pascha! Chosch geldin! Sefa geldin! buyrun! "sei willkommen", sen burdame? "bist Du hier", rief er, indem er ihn zärtlich umarmte. Auf sein Klatschen in die Hand stürzte ein Schwarm von Dienern herbei, de- nen er die Köpfe abschlagen lassen wollte, weil sie ihm den theuern Mussafir oder Gast nicht gemeldet.
8. Die Frauen und die Sclaven im Orient.
Arnaut-Kjöi bei Konstantinopel, den 9. Februar 1836.
Auf den Wunsch des Seraskiers befinde ich mich jetzt hier im Hause seines ersten Dragomans. Mein Wirth heißt Mardiraki oder der kleine Martin, er ist ein Ar- menier und ein reicher angesehener Mann.
Obschon wir die Weisung haben, sehr fleißig zu sein, so thun wir doch eigentlich Alles andere als übersetzen. Wenn ich dem kleinen Martin vorschlage, eine Pfeife zu rauchen, oder Tricktrack zu spielen, so ist er allezeit zu haben; spreche ich aber von der Uebersetzung, so hat er dringende Abhaltung. Die schriftlichen Aufsätze werden hier ungefähr angefertigt, wie bei uns die Tapisserie-Arbeit der Damen. Man sitzt, dabei mit untergeschlagenen Bei- nen auf dem Sopha, und malt mit der Rohrfeder übers
Geſtern fruͤhſtuͤckte ich beim Seraskier, als man Ach- met Paſcha anmeldete. Der alte Chosref ſtieg ſogleich auf den Sopha und ſchaute mit unendlicher Aufmerkſamkeit aus dem Fenſter auf die Straße, den Ruͤcken nach der Thuͤr gewendet, wo der Muſchir der Garden harrend ſtehen blieb, waͤhrend Verdruß und Aerger uͤber dieſen Empfang in ſeinem Jnnern kochten. „Effendim!“ fing er ein paar- mal an, aber der Alte hoͤrte nicht. Die Scene dauerte wohl fuͤnf Minuten, als Chosref glauben mochte, den ſtolzen Muſchir in Gegenwart eines Unglaͤubigen genug ge- demuͤthigt zu haben. Er drehte ſich ganz unbefangen um: Maschallah Achmet Pascha! Chosch geldin! Sefa geldin! buyrun! „ſei willkommen“, sen burdame? „biſt Du hier“, rief er, indem er ihn zaͤrtlich umarmte. Auf ſein Klatſchen in die Hand ſtuͤrzte ein Schwarm von Dienern herbei, de- nen er die Koͤpfe abſchlagen laſſen wollte, weil ſie ihm den theuern Muſſafir oder Gaſt nicht gemeldet.
8. Die Frauen und die Sclaven im Orient.
Arnaut-Kjoͤi bei Konſtantinopel, den 9. Februar 1836.
Auf den Wunſch des Seraskiers befinde ich mich jetzt hier im Hauſe ſeines erſten Dragomans. Mein Wirth heißt Mardiraki oder der kleine Martin, er iſt ein Ar- menier und ein reicher angeſehener Mann.
Obſchon wir die Weiſung haben, ſehr fleißig zu ſein, ſo thun wir doch eigentlich Alles andere als uͤberſetzen. Wenn ich dem kleinen Martin vorſchlage, eine Pfeife zu rauchen, oder Tricktrack zu ſpielen, ſo iſt er allezeit zu haben; ſpreche ich aber von der Ueberſetzung, ſo hat er dringende Abhaltung. Die ſchriftlichen Aufſaͤtze werden hier ungefaͤhr angefertigt, wie bei uns die Tapiſſerie-Arbeit der Damen. Man ſitzt, dabei mit untergeſchlagenen Bei- nen auf dem Sopha, und malt mit der Rohrfeder uͤbers
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Geſtern fruͤhſtuͤckte ich beim Seraskier, als man Ach-
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auf den Sopha und ſchaute mit unendlicher Aufmerkſamkeit
aus dem Fenſter auf die Straße, den Ruͤcken nach der
Thuͤr gewendet, wo der Muſchir der Garden harrend ſtehen
blieb, waͤhrend Verdruß und Aerger uͤber dieſen Empfang
in ſeinem Jnnern kochten. „Effendim!“ fing er ein paar-
mal an, aber der Alte hoͤrte nicht. Die Scene dauerte
wohl fuͤnf Minuten, als Chosref glauben mochte, den
ſtolzen Muſchir in Gegenwart eines Unglaͤubigen genug ge-
demuͤthigt zu haben. Er drehte ſich ganz unbefangen um:
Maschallah Achmet Pascha! Chosch geldin! Sefa geldin!
buyrun! „ſei willkommen“, sen burdame? „biſt Du hier“,
rief er, indem er ihn zaͤrtlich umarmte. Auf ſein Klatſchen
in die Hand ſtuͤrzte ein Schwarm von Dienern herbei, de-
nen er die Koͤpfe abſchlagen laſſen wollte, weil ſie ihm den
theuern Muſſafir oder Gaſt nicht gemeldet.
8.
Die Frauen und die Sclaven im Orient.
Arnaut-Kjoͤi bei Konſtantinopel, den 9. Februar 1836.
Auf den Wunſch des Seraskiers befinde ich mich jetzt
hier im Hauſe ſeines erſten Dragomans. Mein Wirth
heißt Mardiraki oder der kleine Martin, er iſt ein Ar-
menier und ein reicher angeſehener Mann.
Obſchon wir die Weiſung haben, ſehr fleißig zu ſein,
ſo thun wir doch eigentlich Alles andere als uͤberſetzen.
Wenn ich dem kleinen Martin vorſchlage, eine Pfeife zu
rauchen, oder Tricktrack zu ſpielen, ſo iſt er allezeit zu
haben; ſpreche ich aber von der Ueberſetzung, ſo hat er
dringende Abhaltung. Die ſchriftlichen Aufſaͤtze werden
hier ungefaͤhr angefertigt, wie bei uns die Tapiſſerie-Arbeit
der Damen. Man ſitzt, dabei mit untergeſchlagenen Bei-
nen auf dem Sopha, und malt mit der Rohrfeder uͤbers
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/41>, abgerufen am 18.12.2024.
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